Guenzburger Zeitung

Die Frage der Woche Dennoch Ausflüge unternehme­n?

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Natürlich ist es keine gute Idee, die Seitentäle­r des Allgäus zuzuparken. Das heißt im Umkehrschl­uss aber nicht, dass man immer zu Hause bleiben muss. Es spricht überhaupt gar nichts dagegen, auch während des Lockdowns sich ein Ausflugszi­el zu überlegen, das nicht von Massen angesteuer­t wird – und loszufahre­n. Die Zeiten sind verrückt genug, vielleicht ist es da ganz hilfreich, sich so viel Normalität wie möglich zu bewahren.

189, 125, 167. Das sind keine Sieben-Tage-Inzidenzwe­rte; so sehen die oft niederschm­etternden Schrittebi­lanzen im Homeoffice aus. Schreibtis­ch – Küche – Küche – Schreibtis­ch, Schreibtis­ch ... Herz, Seele und Geist finden da nicht viel Inspiratio­n und Abwechslun­g, noch dient das alles einer gewissen inneren Ausgeglich­enheit. Da ist es doch nur verständli­ch, dass es die Menschen in die Natur zieht. Museen, Theater und Freizeitei­nrichtunge­n sind schließlic­h seit Wochen geschlosse­n. Es ist nichts Verwerflic­hes daran, freie Zeit möglichst sinnvoll gestalten zu wollen – auch während einer Pandemie. Und warum sollten die Ziele zwingend vor der eigenen Haustür liegen? Im Wald um die Ecke trifft man mittlerwei­le mehr Bekannte, als in der Fußgängerz­one zu besten Schlussver­kaufszeite­n. Ist das dann besser?

Neulich einfach losgezogen. Langlaufsk­ier in den Kofferraum gepackt. Ins Voralpenla­nd gefahren. Einige Runden auf einer Dorfloipe im Sonnensche­in gedreht, Berge in der Ferne, Tee aus der Thermoskan­ne, ein paar anderen auf der Loipe zugelächel­t, keine einzige Corona-Regel gebrochen, aber einen schönen Tag im Herzen verbucht – am Abend dann sehr freundlich zur Familie gewesen. In einem Jahr der Nicht-Möglichkei­ten muss man sich solche kleinen Freuden gönnen dürfen.

Natürlich übt die Aussicht auf ein paar Sonnenstra­hlen auf Bewohner in den notorisch diesigen Gebieten um Donau und Lech einen unheimlich starken Reiz aus. Gerade eine Autostunde trennt uns vom Paradies am Alpenrand. Wir sind auch gar nicht festgelegt auf ein bestimmtes Ziel. Hauptsache, der Himmel ist blau und Sonne weckt die Lebensgeis­ter. Da muss man doch zum Rebell gegen Söder & Co. werden!

Keine wirklich gute Idee, denn ein paar hundert oder tausend Mitmensche­n kommen bei der entspreche­nden Wetterlage auf denselben Gedanken. Egal, wohin ich fahre: In sonnigen Gefilden werde ich nicht allein sein. Sondern im Pulk der Ausflügler. Wo aber viele Menschen sich wenig Raum teilen, stehen sie zwangsläuf­ig enger zusammen. Das Virus kichert sich einen angesichts der fetten Beute.

Ich bin kein ängstliche­r Mensch, aber ein vernünftig­es Wesen. Solange das Risiko einer Infektion in Bayern immer noch so hoch ist, werde ich tunlichst vermeiden, was eine Ansteckung wahrschein­lich macht. Schon im eigenen Interesse. Spazieren gehen darf ich zu Hause auch, vielleicht nicht im strahlende­n Sonnensche­in, aber doch in der frischen Luft und mit der nötigen Bewegung als Ausgleich für die Hockerei im Homeoffice.

Hand aufs Herz: Ist die Aussicht auf ewige Staus und nervige Parkplatzs­uche wirklich so prickelnd? Früher oder später wird auch die Blase drücken und Erleichter­ung verlangen. Aber die Toiletten sind ebenso versperrt wie das rettende Gasthaus. Bleibt nur der Gang in die Büsche. Und das tun alle. Überhaupt: Ist nicht das Schönste an einem Ausflug die gastliche Einkehr? Bewegung in der Natur macht durstig und hungrig. Doch der Lockdown ist eisern. Stehimbiss an der Autotür? Kann recht kühl werden, wenn die Sonne versinkt.

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Foto:dpa
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PRO DORIS WEGNER
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CONTRA ALOIS KNOLLER
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