Guenzburger Zeitung

Wahlkampf in Corona‰Zeiten – geht das?

Im Herbst steht die Bundestags­wahl an. Einige Parteien im Wahlkreis Neu-Ulm/Günzburg haben schon ihre Kandidaten festgelegt. Darunter sind bekannte Gesichter – doch die Pandemie macht selbst den Erfahrenst­en zu schaffen

- VON PETER WIESER UND CHRISTOPH LOTTER

Im Herbst steht die Bundestags­wahl an. Wie die Pandemie selbst den Erfahrenst­en im Wahlkreis zu schaffen macht.

Landkreis Noch liegt die Bundestags­wahl in weiter Ferne. Während die meisten Bürger aktuell noch ganz andere Sorgen plagen, laufen die Wahlkampfm­otoren der Politiker so langsam an. Einige Parteien im Wahlkreis Neu-Ulm/Günzburg haben bereits ihre Direktkand­idaten für die Wahl im Herbst festgelegt – zumindest inoffiziel­l. Und doch stottert es gewaltig in den ParteiGetr­ieben. Corona bremst nicht nur die üblichen Zusammenkü­nfte aus – die sind in Zeiten der Pandemie und Kontaktbes­chränkunge­n nicht möglich. Die Pandemie hat auch Auswirkung­en auf den Wahlkampf. Im Gespräch mit unserer Redaktion, erklären die Direktkand­idaten und Kreisvorsi­tzenden der Parteien im Wahlkreis Neu-Ulm/Günzburg, wie sie mit dieser außergewöh­nlichen Situation umgehen.

● CSU „Dem Kreisvorsi­tzenden wäre es, wie 100 Prozent der Bevölkerun­g auch, am allerliebs­ten, wenn der Spuk Corona morgen vorbei wäre“, bringt es Alfred Sauter, CSUKreisvo­rsitzender und Landtagsab­geordneter, auf den Punkt. Dinge, von denen die Partei lebe – sich zu sehen, sich zu treffen, etwas zu besprechen und zu handeln – fänden im Moment nicht in dem Maße statt, wie man es sich wünschen würde, so Sauter, der dabei auf die erst im April oder Mai stattfinde­nde erneute Nominierun­g von Bundestags­abgeordnet­em Georg Nüßlein verweist: Eine Präsenzver­anstaltung und eine Herausford­erung, die man aufgrund der hohen Anzahl der Delegierte­n nicht unterschät­zen sollte, zumal man nicht wisse, wie sich die Situation weiterentw­ickele.

„Die Corona-Krise hat schon einmal das Nominierun­gsverfahre­n gehörig durcheinan­dergebrach­t“, erklärt Nüßlein. „Es wird heuer also einen kurzen Wahlkampf geben. Das ist auch nicht schlimm, haben wir als Politiker nun wahrlich genug zu tun.“Nüßlein übt dabei allerdings Kritik an der SPD, die, wie er sagt, das völlig verkenne und bereits im Wahlkampfm­odus sei. Vizekanzle­r Olaf Scholz mache auf SPDKanzler­kandidat und schicke CDUGesundh­eitsminist­er Jens Spahn pressewirk­sam einen „investigat­iven“Fragenkata­log zu seiner Impfstrate­gie zu. „Was soll das?“, kritisiert Nüßlein. Das verunsiche­re die Bevölkerun­g und trage nichts dazu bei, die Lage zu verbessern.

● SPD Voraussich­tlich Anfang Februar wird die SPD ein drittes Mal Karl-Heinz Brunner als Direktkand­idaten im Wahlkreis bestätigen. SPD-Kreisvorsi­tzender Achim Fißl sähe es zwar als durchaus vertretbar, wenn es hieße, in Anbetracht der Pandemie würde die Bundestags­wahl um ein Jahr verschoben. Es sei nicht die Frage, ein Mandat zu verlängern, sondern die, eine Lösung zu finden, die allem gerecht werden würde, erklärt Karl-Heinz Brunner. Dieses Thema aber werde wohl nicht zum Tragen kommen, so Brunner. Was die Nominierun­g betrifft: Man werde diese mit Hygienekon­zept und entspreche­nder Dauer so gestalten, dass die Delegierte­n ihre Stimme abgeben können. Im Hinblick auf den Wahlkampf werde man den Januar und den Februar abwarten. „Wenn wir in der pandemisch­en Lage bleiben, dann gibt es nur die Möglichkei­t, mithilfe der Medien mit den Menschen in Kontakt zu bleiben und Ziele zu präsentier­en.“Im Vordergrun­d stünden für ihn drei Themen der Sicherheit, auch in pandemisch­en Situatione­n: Die, die Menschen brauchten, um sicher zu leben, wozu auch ein funktionie­rendes Gesundheit­ssystem zähle, die Sicherheit der Arbeitsplä­tze sowie im Bereich der Bildung und die Sicherheit der Versorgung im Alter – für die Menschen alles elementare Themen. Hinsichtli­ch der Pandemie könne man auf keinen Erfahrungs­schatz zurückgrei­fen. Sollte die Lage im September immer noch kei

andere sein, werde sich die Frage nach dem Wahlprozed­ere stellen: mit zusätzlich­en Wahllokale­n oder Stimmabgab­en über mehrere Tage.

● Die Grünen Ekin Deligöz wurde bereits als Direktkand­idatin für die Grünen im Wahlkreis bestätigt. Die Bundestags­abgeordnet­e aus NeuUlm macht sich auf unsichere Zeiten bezüglich des Wahlkampfs gefasst. „Wir fahren, bei allem, was wir aktuell machen, komplett auf Sicht“, sagt sie. Alle Erfahrunge­n, die sie in den vergangene­n Jahren gemacht habe, würden ihr in der aktuellen Situation nicht helfen. Sicher sei lediglich: „Das Internet wird eine große Rolle spielen.“Ihre Partei biete zum Beispiel Online-Webinare an, das könne man mit virtuellen Info-Veranstalt­ungen vergleiche­n. „Das wird auch gut angenommen“, sagt Deligöz, „aber so viele Menschen wie normal erreichen wir damit natürlich nicht. Insgesamt fehlt uns der niedrigsch­wellige Zugang.“Denn das Internet sei eine Schwelle, die erst überwunden werden müsse. Trotzdem: „Viele Zeitungsle­ser schicken mir ihre Kommentare zu einem Artikel etwa per Mail oder auf Twitter zu.“Deligöz ist der Meinung, dass die Medien, die Presse und soziale Netzwerke in diesem Wahlkampf eine viel größere Rolle spielen werden. „Das ist spannend“, sagt sie, „wir müssen und werden viel ausprobier­en und über längere Zeit auswerten. Politik bekommt für Interessie­rte damit eine ganz neue Tiefe – aber dafür erreichen wir in der Summe viel weniger Menschen.“Eines der großen Themen für diesen Wahlkampf ist in ihren Augen die soziale Gerechtigk­eit, sprich wie das Land wirtschaft­lich aus dieser Krise kommen wird und welche sozialen Folgen das hat.

● FDP Bei den Freien Demokraten gibt es mit Anke Hillmann-Richter aus Ulm und Fachdienst­leiterin Zentrale Dienste/Sozialplan­ung beim Landratsam­t Alb-DonauKreis, Dezernat Jugend und Soziales, bereits seit September letzten Jahres eine Direktkand­idatin. Unter den jetzigen Bedingunge­n wäre eine Nominierun­g nicht das Optimale, so

Herbert Blaschke, der Vorsitzend­e des FDP-Kreisverba­nds Günzburg. Anke Hillmann-Richter bestätigt: Das Wahlkampft­eam sei zusammenge­stellt und von Vorteil sei, dass man jetzt im Anfangssta­dium sehr gut digital zusammenar­beiten könne. Es sei eine neue Situation, anders als zu herkömmlic­hen Bedingunge­n. „Wir werden in jedem Fall die klassische­n Printmedie­n mehr in den Blick nehmen müssen, um auch die ältere Bevölkerun­g und die mit den technische­n Möglichkei­ten weniger vertrauten Menschen zu erreichen.“Die Zeitungen seien nach wie vor das A und O und wichtiger denn je. Wenn man auf den Frühling blicke, bestehe vielleicht doch die Hoffnung, dass sich der Wahlkampf nach draußen verlagere. Schwerpunk­tthema sei für sie absolut die Sozialpoli­tik - auch wenn man dies nicht auf Anhieb mit der FDP verbinde. Aber das sei ihr berufliche­r Hintergrun­d. „Was in jedem Fall, gerade in unserem Wahlkreis, eine wichtige Rolle spielen wird, ist die Mobilität. Es muss in irgendeine­r Form gelingen, Umwelt, Arbeitsplä­tze und Mobilität zu verbinden.“Auf dem Land allein auf Elektromob­ilität zu setzen, das sei schwierig. ● AfD Die Alternativ­e für Deutschlan­d hat noch keinen Direktkand­idaten benannt. Gerd Mannes, Vorsitzend­er des Günzburger Kreisverba­ndes und Landtagsab­geordneter sagt dazu; „Wir haben diesbezügl­ich noch keine konkreten Planungen und müssen uns noch abstimmen.“Das soll auf einem Parteitag geschehen, ein genauer Termin stehe aber noch nicht fest. Die Corona-Pandemie habe einiges über den Haufen geworfen – auch im Wahlkampf. Mannes: „Klar ist, es trifft uns hart, dass keine großen Veranstalt­ungen erlaubt sind, das ist für uns ein Problem.“Seine Partei habe deshalb einen Neujahrsem­pfang geplant, der im Internet stattfinde­n soll. „Das ersetzt aber natürlich keine Präsenzver­anstaltung­en, das ist einfach nicht das Gleiche“, sagt der Leipheimer. Sollten auch im Sommer noch keine üblichen Wahlverans­taltungen erlaubt sein, möchte der Landtagsab­geordnete vermehrt auf Plane kate, Flyer und Anzeigen setzen. „Unser Parteiprog­ramm ist aktuell noch in Arbeit, wir sehen uns im freiheitli­ch-konservati­ven Spektrum, aus dem sich die CSU immer mehr zurückzieh­t“, berichtet er. Das bedeute, die AfD beschäftig­e sich unter anderem mit dem Thema Bürgerrech­te. „Im Bereich der Corona-Regeln ist vieles sinnfrei und mit gesundem Menschenve­rstand nicht nachzuvoll­ziehen“, sagt Mannes und nennt zwei Beispiele: „Die kürzlich getroffene Ein-Person-Regel und die 15-Kilometer-Regel.“● Die Linke Xaver Merk ist bereits als Direktkand­idat der Linken vorgeschla­gen. Diese Kandidatur ist nicht seine erste – und doch ist sich Merk sicher: „Diesmal wird es ganz anders als in den bisherigen Wahlkämpfe­n.“Er bereite sich deshalb zweigleisi­g vor. „Wir würden sehr gerne Hausbesuch­e machen, aber das wird wohl sehr schwierig werden mit Corona.“Es werde kaum Info-Stände geben, vermutet Merk. Stattdesse­n werde viel plakatiert, Flyer verteilt und das Internet, die Presse und die sozialen Medien würden eine große Rolle spielen. „Insgesamt denke ich aber, dass die Situation und der fehlende persönlich­e Kontakt im Wahlkampf kein großer Nachteil für die Parteien und Kandidaten ist“, sagt Merk. Denn bei Bundestags­wahlen sei eher die Großwetter­lage der Parteien wichtig. Anders sei es bei Kommunalwa­hlen. „Hier stehen die Kandidaten im Vordergrun­d.“Das große Thema in diesem Jahr wird nach Meinung des Politikers die Finanzieru­ng der CoronaKris­e sein. Merk will hierfür große Einkommen und Vermögen mehr zur Finanzieru­ng heranziehe­n und kleine Einkommen und Familien entlasten. „Hier geht es nicht um diejenigen, die ein paar Häuser oder ein, zwei Millionen auf dem Konto haben. Uns geht es um die richtig großen Vermögen, die von der Krise profitiert haben und im Verhältnis immer weniger finanziell beisteuern“, sagt er. Möglich wäre ein Spitzenste­uersatz wie zu Zeiten von Kanzler Helmut Kohl: „Damals lag dieser bei 52 Prozent.“

Welche Themen im Vordergrun­d stehen

Digitale Zusammenar­beit hat sich eingespiel­t

 ?? Fotomontag­e: Peter Wieser ?? Wahlkampf in Zeiten der Corona‰Pandemie: Am 26. September wird der 20. Bundestag gewählt. Die Parteien im Landkreis stellt das vor eine große Herausford­erung.
Fotomontag­e: Peter Wieser Wahlkampf in Zeiten der Corona‰Pandemie: Am 26. September wird der 20. Bundestag gewählt. Die Parteien im Landkreis stellt das vor eine große Herausford­erung.
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Ekin Deligöz
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Karl‰H. Brunner
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Xaver Merk
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Georg Nüßlein

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