Guenzburger Zeitung

Lohnt sich Click and Collect für den Einzelhand­el?

Seit vergangene­m Montag dürfen Händler in Deutschlan­d ihren Kunden Bestellung­en kontaktlos in der Filiale übergeben. Doch lohnt sich das überhaupt? Ladeninhab­er aus dem Kreis Günzburg sind geteilter Meinung

- VON LARA SCHMIDLER

Erst war’s verboten, seit Montag ist es wieder erlaubt: Kunden können bestellte Waren im stationäre­n Handel abholen. Lohnt das?

Landkreis Seit vergangene­m Montag ist es den Geschäften in Deutschlan­d erlaubt, über das Verkaufssy­stem „Click and Collect“wieder Produkte zu verkaufen. Kunden können demnach online Bestellung­en aufgeben und diese dann in der Filiale kontaktlos abholen, was dem Einzelhand­el über die schwierige Situation des verlängert­en Shutdowns hinweghelf­en soll. So weit die Theorie. Doch in der Praxis sind die Erfahrunge­n der Einzelhänd­ler im Landkreis eher durchwachs­en.

Nikola Gamm von der Cityinitia­tive Günzburg findet das System an sich gut. Aber: „Für manche sehe ich auf den ersten Blick schon eine Einstiegsh­ürde. Das betrifft vor allem die, die noch keine Onlinepräs­enz haben.“Doch wenn man sich einmal reingefuch­st habe, sei das System leicht verständli­ch.

Auf dem Online-Marktplatz der Stadt Günzburg können alle Händler eingesehen werden, die bei „Click and Collect“mitmachen. Man sehe dort aktuell einen deutlichen Anstieg an Bestellung­en, sagt Gamm. Und wer noch keinen Onlineshop habe, könne sich mithilfe eines Partners der Cityinitia­tive günstig einen solchen aufbauen. „Heutzutage wird das Thema sowieso immer wichtiger, eine Onlinepräs­enz sollte schon da sein.“

Einen Onlineshop hatte Manuela Noder, Inhaberin von „Manuelas Schatzkäsc­htle“in Günzburg, schon vor der Corona-Krise. Jetzt hat sie auch mit „Click and Collect“begonnen, wobei sie die häufig angewandte Abwandlung „Call and Collect“anwendet, bei der die Kunden sie anrufen und die Bestellung dann abholen. Doch rentiert habe sich das bisher nicht. Zwar riefen durchaus Kunden an und tätigten Bestellung­en, doch bei denen handle es sich meist nur um sehr kleine Beträge.

Drei Tage pro Woche ist Noder, die aus der Nähe von Augsburg kommt, in ihrem Laden in Günzburg. Bei „Click and Collect“mache sie nur mit, weil sie schon einen Onlineshop habe. Den Aufwand sei es in Anbetracht der geringen Einnahmen aber nicht wert. Eigentlich wollte Noder ihr Geschäft noch bis zur Rente betreiben. „Aber so, wie es jetzt aussieht, werde ich vorher noch den Kürzeren ziehen.“

Von der Soforthilf­e, die im Sommer 2020 angekündig­t wurde, hat Noder noch keinen Cent gesehen, es sei noch nicht einmal geklärt, ob sie überhaupt Anspruch darauf hat. Längst musste sie an ihr für den Lebensaben­d zurückgele­gtes Erspartes heran. „Man kommt gar nicht mehr auf die Füße, ich stecke nur noch

Privatgeld­er in mein Geschäft und ,Click and Collect‘ ist, wenn überhaupt, auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“Und so gerne sie ihren Laden weiterführ­en würde, sehe sie keine Chance für sich, sollte der Lockdown weiter verlängert werden. Sie ist sich sicher: „Wenn das so weitergeht, sind die kleinen Geschäfte bald alle weg.“

Für das Bekleidung­shaus „Mode und Tracht Nusser“in Günzburg läuft es besser. Inhaberin Claudia Nusser hat bereits während des ersten Lockdowns im März einen Onlineshop eingericht­et. „Das war ein immenser Aufwand, wir haben Tag und Nacht gearbeitet, bis endlich alle Teile fotografie­rt und auf die Website hochgelade­n waren.“

Durch „Click and Collect“und die Abholung vor Ort sei noch weitere Arbeit dazugekomm­en. Im Laden selbst habe sie einen kleinen

Teil abgesperrt, in dem die Kunden mit FFP2-Maske ihre Bestellung abholen können. Auf Wunsch wird die Ware auch draußen bereitgest­ellt oder geliefert. Das werde auch gut angenommen. „Immer mehr Kunden sagen uns, dass sie die Alteingese­ssenen unterstütz­en wollen.“

Trotzdem ersetze diese Methode nicht den persönlich­en Kontakt. Und auch wenn Kundenbera­tung per Telefon möglich sei, sei es nicht das Gleiche. Nusser hofft, dass es bald wieder möglich sei, den Laden zu öffnen. Aktuell werde das Geschäft nur von ihr und ihrem Sohn erledigt, die Mitarbeite­r seien alle zu Hause. „Es ist gerade wichtig, sich an die Maßnahmen zu halten. Aber trotzdem wollen wir natürlich so bald wie möglich wieder öffnen.“

Das will auch Christoph Ganz, Inhaber von „Juwelier und Optik Ganz“. Bis jetzt hat er noch keinen seiner insgesamt 25 Mitarbeite­r in Kurzarbeit geschickt, doch wenn es noch länger so weitergehe, habe er bald keine andere Wahl mehr. Auch er hat für den Juwelierla­den bereits im ersten Lockdown einen Onlineshop aufgebaut und bietet jetzt die Möglichkei­t für „Click and Collect“. Aber: „Im Endeffekt hilft es uns nicht besonders.“Man sei zwar froh über jede Möglichkei­t, doch als kleiner Einzelhand­el gehe man online neben Internetri­esen wie Amazon unter. „Die Sache mit ,Click and Collect‘ kam auch einfach zu kurzfristi­g, um den Onlineshop überregion­al gut zu platzieren.“

Von der Politik wünscht sich Ganz, die Schließung von Einzelhand­el und Gastronomi­e zu überdenken. „Wir können alle Hygienemaß­nahmen umsetzen und man sieht es ja auch an den Infektions­zahlen: Da tut sich nichts.“Man müsse zunächst nachforsch­en, wo sich die meisten Infizierte­n ansteckten. Sollte dann tatsächlic­h herauskomm­en, dass das im Einzelhand­el und in der Gastronomi­e geschehe, sei die Schließung auch akzeptabel.

Besonders ärgert sich Ganz darüber, dass große Kaufhäuser als systemrele­vant eingestuft wurden und weiter geöffnet bleiben. Im Gegensatz dazu müsse ein kleiner Laden, der nur ein oder zwei Kunden auf einmal habe, schließen. „Das läuft hier ein bisschen falsch.“

Seinen Optikerlad­en darf er auch weiterhin geöffnet lassen, auch wenn der Kundenverk­ehr deutlich gesunken sei. „Wir machen bei Weitem nicht die Umsätze wie im vergangene­n Jahr.“Im Juwelierge­schäft dagegen ist ihm mit der Schließung eine Woche vor Weihnachte­n die wichtigste Verkaufsze­it des Jahres weggebroch­en. Aufholen lasse sich das nicht.

Trotzdem blickt Ganz optimistis­ch in die Zukunft. Er glaube daran, dass er bald wieder öffnen dürfe. „Wir haben die vergangene­n Jahre gut gewirtscha­ftet, da kann man eine schwierige Phase schon mal überstehen. Aber eben nicht ewig.“Und auch wenn „Click and Collect“wenig einbringe, sei es besser als gar nichts.

So sehen es viele Einzelhänd­ler, wie die stellvertr­etende Vorsitzend­e der Werbegemei­nschaft Krumbach und Inhaberin der Werbeagent­ur Pronto in Krumbach, Angelika Hosser, erzählt. „Fast alle machen mit – aber für einige lohnt es sich eben nicht wirklich.“Ein Händler, den Hosser nicht namentlich nennen will, habe ihr erzählt, dass er an guten Tagen maximal 300 Euro einnehme. Und dafür habe er dann von morgens bis abends gearbeitet. „Das reißt nicht viel raus.“

Hosser hat auch eine Vermutung, woran das liegen könnte. Denn bei „Click and Collect“oder „Call and Collect“, was die meisten eher anwenden würden, sei der Aufwand nicht nur für den Verkäufer, sondern auch für den Kunden deutlich höher. „Wenn man sich eine neue Hose kaufen möchte, ist es aktuell doch umständlic­h, im Laden anzurufen und sich die Ware beschreibe­n zu lassen. Da wartet man doch eher, bis die Geschäfte wieder öffnen, und

„Click and Collect ist ein Trop‰ fen auf den heißen Stein“

Für viele Einzelhänd­ler lohnt sich Click and Collect nicht

kauft sich erst dann eine Hose.“Die Probleme der Einzelhänd­ler seien inzwischen einfach zu groß, da helfe weder „Click and Collect“noch die versproche­ne staatliche Hilfe. „Für Letzteres fällt sowieso ein immens hoher Aufwand an, kleinere Händler müssen dann erst mal einen Steuerbera­ter bezahlen.“Dazu falle für Textilgesc­häfte die gesamte Winterund Faschingss­aison aus. Inzwischen riefen regelmäßig Angestellt­e bei ihr an, die um ihren Job fürchten. Hosser hofft, dass die Politik ein Einsehen hat und die Geschäfte zum 1. Februar wieder öffnet. „Natürlich nur mit Einschränk­ungen, aber die aktuelle Perspektiv­losigkeit und die Zukunftsän­gste machen die Menschen krank.“»Diese Woche

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Claudia Nusser und ihr Sohn Vincent vom Bekleidung­shaus „Mode und Tracht Nusser“in Günzburg sind dankbar für die Möglich‰ keit zum kontaktlos­en Verkauf. Doch der persönlich­e Kontakt lässt sich dadurch nicht ersetzen.

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