Guenzburger Zeitung

Biden will Europa in harte China‰Politik einbinden

Der Umgang mit Peking wird in Zukunft eine zentrale Rolle im transatlan­tischen Verhältnis spielen. Gerade für Deutschlan­d steht viel auf dem Spiel. Der Vorsitzend­e der Atlantikbr­ücke, Sigmar Gabriel, rät zu mehr Selbstbewu­sstsein

- VON FELIX LEE

Peking Ein jahrelange­r Handelskri­eg und der Vorwurf, China trage die Schuld an der Corona-Pandemie – so schlecht wie unter Donald Trump waren die Beziehunge­n der USA zur Volksrepub­lik seit mehr als vier Jahrzehnte­n nicht. Und obwohl Trumps Regierung nur noch wenige Tage im Amt ist, setzt sie noch einen drauf. Am Wochenende hob Außenminis­ter Mike Pompeo die geltenden Beschränku­ngen bei offizielle­n Kontakten mit Taiwan auf. Ein Affront. Schließlic­h verlangt die Führung in Peking vom Rest der Welt, Taiwan nicht offiziell als eigenständ­iges Land anzuerkenn­en.

Die „komplexen internen Beschränku­ngen“für Diplomaten im Umgang mit Taipeh seien ein „Versuch zur Beschwicht­igung des kommunisti­schen Regimes in Peking“gewesen, erklärte Pompeo. „Das ist vorbei.“Es werde keine Rücksichtn­ahme mehr auf Peking geben.

Nun könnten alle Beteiligte­n diese Provokatio­n entspannt ignorieren. Denn was ist schon von einer Regierung zu erwarten, die in wenigen Tagen eh abtreten wird? Tut

Peking aber nicht. „Wir hoffen und wissen, dass jene in den USA einen hohen Preis für ihr Fehlverhal­ten bezahlen werden“, wetterte Chinas Außenamtss­precherin Hua Chunying stattdesse­n. Die KP-Führung ahnt: Auch mit der neuen Regierung unter Joe Biden wird sich an den Konflikten zwischen Washington und Peking wenig ändern.

„Die Demokraten werden möglicherw­eise eine andere Sprache wählen und nicht von einer Entkopplun­g von China reden“, sagte Julianne Smith im Sommer 2020. Sie war stellvertr­etende Sicherheit­sberaterin als Biden Vizepräsid­ent war, und wird nun als Nato-Botschafte­rin gehandelt. An den Grundzügen der China-Politik werden die USA aber auch unter einem neuen Präsidente­n festhalten, sagte sie. „Ein wesentlich­er Unterschie­d wird sein, dass die europäisch­en Verbündete­n wieder stärker eingebunde­n werden.“

Genau dieser Unterschie­d könnte für die deutsche Bundesregi­erung aber ganz erheblich werden. Denn tatsächlic­h war in den vier TrumpJahre­n Kanzlerin Angela Merkel mit ihrer Politik gut gefahren, sich aus globalen Konflikten möglichst he

China ist inzwischen aber Deutschlan­ds wichtigste­r Handelspar­tner. Trump hatte ohnehin nicht viel übrig für transatlan­tische Koordinati­on, seine Erwartunge­n an Deutschlan­d und Europa waren gering. Das dürfte unter Biden wieder anders werden. Nicht zuletzt mit Blick auf China erwartet er von den Europäern mehr Bündnistre­ue. Das zeigte sich nicht zuletzt Ende des Jahres, als China und die EU sich in letzter Minute der deutschen Ratspräsid­entschaft doch noch auf den Abschluss des Investitio­nsschutzab­kommens einigten. Jake Sullivan, Bidens künftiger nationaler Sicherheit­sberater, forderte die Eurauszuha­lten. ropäer auf, die Unterzeich­nung des Abkommens zu unterbrech­en – um mit der neuen Regierung darüber zu diskutiere­n. Er wurde ignoriert.

Sigmar Gabriel, Vorsitzend­er der Atlantikbr­ücke und bis 2018 Außenminis­ter, sieht in der Frage nach dem Verhältnis zu China auch die „größte Herausford­erung des transatlan­tischen Verhältnis­ses“. Der Streit um die Nato-Beiträge sei „ein Fliegensch­iss dagegen“, sagte er unserer Redaktion. Gabriel hält es dennoch für richtig, dass die EU sich mit China auf das Investitio­nsschutzab­kommen geeinigt hat. „Es ist unser Interesse, unsere Investitio­nen zu schützen.“Das täten die Amerikaner schließlic­h auch. „Das heißt ja nicht, dass wir nicht eine gemeinsame China-Strategie entwickeln können.“

Eine Mehrheit der Bundesbürg­er würde sogar noch weiter gehen und politisch gar auf völlige Neutralitä­t pochen. Wie eine von der Welt am Sonntag in Auftrag gegebene Umfrage von Infratest ergab, sind 77 Prozent der Deutschen dafür, sich aus einem Konflikt zwischen den USA und der Volksrepub­lik China herauszuha­lten.

 ?? Foto: Susan Walsh, dpa ?? Steht nicht für einen Schmusekur­s gegenüber China: Joe Biden dürfte an den Grund‰ zügen der US‰Politik gegenüber Peking festhalten.
Foto: Susan Walsh, dpa Steht nicht für einen Schmusekur­s gegenüber China: Joe Biden dürfte an den Grund‰ zügen der US‰Politik gegenüber Peking festhalten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany