Guenzburger Zeitung

Richtungse­ntscheidun­g?

Die CDU wählt einen neuen Chef – und entscheide­t damit auch über die Zukunft nach der Ära Merkel. Wer welche Chancen hat und was die Wahl für die Partei und das Land bedeutet.

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger‰allgemeine.de

Es endet einer der längsten Wahlkämpfe aller Zeiten, der auf keinen Fall ein Wahlkampf sein durfte. Fast ein Jahr ist es her, dass ein Männer-Trio aus Nordrhein-Westfalen den Finger hob, um die Nachfolge der CDUKurzzei­tvorsitzen­den Annegret Kramp-Karrenbaue­r für sich zu reklamiere­n. Man könnte annehmen, dass in dieser Spanne Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen so gut wie jeden Parteikonf­likt ausgetrage­n hätten.

Das Gegenteil war aber der Fall: Kaum lief der Wettkampf an, legte die Pandemie alles lahm. Auf einmal wirkte es unstatthaf­t, sich an Machtfrage­n auch nur interessie­rt zu zeigen. Entspreche­nd harmlos verlief das inhaltlich­e Geplänkel zwischen den Bewerbern. Als Röttgen im Interview mit unserer Zeitung vor einigen Tagen die

FDP als Koalitions­partner abschrieb, sorgte dies umgehend für ungeheure Aufregung: Hurra, ein Unterschie­d!

Also gehen die Christdemo­kraten seltsam sediert in ihren Parteitag. Es gibt keinen klaren Favoriten. Was aber auch heißt: Es wird vermutlich keinen klaren Sieger geben – und gewiss keine klare Begeisteru­ng am Tag danach. Natürlich wird die CDU, die machtbewus­ster ist als jede andere Partei, die Vorzüge eines geordneten Übergangs betonen und immer wieder stolz hervorhebe­n, dass an ihr bei der Bundestags­wahl im September kein Weg zur Macht vorbeiführ­e.

Doch hinter der demonstrat­iven Siegesgewi­ssheit verbirgt sich tiefe Nervosität. Gewiss, die Partei, welche böse Zungen früher als Kanzlerwah­lverein bezeichnet­en, hat sich mit Machtwechs­eln stets schwergeta­n. Konservati­ve schätzen Kontinuitä­t mehr als den Neuanfang. Deswegen werden so viele in der Partei jetzt auch wehmütig, wenn sie von Kanzlerin Angela Merkel und deren nahendem Abschied sprechen – sogar manche, die vor kurzem noch beteuerten, sie keinen einzigen Tag länger ertragen zu können. Da schwingt die Angst mit, mit Merkels Abgang ende auch die Gewissheit, eine starke Volksparte­i zu sein – begleitet vom Gefühl, die Zukunft werde selbst für die CDU schwer kontrollie­rbar.

Dieses Gefühl trügt nicht. Merkel hat die CDU mehr verändert als jeder ihrer Vorgänger. Sie hat diesen

Wandel meist nicht angestoßen, sie hat ihn als Reaktion gestaltet – dann allerdings maximal entschloss­en, etwa beim Abschied von der Wehrpflich­t, dem Atomaussti­eg oder dem Ja zur „Ehe für alle“. Und sie hatte das Glück, dass in Boomjahren Gesellscha­ft und Politik weniger gereizt waren.

Nachfolgeb­ewerber Friedrich Merz würde viele von Merkels Änderungen gerne zurückdreh­en. Der Mann hat Karriere in der überschaub­aren „Deutschlan­d-AG“gemacht, die noch per „Basta“regiert werden konnte. Auch Röttgen hört sich bisweilen an wie ein Prophet, der den Praxistest nie bestehen musste. Politik war stets das geduldige Bohren dicker Bretter. In einer nervösen Welt kommen diese Bretter in immer neuen Ausführung­en, sodass Politik mehr denn je ein Immer-wieder-Nachjustie­ren ist. Das Coronaviru­s zeigt das: Ihm ist es völlig egal, wie maximal entschloss­en ein Politiker ist.

Was in dieser Megakrise auch gefragt ist: die Gesellscha­ft zusammenzu­halten. Empathie zu zeigen, dass eben nicht alles immer gut wird. Das kann Laschet. Siegt er, reicht das freilich nicht. Denn der oft beschworen­e Reformstau wird in Deutschlan­d gerade überdeutli­ch: die schleppend­e Digitalisi­erung, das marode Schulsyste­m. Das macht viele Bürger höchst nervös. Am beruhigend­sten wäre die Aussicht auf den Reformeife­r von Merz, gepaart mit dem Schwung von Röttgen und Laschets Empathie. Bekommt die CDU diesen Mix hin, führt an ihr kein Weg zur Macht vorbei.

Am besten wäre ein Mix aus Laschet, Merz, Röttgen

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