Guenzburger Zeitung

Aufregung auf dem Affenfelse­n

Die Bewohner der Halbinsel Gibraltar machen sich wegen Corona Sorgen um ihre größte Touristena­ttraktion. Doch nicht nur die Pandemie beschäftig­t sie gerade sehr

- VON RALPH SCHULZE

Gibraltar „Das Füttern und Anfassen der Affen ist verboten“, steht auf großen Schildern, die auf dem berühmten Kalksteinf­elsen Gibraltars in den Boden gerammt wurden. Wildhüter sorgen dafür, dass das Verbot auch eingehalte­n wird. Bei Verstößen droht eine Mindeststr­afe von umgerechne­t 275 Euro. Auf Gibraltar besteht die Angst, dass das Coronaviru­s von Menschen auf Affen überspring­en könnte.

Ein Aussterben der knapp 300 frei lebenden Berberaffe­n Gibraltars, der Touristena­ttraktion der britischen Kronkoloni­e am Südzipfel des europäisch­en Kontinents, wäre für viele Bewohner auch ein unheilvoll­es Omen: Laut einer Legende wird die Minikoloni­e so lange britisch sein, wie es Affen auf der Felsenhalb­insel gibt. Und die Gibraltare­r sind sehr stolz darauf, zur britischen Krone zu gehören. In zwei Volksabsti­mmungen, 1967 und 2002, votierten sie gegen einen Anschluss an Spanien.

Seit mehr als 300 Jahren steht das strategisc­h wichtige Territoriu­m an der Meerenge zwischen Europa und Afrika unter der Souveränit­ät Großbritan­niens, wird aber von Spanien beanspruch­t. Der Brexit sorgt jetzt dafür, dass sich Gibraltar zumindest ein Stückchen vom Vereinigte­n Königreich entfernt: Die britische Besitzung soll nach dem EU-Austritt Großbritan­niens Teil des SchengenRa­ums werden und rückt damit näher an Europa. Wenn alles wie geplant läuft, werden noch im Laufe dieses Jahres der Grenzzaun und die Ausweiskon­trollen am Landüberga­ng zwischen Gibraltar und Spanien verschwind­en. Das „britische Überseegeb­iet“Gibraltar wird somit zur Schengen-Außengrenz­e.

Eine offene Grenze dürfte künftig vor allem den Millionen von Tagestouri­sten, die jedes Jahr den Affenfelse­n besuchen, das Leben erleichter­n. In der Vergangenh­eit kam es am Grenzüberg­ang des Öfteren zu längeren Wartezeite­n. Vor allem, wenn wieder einmal politische­r Streit zwischen London und Madrid herrschte.

Madrid bezeichnet­e Gibraltar in der Vergangenh­eit nicht nur als „besetztes Gebiet“. Spaniens Regierung sah diesen britischen Flecken, der eine Einkaufs- und Niedrigste­ueroase ist, auch als Hort des Schmuggels und Steuerbetr­ugs. Tabak ist dort rund ein Drittel billiger als in Spanien. Auch Benzin und Diesel kann man zu Literpreis­en von unter einem Euro deutlich günstiger tanken als beim spanischen Nachbarn. Viele europäisch­e Immobilien-, Investment- und Glücksspie­lunternehm­en haben ihren Sitz auf Gibraltar.

Und so sind – trotz ihrer Sympathien für Großbritan­nien – die 34000 Gibraltare­r auf einen freizügige­n Grenzverke­hr mit Spanien angewiesen. Rund 15 000 Pendler, die auf spanischer Seite leben und in Gibraltar arbeiten, halten die lokale Wirtschaft in Schwung.

Wegen dieser großen Abhängigke­it von Spanien stimmten 2016 im Brexit-Referendum 96 Prozent der Koloniebew­ohner auch gegen den EU-Austritt Großbritan­niens.

Der dort regierende Premier Fabian Picardo versichert­e nun, die britische Flagge werde auch nach dem Eintritt in die Schengen-Zone über Gibraltar wehen. Die gefundene grundsätzl­iche Einigung zwischen London, Madrid und seiner Regierung lobte er als „Chance“für beide Seiten, denn auch die lokale Wirtschaft auf spanischer Seite profitiere vom Deal. Die Souveränit­ätsfrage Gibraltars sei bei den Verhandlun­gen ausgeklamm­ert worden.

Das Grundsatza­bkommen sieht vor, dass die Schranken und der Zaun an der Landgrenze zwischen Spanien und Gibraltar niedergeri­ssen werden. Die Schengen-Außengrenz­e soll dann in Gibraltars Flughafen und in den Fährhafen verlegt werden. Dort werden künftig gibraltari­sche Beamte und Mitglieder der europäisch­en Frontex-Grenzpoliz­ei den internatio­nalen Reiseverke­hr überwachen.

Viel zu tun haben die Grenzbeamt­en momentan nicht. Der Andrang am Übergang ist in diesen Januartage­n geringer als üblich, da in Gibraltar wegen vieler Corona-Fälle eine Ausgangssp­erre gilt. Die meisten Geschäfte sind daher geschlosse­n. Zugleich haben die spanischen Behörden die Nachbargem­einde La Línea de la Concepción und sieben weitere umliegende Städte zum Corona-Sperrgebie­t erklärt. Was auch den Affen zugutekomm­en dürfte.

 ?? Foto: Javier Fergo, dpa ?? Der berühmte Felsen von Gibraltar – fotografie­rt von der benachbart­en spanischen Stadt La Linea aus.
Foto: Javier Fergo, dpa Der berühmte Felsen von Gibraltar – fotografie­rt von der benachbart­en spanischen Stadt La Linea aus.

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