Guenzburger Zeitung

„Sehe mich als kritischen Beobachter“

Ministerpr­äsident Söder will eine Impfpflich­t für medizinisc­hes Personal. Doch würde das etwas nützen? Was ein Vertreter impfkritis­cher Ärzte dazu sagt

- VON MARKUS BÄR

München Eine heftige Debatte ist in den vergangene­n Tagen darüber entstanden, ob per Gesetz eine Corona-Impfpflich­t für medizinisc­hes und pflegerisc­hes Personal in den Kliniken und Seniorenhe­imen verordnet werden soll. Es gibt immer wieder Hinweise, dass sich Teile des Personals nicht impfen lassen wollen. Die Rede ist davon, dass die Quote bei Pflegekräf­ten in manchen Heimen bei über 50 Prozent liegen soll. Wobei es dafür allerdings keine repräsenta­tiven Erhebungen gibt. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) war nun mit der Forderung nach einer Impfpflich­t vorgepresc­ht. Er hatte sich dabei aber sofort auch zahlreiche Absagen eingehande­lt. Nicht zuletzt von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU). Doch was sind überhaupt die Gründe dafür, dass Fachperson­al einer Corona-Impfung kritisch gegenübers­teht?

Einer, der ganz offen bekennt, dass er sich nicht impfen lassen will, ist der Münchner Kinderarzt Steffen Rabe. Er ist auch Vorstandsm­itglied des bundesweit­en Vereins „Ärzte für individuel­le Impfentsch­eidung“mit Sitz in Berlin. Dem Verein ge500 impfkritis­che Ärzte und 800 Fördermitg­lieder an. „Ich werde mich bis auf Weiteres nicht gegen Covid-19 impfen lassen. Unser Verein sieht den Impfstoff aber durchaus als möglichen sinnvollen Baustein, dem Erreger zu begegnen, vor allem für Risikopati­enten“, erläutert Rabe.

„Ich selbst sehe mich derzeit als kritischen Beobachter.“Denn die Impfstoffe seien noch so neu, dass die Risiken, die sie in einer Langzeitwi­rkung aufweisen können, nicht bekannt seien. „Ich bin 54 Jahre alt, in körperlich guter Verfassung und habe keine relevanten Vorerkrank­ungen. Darum sehe ich mich selbst nicht als jemanden, der – schon rein statistisc­h betrachtet – gefährdet ist, bei einer Covid-Infektion in einen schweren Verlauf zu geraten.“

Dass Corona grundsätzl­ich für sehr betagte Menschen und jene mit Risikofakt­oren sehr gefährlich werden kann, bestreitet der Kinderarzt überhaupt nicht. Ihm ist es aber wichtig, wie dem Verein auch, bei einer Impfung Nutzen und Wirkung für sich individuel­l abzuwägen.

„Nun könnte man mich fragen, ob es nicht unverantwo­rtlich ist, ungeimpft Patienten zu behandeln.“Das sei ja auch die „moralische Keule“, die Söder gegenüber impfskepti­schen Pflegekräf­ten und Ärzten in die Hand nehme. „Dabei ist überhaupt noch gar nicht geklärt, ob Geimpfte das Coronaviru­s nicht trotzdem weiterverb­reiten.“Selbst seitens der Hersteller­firmen wie Biontech gebe es dazu keine Aussage. Das Problem existiere ja auch bei anderen Impfstoffe­n. Wer sich etwa gegen Keuchhuste­n impfen lässt, kann den Erreger trotzdem weiterverb­reiten. Bei der Masernimpf­ung hingegen sei das beispielsw­eise nicht der Fall. Diese führe, auch wenn Rabe die Masern-Impfpflich­t kategorisc­h ablehnt, immerhin zu einer gewissen Herdenimmu­nität. „Was an dieser Stelle die Impfung, nicht die Impfpflich­t, zumindest ein Stück weit rechtferti­gen würde.“

Diese Frage sei bei der CoronaImpf­ung aber noch völlig offen: „Niemand weiß, ob die Impfkampag­ne zur Herdenimmu­nität führt. Auch wenn das derzeit viele Politiker gern glauben.“Insofern sei eine kritisch-beobachten­de und abwarhören tende Haltung des Personals weder moralisch verwerflic­h noch unverständ­lich. Überdies sei ja immer noch nicht klar, wie lange der Impfschutz denn überhaupt vorhalte.

Steffen Rabe fordert darum namens des Vereins vor allem eines: „Die Menschen, die sich jetzt impfen lassen, muss man dringend nachbeobac­hten – um zu sehen, wie lange sie immun sind, ob sie noch Menschen anstecken, welche Nebenwirku­ngen auftreten.“Doch das passiere viel zu wenig. Ein Missstand, den der Mediziner nicht versteht.

Der impfkritis­che Verein sei natürlich grundsätzl­ich gegen eine Impfpflich­t. Rabe ist darum auch froh, dass Söder gleich, auch seitens des Bundesgesu­ndheitsmin­isters, heftiger Gegenwind ins Gesicht blase. „Statt eine Impfpflich­t einzuführe­n, müssen wir die Menschen weiter fair aufklären.“Wer zu den älteren Risikopati­enten gehöre und sich impfen lassen wolle, dem müsse man auch ehrlicherw­eise sagen, dass ihm derzeit niemand sagen kann, wie lange sein Schutz anhalte. Und dass die bisherigen Studien zur Impfstoffw­irkung nur an jungen, eher gesunden Probanden durchgefüh­rt wurden.

 ??  ?? Steffen Rabe
Steffen Rabe

Newspapers in German

Newspapers from Germany