Zeitvertreib mit Handtasche
Zumeist ist der deutsche Mensch total überlastet. Er arbeitet bis zum Umfallen und hat für Privates keine Zeit. Im Abwehrkampf gegen Corona hat sich das geändert. Mit Ausgangssperre und Kontaktverbot wird selbst der bienenfleißigste Zeitraffertyp zur Passivität verurteilt und in Langeweile gestürzt. Da ist es gewiss richtig, an Judith Leiber zu erinnern, die vor hundert Jahren das Licht der Welt und wenig später die Idee erblickte, Handtaschen zu erfinden. Rund 3000 Modelle hat sie als Designerin entworfen. Damit hat sie Millionen Frauen nicht nur ein schickes Transportmittel, sondern auch eine Beschäftigung in langweiligen Situationen vermittelt. Ein Internetstatistiker behauptet, dass Frauen 76 Tage ihrer Lebenszeit mit der Suche nach den durchschnittlich 35 Gegenständen in ihrer Handtasche verbringen. Vielleicht erklärt dies die Tatsache, dass die CoronaLangeweile nur wenige deutsche Frauen in Verzweiflung stürzen konnte.
Männer sind benachteiligt. Der Inhalt in ihren Hosentaschen reizt nicht zu ordnender Beschäftigung. Und nicht einmal jetzt zum Geburtstag Judith Leibers beteiligen sie sich an einer zeitvertreibenden Durchsuchung der ehefraulichen Handtaschen, es sei denn, diese Taschen haben jene Bedeutung, auf die Kurt Tucholsky in seiner Story „Akustischer Kostümball“hinweist: „Ich kannte einmal eine Frau, die ließ sich von jedem ihrer Freunde zur Erinnerung eine Handtasche schenken. Und sie hatte deren etliche.“