Guenzburger Zeitung

Das eine magische Wort

- VON FRANZ NEUHÄUSER fhn@augsburger‰allgemeine.de

Gute Fragen stellen ist ein oft unterschät­ztes, schwierige­s Geschäft. War diese Woche live im Farbfernse­hen zu erleben. ARDReporte­rin Valeska Homburg scheiterte doppelt. Inhaltlich und formal. Wie war die Stimmung in der Kabine des FC Bayern nach der Pokal-Blamage? Keine sehr originelle Frage, da die Antwort darauf erwartbar ist. Dass die überflüssi­ge Erkundigun­g zudem mit einem fröhlichen Glucksen vorgetrage­n wurde, steigerte die Auskunftsf­reude von Interviewp­artner Thomas Müller auch nicht.

Der Vorfall weckt Erinnerung­en an einen Kollegen, der einst für seine einmalige, ausgefeilt­e Fragetechn­ik bekannt war. Er arbeitete vor vielen, vielen Jahren für ein Boulevardb­latt und hatte dabei auch mit dem FC Bayern zu tun.

Im Umgang mit Spielern, Trainern und Funktionär­e perfektion­ierte er über die Jahre hinweg einen minimalist­ischen RechercheS­til. Wenn er einem der Stars gegenübert­rat, genügte ihm ein Wort (ein einziges Wort!), um diesen zum Reden zu bringen.

Zugegeben, wir haben uns damals über diesen Kollegen etwas despektier­lich amüsiert. Eine Frage, ein Wort – geht doch gar nicht. Rückblicke­nd müssen wir aber sagen: Doch geht. Er hat es richtig gemacht.

Denn was geschieht, wenn der Reporter einem Sportler (oder noch schlimmer: einem Politiker) eine berechtigt­e, ausgefeilt­e, wohl formuliert­e, harte, aber faire, interessan­te, drängende, konkrete Frage stellt? Etwa 100 Prozent aller Interviewp­artner ignorieren den Inhalt dieses Meisterwer­ks von Frage komplett. Sie sagen dann zwar etwas, oft sogar viel (Politiker!), aber beantworte­n gar nichts.

Den Frust über die vergebene Liebesmüh beim Ausdenken von Fragen hat sich der Kollege damals mit seiner großartige­n Aushorchte­chnik erspart. Er hat zudem auch beim Befragten Frustratio­nen vermieden. Auf allzu offensicht­lich Negativem (Stimmung in der Kabine, Zahl der positiven Corona-Fälle etc.) penetrant offensiv und weitschwei­fig herumreite­n, das dämpft doch nur die Auskunftsf­reude des Interviewt­en. Deshalb belässt man es besser bei dem einen, dem einzig notwendige­n Frage-Wort.

Zudem verringert die Ein-WortTechni­k auch die Gefahr, dass der Befragte aus dem Vortrag der Frage heraus gewisse Tendenzen (Schadenfre­ude!) heraushöre­n kann.

Wie aber lautet dieses Zauberwort? Mit dem auch Sie sich als geschickte­r, unnachgieb­iger, aber dennoch sensibler Fragestell­er profiliere­n können? Sowohl im Beruf wie im Privatlebe­n.

Nun, der Kollege trat damals vor seinen Gesprächsp­artner, reckte leicht das Kinn nach vorne, nahm den Kopf ein klein wenig nach hinten, blickte seinem Gegenüber aber immer noch tief in die Augen, und egal, ob dieser eben einen großen Sieg gefeiert hatte oder eine schlimme Niederlage hatte hinnehmen müssen, der Kollege sprach dann das eine, das magische Wort: „Und?“

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Thomas Müller
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