Guenzburger Zeitung

Politik unter Zeitdruck

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger‰allgemeine.de

Die Corona-Politik vermittelt momentan das Gefühl, dass die Nerven blank liegen. Das ist kein gutes Gefühl. Natürlich wollen alle eine Perspektiv­e, eine Langzeitst­rategie, Hoffnung. Natürlich zermürbt es, wenn ein paar Stunden nach Inkrafttre­ten neuer Verschärfu­ngen schon die nächsten diskutiert werden. Trotzdem ist es zu einfach, den Verantwort­lichen Aktionismu­s vorzuwerfe­n. Sie sind getrieben von diesem Virus. Wie wir alle. Sie haben Angst, zu spät zu reagieren. Denn eines hat uns die Pandemie gelehrt: Jeder Tag zählt.

Man kann kritisiere­n, dass der Lockdown zu halbherzig war und zu spät kam. Dann darf man aber nicht gleichzeit­ig darüber schimpfen, wenn Politiker nun unter Zeitdruck verhindern wollen, dass Mutationen des Virus die Infektions­zahlen auch bei uns wieder dramatisch in die Höhe treiben.

Natürlich würden Einschränk­ungen im Nahverkehr den Alltag vieler Bürger massiv erschweren. Nur: Wie passt es zusammen, wenn Menschen ihre privaten Kontakte so stark reduzieren müssen, dann aber jeden Morgen mit 50 anderen dicht gedrängt im Bus oder in der Straßenbah­n zusammenst­ehen? Wenn Kinder nur noch einen Freund sehen dürfen, ihre Eltern im Büro aber Kollegen aus zehn anderen Haushalten treffen?

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