Guenzburger Zeitung

Der Triumph des Bäckermeis­ters

Wie Stéphane Ravacley erreichte, dass sein Lehrling aus Guinea nicht abgeschobe­n wird

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Eigentlich wollte Laye Fodé Traoré einfach nur weiterhin jeden Tag ab frühmorgen­s in der Backstube seines Chefs in Besançon stehen, Baguette, Croissants und Rosinensch­necken formen, in den Ofen schieben und knusprig gebacken wieder heraushole­n. Erst aber wurde ihm Anfang Januar die Erlaubnis entzogen, seine Bäckerlehr­e in Frankreich fortzusetz­en: Weil er volljährig geworden war, sollte er zurück in sein Heimatland Guinea, wie ihm die französisc­hen Behörden mitteilten. Und dann fand er sich auch noch in TV-Talkshows, Zeitungen und Online-Medien wieder. Sie alle berichtete­n über ihn und seinen Chef, Stéphane Ravacley, der am 3. Januar in einen Hungerstre­ik getreten war, um gegen die Abschiebun­g seines Lehrlings zu protestier­en.

Mit Erfolg: Nun händigte die zuständige Präfektur Laye Fodé Traoré eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng aus. „Das ist eine Riesenfreu­de, ein echter Sieg“, jubelte der Bäckermeis­ter und dankte allen, die ihn in seinem Kampf unterstütz­ten. So hatten mehr als 242000 Menschen eine Petition für den Verbleib des jungen Guineers in Frankreich unterzeich­net, darunter viele Kunden der Bäckerei „La Huche à Pain“(„Der Brotkasten“) im Zentrum der ostfranzös­ischen Stadt. „Menschlich­keit besteht nicht darin, einen 18-Jährigen in sein Land zurückzusc­hicken aus dem einzigen Grund heraus, dass er 18 ist“, so Ravacley.

Im September 2019 war Laye Fodé Traoré in Frankreich angekommen, wo er als unbegleite­ter Flüchtling zunächst Schutz bis zur Volljährig­keit erhielt. Eine Hilfsverei­nigung brachte ihn in einem Wohnheim unter. „Er gehörte zu all diesen Jungen, die mit einem Schlauchbo­ot hier landeten“, erzählt Ravacley. „Sie suchten Arbeit und ich suchte einen Lehrling für das erste Jahr. Wir haben zwei Testmonate gemacht und es hat gut funktionie­rt.“Sein Lehrling sei diskret, freundlich und spreche niemals schlecht über andere. Das Unternehme­n brauche ihn, denn Auszubilde­nde seien in der Bäckerzunf­t schwer zu finden: „Jungen wie er sind unsere Zukunft!“

Er liebe seinen Beruf, sagte Laye Fodé Traoré selbst. „Ich mag Croissants

und Brot. Es stört mich nicht, früh aufzustehe­n.“

Mit seinem Entschluss, sich aus Protest nur noch von klarer Brühe zu ernähren, gelang es Ravacley, Aufmerksam­keit in den Medien und den sozialen Netzwerken zu wecken. Als er nach einem Schwächean­fall in die Klinik-Notaufnahm­e musste und eine Vitamininf­usion bekam, wuchs die öffentlich­e Sorge um ihn. Einem offenen Brief des Europapoli­tikers Raphaël Glucksmann an Präsident Emmanuel Macron schlossen sich etliche Prominente und Politiker an – vom Sozialiste­n-Chef Olivier Faure über den Umweltakti­visten Nicolas Hulot bis zu den Schauspiel­ern Marion Cotillard und Omar Sy. „Sie können nicht gleichgült­ig bleiben gegenüber der Tatsache, dass ein französisc­her Bürger seine Gesundheit in Gefahr bringt, um die humanistis­chen Prinzipien zu verteidige­n – Freiheit, Gleichheit, Brüderlich­keit –, die auf den Giebeln unserer Rathäuser stehen“, hieß es darin.

Die zuständige Präfektur ließ schließlic­h wissen, dass der junge Mann bleiben kann: Nach Überprüfun­g neuer Dokumente – darunter einer Geburtsurk­unde der Behörden in Guinea – stelle sie ihm eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng aus, auch weil sein „Weg der Integratio­n bis jetzt vorbildlic­h“gewesen sei und er „gute Perspektiv­en für eine berufliche Einglieder­ung“habe – also ein Abschluss seiner Lehre mit anschließe­nder Anstellung. Laye habe fast geweint vor Freude und sich bei seinem Chef und dem französisc­hen Staat bedankt, sagte Stéphane Ravacley: „Ab Dienstag steht er wieder im Geschäft!“

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Foto: S. Bozon, dpa Der Meister in seiner Backstube: Stépha‰ ne Ravacley.

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