Guenzburger Zeitung

„Was soll uns das hier bringen?“

Im Landkreis Donau-Ries gilt seit Montag die 15-Kilometer-Regel. Politiker und Mediziner üben scharfe Kritik

- VON DAVID HOLZAPFEL

Nördlingen Autokolonn­en wühlen sich ihren Weg durch schwarzen Matsch, überall Touristen, sie gehen spazieren, spielen Eishockey, teils in großen Gruppen. Es waren düstere Szenen der Pandemie, die sich unlängst am bayerische­n Spitzingse­e abgespielt haben. Damit es nicht mehr zu Bildern wie diesen kommt, hat die bayerische Regierung die Corona-Regeln verschärft; seit Anfang der Woche gilt die 15-Kilometer-Beschränku­ng für Landkreise im Corona-Hotspot, wonach sich Menschen für Ausflüge nur noch 15 Kilometer vom Stadtgebie­t entfernen dürfen. Im Donau-Ries-Kreis gilt diese Regelung seit Montag. Dort zeigt sich: Es knirscht vor Ort gewaltig. Politiker und Ärzte kritisiere­n die Maßnahme teils scharf.

Professor Bernhard Kuch ist einer von jenen, denen die Gefahr des Virus täglich vor Augen geführt wird. Seit Beginn der Pandemie inkönnten. tubiert der Intensivme­diziner am Nördlinger Stiftungsk­rankenhaus Menschen, die nicht mehr selbststän­dig atmen können, stellt sicher, dass ihre Vitalwerte stimmen und reanimiert, wenn der Zustand der Patienten sich dramatisch verschlech­tert. Zur 15-Kilometer-Regelung sagt er: „Der Inzidenzwe­rt sinkt bei uns dadurch sicher nicht.“

Dieser liegt im Landkreis DonauRies am Donnerstag laut RKI bei 219, im Oktober betrug der Wert noch 22,4. Auch Nördlingen­s Oberbürger­meister David Wittner beobachtet diese Entwicklun­g genau. Er stellt die Regelung massiv infrage, sagt: „Was soll uns das hier bringen?“Die Maßnahme möge dort sinnvoll sein, wo Menschen massenweis­e zu Seen und Bergen strömen würden, etwa im Münchner Umland. Im Donau-Ries-Kreis gebe es keinen Ansturm von Touristen.

Der parteilose OB fürchtet, dass Regeln wie diese zulasten der Akzeptanz in der Bevölkerun­g gehen „Ich habe beobachtet, dass immer mehr Menschen an der Sinnhaftig­keit solcher Beschlüsse zweifeln, und das zu Recht.“Viel wichtiger sei es, bestehende, effektive Maßnahmen handwerkli­ch zu verbessern. „Wir brauchen nicht jeden

Tag neue Regeln, ohne, dass die gestrigen funktionie­ren.“

Der Landkreis Donau-Ries könnte laut Verordnung auch untersagen, dass Menschen aus anderen Kreisen zu Besuch kommen. Davon sieht Landrat Stefan Rößle jedoch ab. Auch er als CSU-Vorstandsm­itglied appelliert an die Staatsregi­erung: „Neue Regelungen müssen gut überlegt sein. Sonst kann die Stimmung schnell kippen.“

Die Polizeidie­nststellen im Landkreis fragen sich derweil, wie sie die Einhaltung der 15-Kilometer-Regelung kontrollie­ren sollen. Die Diskussion darüber ist für die Beamten in erster Linie eine theoretisc­he. Man werde sich jeden Einzelfall anschauen und ihn dann bewerten, sagte Nördlingen­s Polizei-Chef Walter Beck. Verstöße könnten eigentlich nur während einer Routinekon­trolle festgestel­lt werden. 14,9 oder 15,1 Kilometer: Wie bestimmt die Polizei im Zweifelsfa­ll die Entfernung? „Mit Google Maps oder anderen elektronis­chen Kartensyst­emen“, sagt Becks Stellvertr­eter Robert Schmitt. Die Bilanz nach rund vier Tagen 15-Kilometer-Regelung: Weder in Nördlingen, noch in Donauwörth sind den Beamten bislang Verstöße bekannt geworden.

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Symbolfoto: N. Armer, dpa Verstöße gegen die 15‰Kilometer‰Regel können die Beamten eigentlich nur bei Rou‰ tinekontro­llen entdecken, sagt die Polizei in Nördlingen.

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