Bei Lingl verlieren wohl viele den Job
Bei der Krumbacher Traditionsfirma könnte es zu einer Reduzierung der Mitarbeiterzahl auf weniger als die Hälfte des derzeitigen Standes kommen
Krumbach Rund 400 Mitarbeiter sind bei Lingl in Krumbach derzeit beschäftigt. Wie viele werden nach dem Insolvenzverfahren bleiben? Die Befürchtungen in der Belegschaft waren zuletzt groß, dass die Zahl der Arbeitsplätze gar auf rund 160 reduziert werden könnte. „Es wird einen erheblichen Abbau geben, es wird in diese Richtung gehen“, bedauerte Günter Frey, 1. Bevollmächtigter der IG Metall für die Region, im Gespräch mit unserer Redaktion. Christian Plail, der federführend das Insolvenzverfahren betreut, sprach ebenfalls von erheblichen Einschnitten. Beide sprachen von der Möglichkeit, eine Transfergesellschaft für die vom Arbeitsplatzverlust Betroffenen einzurichten, um soziale Härten abzufedern.
Vor einigen Wochen hatten sich die Verhandlungspartner, Arbeitgeberseite und Insolvenzverwaltung (für die Kanzlei Schneider, Geiwitz & Partner betreut bekanntlich der Krumbacher Christian Plail das Insolvenzverfahren) sowie die Arbeitnehmerseite mit Gewerkschaft (IG Metall) und Betriebsrat darauf geeinigt, dass es bis zum Jahresende 2020 keine Kündigungen und Freistellungen bei Lingl geben wird. Doch damit war auch klar: Nach dem Jahreswechsel wird es bei den Gesprächen richtig „ernst“. Deutliche Reduktion der Mitarbeiterzahl, große Einkommenseinbußen: Die Angst in der Belegschaft sitzt tief, dass es bei Lingl so weit kommen könnte. Christian Plail, Betreuer des Insolvenzverfahrens, bestätigte jetzt, dass es einen massiven Abbau der Arbeitsplätze geben wird, eine konkrete Zahl könne er aber derzeit noch nicht nennen. Die Gespräche über die Zukunft von Lingl waren zu Beginn dieser Woche wieder aufgenommen worden. Möglicherweise wird es am kommenden Dienstag in einer weiteren Runde entscheidende, detaillierte Weichenstellungen geben.
Dabei stehen nach Informationen unserer Redaktion offenbar auch nach wie vor Überlegungen im Raum, ganze Abteilungen in der Produktion wie etwa Sägerei, Fräserei, Dreherei oder auch den Bereich Lasertechnik regelrecht aufzulösen und die Firma sehr stark auf den Bereich Konstruktion auszurichten. Plail sagte dazu, dass Lingl in einigen Bereichen restrukturiert werden müsse, im Rahmen des Insolvenzverfahrens würden alle Kostenstellen geprüft. Lingl habe eine große „Fertigungstiefe“, selbst kleinste Teile stelle die Firma für ihre Produkte selbst her. Hier sei zu prüfen, ob die Firma stärker als bisher auf Zulieferer setzen könne.
Die 1938 gegründete Firma Lingl rüstet unter anderem weltweit Ziegeleien aus. In Krumbach sind derzeit rund 400 Mitarbeiter beschäftigt. Dazu kommen circa 30 Niederlassungen im In- und Ausland (etwa 150 Mitarbeiter). 2008, als die Firma ihr 70-jähriges Bestehen feierte, waren bei Lingl und seinen Tochtergesellschaften im In- und Ausland rund 800 Mitarbeiter beschäftigt. Phasenweise über 600 Mitarbeiter waren es in Krumbach. 1938 hatte Firmengründer Hans Lingl mit einer kleinen Niederlassung in Weilheim (Oberbayern) begonnen.
Phasenweise über 600 Mitarbeiter in Krumbach
Wie es mit den Betriebsrenten weitergeht
Weitere Stationen des Unternehmens waren Neu-Ulm (1951) und Krumbach (1961). 2004 wurde die Verwaltung von Neu-Ulm nach Krumbach verlegt. Nach dem Jubiläum 2008 hatte Lingl wiederholt mit Schwierigkeiten zu kämpfen. 2013 musste die Firma in ein sogenanntes Schutzschirmverfahren, 172 Mitarbeiter verloren damals ihre Arbeitsplätze. Im Herbst 2020 stellte die Firma Insolvenzantrag. Wie es weitergeht, wird auch maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt, einen Investor zu finden.
Doch klar zeichnet sich jetzt ab, dass bei Lingl viele Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren. Plail sagte, dass man sich bemühe, für sie eine Auffanggesellschaft (Transfergesellschaft) zu bilden. Lingl würde dann in Abstimmung mit den Gläubigern für einen bestimmten Zeitraum eine gewisse Summe zur Absicherung der Betroffenen zur Verfügung stellen. Ziel einer solchen Gesellschaft wäre es auch, den Betroffenen die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zu erleichtern und, wie Plail erklärt, „soziale Härten zu mildern“. Dies ist, wie der 1. IG-Metallbevollmächtigte Frey betont, der IG Metall ein großes Anliegen. Es zeichne sich leider ab, dass ein erheblicher Abbau von Arbeitsplätzen nicht mehr abzuwenden sei. Doch die IG Metall bemühe sich weiter intensiv darum, dass möglichst viele Mitarbeiter bei Ling bleiben können. Denkbar sei ein neuer Tarifvertrag, eventuell mit einer leicht reduzierten Arbeitszeit. Dies würde eventuell Spielräume schaffen, dass weniger Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren. Intensive Gespräche werde es über die künftige Struktur der Firma geben. Lingl solle bei der Produktion nicht leichtfertig Kompetenzen aus dem Haus geben. Hier hätten Arbeitnehmerseite und Arbeitgeberseite/Insolvenzverwaltung aktuell unterschiedliche Auffassungen.
Nach dem Insolvenzantrag Anfang Oktober erhielten die LinglMitarbeiter bis Ende November Insolvenzgeld (100 Prozent des regulären Einkommens) von der Bundesagentur für Arbeit. Danach übernahm die Zahlung der Löhne wieder die Firma selbst. Im laufenden Insolvenzverfahren geht es maßgeblich auch um das Thema Betriebsrenten. Wie Christian Plail vor Kurzem erläuterte, muss Lingl als Sicherheit für die Betriebsrenten einen Betrag von rund 20 Millionen Euro bereitstellen. Dies belaste die Bilanz der Firma. Durch die Insolvenz würde die Sicherung der Betriebsrenten der Pensionssicherungsverein übernehmen. Der „Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG)“ist, so ist auf der Internetseite zu erfahren, die „Selbsthilfeeinrichtung der deutschen Wirtschaft zum gesetzlichen Schutz der betrieblichen Altersversorgung bei der Insolvenz des Arbeitgebers.“Arbeitgeber zahlen dort Beträge ein. Der Verein übernimmt dann wie etwa eine Versicherung in Insolvenzfällen die Pensionslasten. Lingl wäre damit, so Plail, in diesem Bereich dann „lastenfrei“. Plail betonte wiederholt, dass es neben dem Thema Betriebsrenten aber auch noch andere Gründe gebe, die zur Insolvenz von Lingl geführt hätten. Im Baustoffbereich ist die Entwicklung hin zu Beton für Lingl offenbar ungünstig, im Bereich Anlagenbau sinke das Auftragsvolumen. Lingl hatte bekanntlich in den letzten Jahren versucht, sich auf neuen Geschäftsfeldern (Maschinenbau für die holzverarbeitende Industrie, Trockner für Sanitärkeramik und Katalysatortechnik) zu etablieren. Im Jahr 2019 hatte die Firma nach eigenen Angaben etwa 72 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet.
Zwei zentrale Fragen werden bei den jetzt anstehenden Verhaltungen im Vordergrund stehen. Gelingt es noch, einen neuen Investor zu finden? Nach Auskunft des IG-MetallBevollmächtigten Frey gibt es durchaus einige Interessenten. Und wird es gelingen, für die vielen, die wohl ihren Arbeitsplatz verlieren werden, eine Transfergesellschaft auf den Weg zu bringen? Und wenn dies gelingt, welche Summe kann aus der Insolvenzmasse zur Verfügung gestellt werden und für welchen Zeitraum? Frey sagt, dass hier der Gläubigerausschuss (fünf Mitglieder, darunter wichtige Geldgeber der Firma und ein Vertreter der Arbeitnehmerseite) überzeugt werden muss.