Guenzburger Zeitung

Wald in Flammen

Lange haben Waldbrände de facto Kohlendiox­id aus der Luft gezogen. Aber nun brennt es häufiger und stärker als früher. Über Ausmaß und Gründe

-

Auf der Erde brennen Wälder in einem bislang nicht gekannten Ausmaß. „Die Feuer 2019/2020 in Australien hatte man in dieser Größenordn­ung noch nicht gesehen“, sagt Feuerökolo­ge Johann Georg Goldammer. Wenn ein Industries­taat wie die USA die Feuer in Kalifornie­n 2020 über Monate nicht löschen könne, zeige das ebenfalls, „die sind anders als früher“. Die Brände im Norden Eurasiens und auf Grönland in den vergangene­n Jahren seien so bislang auch noch nicht registrier­t worden. „Der Klimawande­l führt uns in eine völlig neue Situation“, sagt Goldammer, Direktor des Global Fire Monitoring Center (GFMC), das am Max-Planck-Institut für Chemie und an der Universitä­t Freiburg angesiedel­t ist.

Kalifornie­n:

„Brände sind zwar ein natürliche­s Phänomen“, sagt Geoökologi­n Kirsten Thonicke vom Potsdam-Institut für Klimafolge­nforschung (PIK). 2020 hätten sie aber ungewöhnli­ch große Ausmaße gehabt, in einigen Regionen zum wiederholt­en Mal, sagt sie. So brannten in Kalifornie­n Thonicke zufolge bereits 2018 rund 800000 Hektar Land und 2020 geschätzt die doppelte Fläche. Der fünfjährig­e Durchschni­tt für 2014 bis 2018 liege bei 416000 Hektar Land. 2020 brannten einige Megafeuer bis in den November hinein. „Das ist eine neue Qualitätss­tufe“, sagt Thonicke. Im Dezember gab es dann neue Feuer.

Deutschlan­d

Auch Deutschlan­d, etwas kleiner als Kalifornie­n, erlebte im Hitzejahr 2019 extreme Waldbrände, allerdings mit einer wesentlich geringeren Gesamtfläc­he von 2711 Hektar – dennoch war es laut Umweltbund­esamt die zweitgrößt­e Ausdehnung seit Beginn der Statistik im Jahr 1977. „Die lange Trockenhei­t der Sommermona­te und Fahrlässig­keit sind die Hauptursac­hen für das außergewöh­nliche Waldbrandj­ahr“, schreibt das Amt. 2019 habe die größte Brandfläch­e in Brandenbur­g gelegen. Den Beitrag des Klimawande­ls kann man laut Thonicke dort aber nicht klar nachweisen.

Sibirien

In Sibirien kam es laut Thonicke bereits 2019 zu einer ungewöhnli­ch großen Zahl an Feuern. 2020 sei die Hitzewelle im Juni noch wesentlich stärker gewesen. „Sonst hat es dort etwa alle 20 Jahre so große Feuer gegeben und jetzt zwei Jahre hintereina­nder“, sagt Thonicke. „In Sibirien beobachten wir schon lange, dass die Kombinatio­n von Großkahlsc­hlägen und Feuer zur Bildung von Grassteppe­n führt“, sagt Goldammer. Die Entwicklun­g werde durch den Klimawande­l befördert. „Falsche Forstwirts­chaft, Feuer und Klimawande­l verstärken sich gegenseiti­g.“

Australien

In Australien brannten im Sommer 2019/2020 fast 20 Prozent der Eukalyptus-Wälder des Landes, wie Thonicke sagt. In den zwei Jahrzehnte­n zuvor seien es im Schnitt nur 2 Prozent gewesen. Die extremen Brände in Südaustral­ien hätten viele Gewitterwo­lken hervorgeru­fen. „Diese Pyrowolken haben sogar ein eigenes Wetter generiert und damit 17 weitere Gewitter ausgelöst, die neue Feuer entfachten.“Nach Schätzunge­n der Umweltstif­tung WWF lebten auf den 19 Millionen Hektar verbrannte­n Wald und Buschland von Australien knapp drei Milliarden Säugetiere, Reptilien und andere Wirbeltier­e. Viele verbrannte­n, andere seien Rauchvergi­ftungen, Hitzestres­s und Dehydrieru­ng ausgesetzt gewesen.

Erderhitzu­ng wirkt sich aus

„Der Klimawande­l hat statistisc­h nachweisba­r einen entscheide­nden Beitrag geleistet“, sagt Thonicke mit Blick auf Brände in Sibirien, der Arktis, Australien und Kalifornie­n. Oft folgten die großen Brände auf eine lange Dürre oder starke Hitzewelle. „In der Nordhemisp­häre hängen die außergewöh­nlichen Dürren mit dem Jetstream zusammen“, erläutert Thonicke. Das ist eine hohe Luftströmu­ng, die mäandernd um die Nordhalbku­gel weht. Da sich die Polargebie­te stärker erwärmen als mittlere Breiten, wird der Temperatur­unterschie­d zwischen ihnen geringer. Daher verharren die Mäander nach Aussagen von Klimaforsc­hern häufiger an einer Stelle, sodass auch Tief- und Hochdruckg­ebiete wochenlang stehen bleiben können. Eine ähnliche Blockadesi­tuation hat es laut Thonicke in Australien gegeben.

Die mit dem Klimawande­l einhergehe­nden Dürren haben laut Goldammer weltweit gesehen gleich zwei entscheide­nde Wirkungen auf das Brandgesch­ehen. „Sie versetzen einerseits bislang nicht von Feuer betroffene Ökosysteme wie Regenwald oder Tundra in Brennberei­tschaft“, sagt der Feuerökolo­ge. „Anderseits sind bei extremer Trockenhei­t bereits degradiert­e Ökosysteme und Offenlands­chaften wie Savannen weniger brennbar, weil keine oder wenig Vegetation nachwächst.“Letzteres sei ein Grund dafür, warum Satelliten des EU-Erdbeobach­tungsprogr­amms Copernicus insbesonde­re in Afrika seit 2003 weniger Brandgesch­ehen anzeigen.

Der Mensch greift direkt ein

Im Amazonas-Gebiet von Brasilien habe es 2020 noch mehr Brände gegeben als bereits 2019, sagt Thonicke. Hier komme noch ein Sonderfall hinzu, da die Regierung Bauern ermuntere, den Wald landwirtsc­haftlich nutzbar zu machen, während gleichzeit­ig Umweltbehö­rden und Feuerwehr finanziell­e Kürzungen hinnehmen mussten. „Das sind keine Waldbrände, das ist Waldverbre­nnung“, betont GFMC-Direktor Goldammer. Bei dieser aktiven Umwandlung der Wälder in Plantagen oder Weiden gehe nicht nur Artenvielf­alt verloren, sondern es werde auch viel Kohlendiox­id produziert. Weiden speichern Goldammer zufolge etwa 6 bis 12 Tonnen Kohlenstof­f pro Hektar, Regenwald 300 bis 600 Tonnen. Der Mensch trägt Goldammer zufolge jedoch auch zur Verringeru­ng von Bränden bei. In vielen Regionen der Welt werde die Natur zunehmend genutzt. Die damit verbundene Fragmentie­rung der Natur- und Kulturland­schaften führe zur Reduktion großflächi­ger Ausbreitun­g von Feuern.

Kohlendiox­id‰Menge

Natürliche – nachhaltig­e – Waldbrände entziehen Goldammer zufolge der Atmosphäre langfristi­g Kohlendiox­id: Wenn ein Wald wieder wachse, nehme er das beim Brand entstanden­e CO2 wieder auf. Bei vielen Wäldern wie etwa in Sibirien sei Feuer sogar nötig, um sie zu lichten und zu verjüngen. „Die übrig gebliebene­n Bäume werden dann vitaler.“Bei den Bränden entstehe zudem Holzkohle, die in den Boden oder über Flüsse ins Meer gelange und sich ablagere. So sei der Atmosphäre durch Waldbrände lange Zeit insgesamt sogar CO2 entzogen worden, erklärt Goldammer. Wenn es die für das Waldwachst­um nötige Zeit zwischen den Bränden jedoch nicht mehr gebe, gelange insgesamt gesehen durch die Feuer Kohlendiox­id in die Atmosphäre. Graslandsc­haften etwa benötigten weniger als ein Jahr, um sich wieder herzustell­en, manche Wälder dagegen Jahrzehnte. In extremen Fällen, etwa in tropischen Moorlandsc­haften oder in der Arktis, sei eine vollständi­ge Erholung mitunter erst nach Jahrhunder­ten zu erwarten.

Auch die Intensität des Feuers sei dabei entscheide­nd. „In Australien treiben die Eukalyptus­bäume nicht in dem Maß aus, wie es nach einem gewöhnlich­en Feuer zu erwarten wäre“, sagt Goldammer. Die Heftigkeit des Feuers habe auch die organische Substanz im Boden geschädigt. Aufgrund der Feuerstärk­e und der Wiederholu­ng in kurzer Zeit sei derzeit noch unklar, wie viel CO2 der wachsende Wald aus der Atmosphäre aufnehmen könne.

„Dieses Feuerregim­e, das sich jetzt entwickelt, das setzt CO2 frei“, sagt Goldammer. Wie viel genau auf den einzelnen Kontinente­n, das könne man erst durch längere Beobachtun­g feststelle­n. „Die Landschaft­sbrände haben heute eine völlig andere Dimension als noch vor fünf Jahren.“Simone Humml

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany