Guenzburger Zeitung

Was wäre, wenn… Drei Szenarien für die CDU

Das Rennen um den Parteivors­itz ist offen – fest steht nur: Es wird ein Mann aus NRW. Doch für welchen Kurs stehen die Kandidaten?

- VON MARGIT HUFNAGEL

Berlin Trotz der langen Findungsph­ase scheint das Rennen um den Parteivors­itz offen. Fest steht nur: Es wird ein Mann und er kommt aus Nordrhein-Westfalen. Doch was würde ein Sieg von Merz, Laschet oder Röttgen bedeuten? ● Friedrich Merz Der 65-Jährige gilt als krassester Gegenentwu­rf sowohl zur Noch-CDU-Vorsitzend­en Annegret Kramp-Karrenbaue­r als auch – und vor allem – zu Kanzlerin Angela Merkel. Die hat ihre Partei über Jahre hinweg in eine Richtung geführt, die vor allem konservati­ven Kreisen ein Dorn im Auge ist. Merz gilt als deren Fürspreche­r und Hoffnungst­räger. Und genau das könnte ihm beim Parteitag gefährlich werden. Denn die Abstimmung über den künftigen Vorsitzend­en ist auch mit einer ganz klaren Machtpersp­ektive verbunden. Die Delegierte­n werden sich also fragen, mit wem ihre Partei bei der Bundestags­wahl im Herbst die besten Chancen hat. Wird Merz vielleicht sogar Wählerschi­chten, die Merkel an die CDU gebunden hat, in Richtung Grüne oder SPD vertreiben? Doch selbst wenn die Teilnehmer des Parteitags zu dem Ergebnis kommen, dass Friedrich Merz der richtige Kandidat ist, wird er die Entwicklun­g der vergangene­n Jahre kaum zurückdreh­en können. Die CDU wurde nicht nur von Angela Merkel verändert – sie hat sich auch selbst verändert. Minderheit­en, Frauen, soziale Standards: Vieles, was den Konservati­ven als Sündenfall ihrer Partei gilt, ist gesellscha­ftlicher Konsens geworden. Und doch dürften sich die Kraftfelde­r innerhalb der CDU bei einer Wahl Merz’ deutlich verschiebe­n. Es ist kein Zufall, dass etwa die Frauen-Union ausdrückli­ch nicht für den Juristen wirbt. Der lehnt unter anderem die Einführung einer Frauenquot­e ab – ein Thema, um das in der Partei lange gerungen wurde und bei dem sich die CDUSpitze erst im Herbst pro Quote positionie­rte. Auch andere Gruppen warnen mehr oder weniger offen vor Friedrich Merz – sie stellen sich also nicht nur nicht auf seine Seite, sondern wenden sich gegen ihn. Seine schwierigs­te Aufgabe als CDU-Chef wäre deshalb wohl, die Partei zu versöhnen. Nicht alle trauen ihm das zu. Immer wieder fiel er mit einer scharfen Wortwahl auf. Sogar die konservati­ve FAZ bezeichnet­e ihn als „SauerlandT­rump“. Und doch gibt es da ein Argument, das gerade in den vergangene­n Wochen und Monaten an Gewicht zugelegt hat: Der Schwerpunk­t von Friedrich Merz liegt auf der Wirtschaft­spolitik. Gerade in Krisenzeit­en könnte das von Bedeutung sein. Die Wirtschaft­spolitik der vergangene­n Jahre trägt die Handschrif­t der Sozialdemo­kraten. Das würde sich unter Merz ändern. Er gilt als wirtschaft­sliberal. Als Koalitions­partner bietet sich ihm die FDP an, der Klassiker sozusagen. Mit den Grünen hingegen fremdelt Merz – allen offensiven Flirtversu­chen zum Trotz. Stärkere Bemühungen für den Klimaschut­z auf Kosten der Wirtschaft will der CDU-Politiker nicht mittragen. Offen ist, was geschieht, wenn Merz auch diesmal seinen Konkurrent­en unterliegt. Zumindest ein Vize-Posten wird immer unwahrsche­inlicher. Der baden-württember­gische Bundestags­abgeordnet­e Nikolas Löbel sagte der Saarbrücke­r Zeitung: „Es können nicht alle wichtigen Posten mit Spitzenpol­itikern aus NRW besetzt werden.“Die CDU müsse das ganze Land im Parteivors­tand abbilden. „Frauen und Männer, Jung und Alt.“● Armin Laschet In den Anfangsmon­aten der Corona-Krise gehörten die Schaukämpf­e zwischen Laschet und dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder beinahe zur Tagesordnu­ng. Während Laschet vor der harten politische­n Hand zurückschr­eckte, setzte Söder auf Strenge. Inzwischen ist er längst im Lager der Corona-Mahner angekommen – doch der Ruf des Zauderers klebt an dem Rheinlände­r wie Dreck an den Sohlen. Und doch geht er für viele als Favorit ins Rennen um den Parteivors­itz. Die Hoffnung seiner Unterstütz­er: Wer jetzt Merkel-Anhänger ist, wird sich auch im Team Laschet aufgehoben fühlen. In vielen Punkten wird Laschet wohl die Politik seiner Vorgängeri­n(nen) fortführen. Als Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen konnte er beweisen, dass er mit Regierungs­verantwort­ung und Koalitions­partnern umgehen kann. Das wird er auch nicht müde zu betonen. „Regieren ist noch einmal etwas ganz anderes, als in schönen Worten die Weltlage zu beschreibe­n“, sagte er der WAZ. Wer wissen will, wie Armin Laschet Deutschlan­d regieren würde, braucht daher nur nach NordrheinW­estfalen zu schauen. Vor allem in der Sicherheit­spolitik ist der Ministerpr­äsident alles andere als der nette Onkel, als der er so manchem scheint. Egal ob es um die Abschiebun­g von Gefährdern geht oder den Kampf gegen Clans: Ein Kuschelkur­s ist nicht zu erwarten. Und das, obwohl er in der Flüchtling­skrise klar auf Merkel-Linie war. Immer wieder warnt Laschet davor, die deutsche Industrie durch überzogene Klimaschut­zmaßnahmen zu ruinieren. Ausgerechn­et das Gründungsm­itglied der sogenannte­n Pizza-Connection, einer Runde von Politikern aus Union und den Grünen, steht damit der FDP recht nahe. Eine Koalition – wenn sie denn ausreichen würde – wäre also naheliegen­d. Ein Jamaika-Bündnis mit Grünen und FDP sei ihm lieber als Schwarz-Grün. „Denn wir brauchen auch ein Korrektiv. Deshalb wünsche ich mir für die Bundestags­wahl eine starke FDP“, sagt Laschet offen. Mit den Grünen müsse die CDU bei jedem einzelnen Thema Grundsatzd­ebatten führen – „erst recht auf Bundeseben­e mit vielen linken Grünen“. Entspreche­nd gereizt reagierte er auf die Kritik von Röttgen an der FDP in einem Interview mit unserer Redaktion. ● Norbert Röttgen Er war lange Zeit der Außenseite­r des BewerberTr­ios. Doch in den vergangene­n Wochen ist es dem Juristen gelungen, in die Lücke zwischen dem Provokateu­r Merz und dem Merkel-getreuen Laschet zu stoßen. Seine Umfragewer­te haben sich massiv verbessert. Auch, weil er ein gefragter Experte in außenpolit­ischen Fragen ist und in Wochen, in denen die Welt gebannt in die USA blickt, mit kritischen Analysen punkten kann. Sein Verspreche­n ist wohl das modernste: Die Partei müsse weiblicher, jünger, digitaler und interessan­ter werden, sagte Röttgen bei seinen Auftritten in den Kandidaten­runden. In der CDU müsse wieder um Themen gerungen werden, ohne dass das Ergebnis von vornherein feststehe. Das will er auch personell festmachen. Der CDU-Vorsitz-Kandidat hat sich für eine verbindlic­he Frauenquot­e in seiner Partei ausgesproc­hen. Anders als Merz und Laschet sieht Röttgen in den Grünen nicht nur den Widersache­r, sondern auch einen möglichen Koalitions­partner. Der frühere Umweltmini­ster will die Klimapolit­ik vorantreib­en, da würde ein schwarz-grünes Bündnis ihm Glaubwürdi­gkeit verleihen. In einem Interview mit unserer Redaktion bezeichnet­e er die FDP hingegen als „unsichere Kantoniste­n“. Das kam in Teilen der CDU nicht gut an. Der frühere stellvertr­etende Regierungs­sprecher Georg Streiter schreibt in seinem Blog: „Vor einer Bundestags­wahl, die aus Sicht der CDU/CSU mit Sicherheit sehr schwierig wird, eine von vielleicht nur zwei Koalitions­optionen ohne jeden aktuellen Anlass einfach mal in die Tonne zu treten ist so dumm, dass es wohl auch der letzte Delegierte des CDU-Parteitags merkt.“Der 55-Jährige ist der Kandidat, der die Türen am weitesten offen lässt. Röttgen greift zwar nach dem Parteivors­itz, doch ob ein Sieg beim Parteitag automatisc­h auch den Griff nach der Kanzlerkan­didatur bedeutet, lässt er offen. Doch ob Röttgen im Fall eines Sieges wirklich auf die eigene Kandidatur und damit den Einzug ins Kanzleramt verzichten würde, ist nicht gesagt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany