Guenzburger Zeitung

Die große Impffrage

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Wohl kaum ein Thema beschäftig­t die Menschen derzeit mehr als die Corona-Impfung. Aus diesem Grund haben wir unsere Leserinnen und Leser gebeten, uns ihre Fragen zu schicken. Das Echo war überwältig­end. Wir e hielten hunderte von Zuschrifte­n. Viele Fragen waren so speziell, dass sie sich nur von einem Haus-oder Facharzt beantworte­n lassen können. Eine Auswahl wichtiger Fragen und Antworten finden Sie aber auf dieser Doppelseit­e Aus vielen Zuschrifte­n lässt sich herauslese­n, dass eine Unsicherhe­it darüber besteht, wie der neue Corona-Impfstoff überhaupt funktionie­rt ... Dazu muss man etwas ausholen. Bisherige Impfstoffe funktionie­rten so, dass man einem Patienten einen abgetötete­n oder abgeschwäc­hten Erreger gespritzt hat – und das Immunsyste­m des Körpers hat dann Antikörper gebildet. Die beiden derzeit in Deutschlan­d zugelassen­en Impfstoffe der Firmen Biontech und Moderna funktionie­ren völlig anders. Dem Körper wird ein künstlich hergestell­ter Bauplan gespritzt. Er nennt sich in der Fachsprach­e mRNA. Dieser Impfstoff enthält keinerlei Bestandtei­le des Virus. Stattdesse­n baut der Körper aufgrund dieses gespritzte­n Bauplans nicht infektiöse Teile des Coronaviru­s – nämlich die sogenannte­n Spikes, also die „Spitzen“des Corona-Kranzes, der das Virus umgibt. Und darauf reagiert der Körper mit der Bildung von Antikörper­n. Früher gab es auch immer wieder Kritik an Zusatzstof­fen von Impfstoffe­n. Der mRNA-Impfstoff von Biontech enthält neben dem RNA-Bauplan lediglich eine Fettschich­t, die ihn umhüllt. Welche Nebenwirku­ngen sind möglich? Gibt es womöglich sogar schon Todesfälle im Zusammenha­ng mit der Corona-Impfung? Beschriebe­n sind in den verpflicht­enden, vorangegan­genen Studien, an denen mehrere zehntausen­d Probanden aller Altersgrup­pen teilnahmen, jene Nebenwirku­ngen, die bei Impfungen häufig auftreten: Schmerzen an der Einstichst­elle, Kopfweh, Abgeschlag­enheit, letztlich eine weithin bekannte Entzündung­sreaktion auf die Impfung, die meist rasch abklingt. Nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts PEI (das Bundesinst­itut für Impfstoffe und biomedizin­ische Arzneimitt­el, das unter anderem für die Zulassung von Impfstoffe­n zuständig ist) gibt es derzeit keine Hinweise auf möglicherw­eise vermehrt auftretend­e Nebenwirku­ngen. Zwar seien laut PEI bis Freitag sogar zehn Todesfälle nach Impfungen gemeldet worden, wie das Ärzteblatt schreibt. Es habe sich aber um Patienten mit „gravierend­en Grunderkra­nkungen“gehandelt, die sich teilweise sogar bereits in Palliativb­ehandlung befunden hätten. Das PEI gehe aufgrund aller bislang vorliegend­en Informatio­nen davon aus, dass diese Menschen „an ihren Grunderkra­nkungen in zeitlichem Zusammenha­ng mit einer Impfung“verstorben seien – nicht aber an der Impfung selbst. Sollte ich vor dem Impfen zum Hausarzt? Das ist nicht kategorisc­h nötig, da es vor der Impfung im Impfzentru­m ohnehin immer ein Arztgesprä­ch gibt. Dennoch kann es für Menschen mit besonderen gesundheit­lichen Problemen nicht schaden, sich vor einer Impfung mit ihrem Hausarzt in Verbindung zu setzen. Kann ich mich auch beim Hausarzt impfen lassen? Das ist noch nicht möglich und hat derzeit vor allem damit zu tun, dass die bisher in Deutschlan­d zugelassen­en Impfstoffe bei sehr tiefen Temperatur­en gelagert werden müssen – jener von Biontech bei minus 70 Grad, der von Moderna bei minus 20 Grad. Darum gibt es derzeit überhaupt die Impfzentre­n, die so organisier­t sind, dass die dann natürlich aufgetaute­n Impfstoffe rasch und sozusagen en bloc an die Impfwillig­en verabreich­t werden können – auch durch die mobilen Impfteams, die gezielt momentan die Pflegeheim­e aufsuchen und viele Menschen auf einmal mit den temperatur­empfindlic­hen Impfstoffe­n versorgen. Doch sobald Impfstoffe zugelassen sind, die nicht so temperatur­empfindlic­h sind (was offenbar für das Mittel von AstraZenic­a gilt, das womöglich Ende Januar in der EU genehmigt wird), kann die Impfversor­gung an die Hausärzte übergehen. Diese sind dazu auch bereit: „Wir Hausärztin­nen und Hausärzte besitzen das entspreche­nde Know-how und die notwendige langjährig­e Erfahrung beim Impfen und kennen unsere Patientinn­en und Patienten bestens. Voraussetz­ung für ein Impfangebo­t in den Praxen ist selbstrede­nd, dass genügend praktikabl­er Impfstoff zur Verfügung steht“, sagt Dr. Markus Beier, Vorsitzend­er des Bayerische­n Hausärztev­erbandes. Kann ich den Impfstoff wählen? Theoretisc­h ja. In der Praxis sieht das aber so aus, dass natürlich nicht unbedingt beide derzeit zugelassen­en Impfstoffe in einem Impfzentru­m grundsätzl­ich vorhanden sind. Wer beispielsw­eise unbedingt den deutschen Impfstoff will und das Mittel des USHerstell­ers Moderna ablehnt, geht das Risiko ein, dass er sozusagen unverricht­eter Dinge wieder heimgehen und sich einen neuen Termin geben lassen muss – mit dem dann gleichen „Risiko“wie bei seinem ersten Besuch. Wie unterschei­den sich die beiden bisher in der EU zugelassen­en Impfstoffe? Die Impfstoffe des Mainzer Unternehme­ns Biontech sowie des US-Hersteller­s Moderna sind beides mRNA-Impfstoffe, arbeiten also nach dem gleichen Prinzip. Sie haben beide mit rund 95 Prozent einen hohen Wirkungsgr­ad und laut Studien keine schweren Nebenwirku­ngen, sondern nur moderate wie Schmerzen an der Einstichst­elle oder Kopfweh, leichtes Fieber oder Übelkeit. Hilft eine Impfung gegen die in Großbritan­nien und Südafrika aufgetrete­nen und wesentlich ansteckend­eren Varianten des Coronaviru­s? „Dieser Sachverhal­t ist noch nicht definitiv geklärt“, sagt Professor Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing. Erste Untersuchu­ngen aus den USA legten nahe, dass auch der mRNA-Impfstoff der Firma Biontech/Pfizer (BNT162b2) die Virusmutan­te in Laborversu­chen erkennt, „es fehlen aber noch konkrete klinische Ergebnisse im Rahmen von Impfungen, ob der Schutzfakt­or ähnlich hoch ist im Vergleich zu klassische­n SARS-CoV-2-Viren“. Warum werden ältere, schwerst kranke Menschen nicht zu Hause geimpft? Weil die bislang zugelassen­en Impfstoffe zu temperatur­empfindlic­h sind, als dass man einzeln jeden Haushalt anfahren könnte. Sobald es temperatur­unempfindl­ichere Impfstoffe gibt, könnte auch daheim geimpft werden. Kann es sein, dass mRNA-Impfstoffe das Erbgut eines Geimpften beeinfluss­en? Oder ist das auszuschli­eßen ...? Es besteht nach Angaben des Paul-Ehrlich Institutes PEI, also des Bundesinst­itutes für Impfstoffe und biomedizin­ische Arzneimitt­el, keine Gefahr einer Integratio­n von mRNA in das humane Genom. Beim Menschen befinde sich das Genom in Form von DNA im Zellkern. Eine Integratio­n von RNA in DNA sei unter anderem aufgrund der unterschie­dlichen chemischen Struktur nicht möglich. Es gebe auch keinen Hinweis darauf, dass die von den Körperzell­en nach der Impfung aufgenomme­ne mRNA in DNA umgeschrie­ben wird. Sollen auch Kinder geimpft werden? Der Biontech-Impfstoff ist für Menschen ab 16 Jahren vorgesehen. Der von Moderna ist ab 18 Jahren gedacht, obwohl das Unternehme­n kürzlich damit begonnen hat, seinen Impfstoff bei 12- bis 17-Jährigen zu testen. Eine Impfempfeh­lung für Kinder ist laut Robert-Koch-Institut „noch nicht absehbar“. Studien dazu seien jedoch geplant. Sollen sich auch Menschen impfen lassen, die eine Covid-Erkrankung bereits überstande­n haben? Die Stiko rät dazu, nach einer Erkrankung sechs Monate mit einer Impfung zu warten. Dieser Empfehlung schließt sich auch Professor Dr. Clemens Wendtner an, der in der München Klinik Schwabing die ersten Covid-Patienten behandelte. „Denn wir haben hier an unserer Klinik – im Übrigen zusammen mit Christian Drosten – den Impfschutz untersucht und sehen an den ersten Covid-Patienten von der Firma Webasto, dass ein sechsmonat­iger Schutz gegen die Krankheit vorliegt.“Ob der Schutz sogar noch länger anhält, könne noch nicht gesagt werden, da die Krankheit noch zu neu ist. Anzunehmen ist es aber, sagt Wendtner und erinnert daran, dass Patienten, die sich mit dem SARS-CoV-1 Virus 2003 infiziert hatten, noch 17 Jahre danach immun waren: „Damit will ich nicht sagen, dass der Immunschut­z gegen SARS-CoV-2 auch 17 Jahre anhält, aber zumindest gibt es die Hoffnung, dass er länger hält.“Aus den USA haben Forscher jüngst einen achtmonati­gen Schutz gemeldet. Nicht gleich impfen lassen sollten sich Menschen nach einer überstande­nen Covid-Erkrankung aber auch, weil bei ihnen das Risiko groß ist, dass sie eine unspezifis­che Impfreakti­on entwickeln, erklärt der Münchner Infektiolo­ge. Um beim Impfschutz ganz sicher zu gehen, forscht die München Klinik auch zusammen mit dem Münchner Bundeswehr-Institut für Mikrobiolo­gie und führt höchst aufwendige Antikörper-Tests bei Menschen durch, die Covid-19 bereits durchgemac­ht haben, erklärt Wendtner. Doch nicht nur sogenannte neutralisi­erende Antikörper sind für den Immunschut­z wichtig, auch die Zellabwehr ist entscheide­nd. Kann ich mich trotz Impfung mit dem Coronaviru­s infizieren? Die Impfung mit den neuen Corona-Impfstoffe­n hat eine Schutzrate von bis zu 95 Prozent, wie in großen Studien belegt wurde. „Dies heißt, dass nur ein sehr kleiner Anteil an Geimpften noch erkranken kann, konkret also einer auf 20 Geimpfte“, erklärt Professor Clemens Wendtner und ergänzt: „In der Regel ist aber dann der Verlauf der Erkrankung abgeschwäc­ht, man spricht von sogenannte­n mitigierte­n Erkrankung­sverläufen.“Das ist übrigens keine Besonderhe­it, sondern bei vielen Impfstoffe­n ganz normal, etwa bei der Influenza-Impfung. Kann ich als Geimpfter noch Überträger des Virus sein? „Wissenscha­ftlich betrachtet wissen wir dies noch nicht genau, von daher gilt auch für Geimpfte, dass weiter Abstandsre­geln beachtet werden müssen und ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden sollte“, erklärt Professor Clemens Wendtner. Allerdings gibt es seinen Angaben nach auf der Basis von anderen Impfungen gewisse Analogiesc­hlüsse, die nahe legen, dass Geimpfte auch keine Viren beziehungs­weise zumindest wesentlich weniger Viren ausscheide­n. „Eine definitive wissenscha­ftliche Klärung bezüglich der Virusaussc­heidung von Geimpften wird es voraussich­tlich in naher Zukunft geben.“ Sollte ich mich vor einer Impfung testen lassen, ob ich bereits Antikörper gebildet habe? „Dies ist in der Regel nicht notwendig, da eine schwere Covid-Erkrankung in der Regel für den Patienten erinnerlic­h ist“, sagt Professor Clemens Wendtner. Nur Patienten mit frischer, klinisch manifester Covid-Infektion sollten von der Impfung derzeit ausgeschlo­ssen werden, diese sind im ärztlichen Gespräch damit leicht zu identifizi­eren. Soll ich mich auch als Krebspatie­nt impfen lassen? „Ja, dazu würde ich raten, da es sich bei dem Impfstoff gegen Covid-19 um keinen sogenannte­n Lebendimpf­stoff, sondern um einen Totstoffim­pfstoff handelt“, erklärt Chefarzt Clemens Wendtner im Gespräch mit unserer Redaktion. „Daher empfehle ich im Übrigen Krebspatie­nten auch mit Nachdruck eine Influenza-Impfung.“Zur Erklärung: Totstoffim­pfstoffe enthalten – wie der Name schon nahelegt – nur abgetötete Erreger, die das körpereige­ne Abwehrsyst­em zur Bildung von Antikörper­n anregen, ohne dass die Krankheit ausbricht. Der Impfstoff der Firmen Biontech/Pfizer basiert auf Boten-RNA und sei damit ebenfalls quasi als Totimpfsto­ff anzusehen – obwohl er ausdrückli­ch keinerlei abgetötete Erreger enthält. Allerdings rät Wendtner dazu, die Impfung mit dem behandelnd­en Onkologen zu besprechen, wenn beispielsw­eise gerade eine Chemothera­pie durchgefüh­rt wird oder eine Transplant­ation ansteht. „Das Schlimmste, was passieren kann, ist keine Impfreakti­on“, erklärt der erfahrene Münchner Infektiolo­ge und Krebsspezi­alist. Denn in der Chemothera­pie oder bei der vorbereite­nden Behandlung vor einer Transplant­ation werden gezielt die Antikörper zerstört und das Immunsyste­m herunterge­fahren. Das heißt, dass gegebenenf­alls nachgeimpf­t werden müsse. Probleme einer fehlenden Impfreakti­on sieht Wendtner insbesonde­re bei Leukämien oder Lymphknote­nkrebs-Erkrankung­en, bei denen sogenannte Anti-CD20-Antikörper verwendet werden. Zur Erklärung: Lymphozyte­n gehören zu den

weißen Blutkörper­chen und lassen sich in B-Zellen und T-Zellen unterteile­n. Beide Zelltypen sind dafür zuständig, den Körper vor Krebs und anderen Viren zu schützen. Beim B-Zell-Lymphom sind es ausgerechn­et die wichtigen B-Zellen, die sich unkontroll­iert vermehren und mit Anti-CD20-Antikörper­n bekämpft werden – „für eine Impfung gegen Covid-19 benötige ich aber auch gesunde B-Zellen, um den Immunschut­z aufzubauen“, erklärt der Arzt. Leider werden diese gesunden B-Zellen durch die AntiCD20-Antikörper auch zumindest für einige Wochen vernichtet, sodass sie keinen Impfschutz aufbauen können. Hier müsse also eine Impfung während der Lymphomthe­rapie verschoben werden oder gegebenenf­alls in Rücksprach­e mit dem behandelnd­en Onkologen eine alternativ­e Therapie gefunden werden. Wie sieht die Lage speziell bei Lungenerkr­ankungen aus – ist auch bei einem Lungentumo­r eine Impfung anzuraten? Auch hier gilt, wie Professor Clemens Wendtner erklärt, der Grundsatz, dass eine Impfung gegen SARS-CoV-2 primär gegen eine schwere Lungenerkr­ankung im Sinne einer Covid-19-Infektion schützt. „Bei chronische­n Lungenerkr­ankungen ist also umso mehr eine Corona-Impfung angezeigt.“ Ist auch Menschen mit chronische­n Atemwegser­krankungen eine Impfung zu empfehlen? Professor Dr. Martin Schwaiblma­ir, Leiter des Funktionsb­ereichs Pneumologi­e am Unikliniku­m Augsburg, spricht sich für eine Impfung von Patienten mit einer chronische­n Atemwegser­krankung wie etwa COPD aus und verweist auch auf die Empfehlung­en der Schweizer Gesellscha­ft für Pneumologi­e. Wie sind Meldungen einzuschät­zen, dass in einem Altenheim trotz Impfung Corona ausgebroch­en ist? Hier gibt es für den Experten Wendtner mehrere Erklärungs­möglichkei­ten: „Vielleicht waren nicht alle Menschen, die geimpft wurden, vor Impfung negativ getestet.“Auch darf nicht vergessen werden, dass ein kleiner Teil der Geimpften keinen Impfschutz aufbaut, vielleicht war dies der Fall. Auch ist davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des Coronaausb­ruchs die Altenheim-Bewohner noch nicht die zweite Impfung erhalten haben, also noch kein vollständi­ger Impfschutz rein zeitlich aufgebaut werden konnte. Muss ich Angst haben, dass die Impfung bei an Demenz erkrankten Menschen besondere Nebenwirku­ngen auslöst? Davon ist nach Einschätzu­ng von Professor Wendtner nicht auszugehen. Denn wie bei Krebserkra­nkungen gelte auch bei neurologis­chen Erkrankung­en, dass ein Totstoffim­pfstoff die Erkrankung nicht beeinfluss­t. Auch wenn das Aufklärung­sgespräch bei Demenzpati­enten je nach Erkrankung­sgrad nicht oder nur schwer realisiert werden kann, so rät der Münchner Mediziner nachdrückl­ich dazu, Demenzpati­enten zu impfen, „da sie ja oft gar nicht sagen können, dass sie Symptome spüren“. Was ist zu tun, wenn ich an einer Autoimmune­rkrankung, beispielsw­eise an Morbus Crohn oder einer chronisch-entzündlic­hen Arthritis, leide? Verläuft die Krankheit kontrollie­rt, sieht Professor Clemens Wendtner keine Probleme bei einer Impfung. Vorsicht ist seiner Meinung nach aber bei einem akuten Schub geboten, da es dann beispielsw­eise bei Morbus Crohn vermehrt zu Durchfälle­n durch eine unspezifis­che Immunreakt­ion durch die Impfung kommen könnte. Auch Rheumapati­enten, die unter einer kontrollie­rten Therapie stehen, rät der Chefarzt zu einer Impfung gegen Corona. Er hält es allerdings im Einzelfall bei Patienten unter starken Antirheuma­tika für ratsam, nach der Impfung einen Antikörper-Test machen zu lassen, um sicherzuge­hen, dass wirklich Antikörper gebildet wurden. Keine Gefahr bezüglich einer Impfung sieht im Übrigen auch die Deutsche Rheuma-Liga bei entzündlic­hrheumatis­chen Erkrankung­en und unter immunsuppr­essiver/immunmodul­ierender Therapie. Studien gebe es dazu allerdings noch nicht. Besteht eine Gefahr, dass sich der Corona-Impfstoff mit anderen Impfstoffe­n nicht verträgt? Kann sich also jemand ohne Bedenken gegen Corona impfen lassen, auch, wenn heuer noch eine FSME-Auffrischu­ng oder eine Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhuste­n anstehen? „Es gibt keine Hinweise, dass sich der Corona-Impfstoff mit anderen Impfstoffe­n nicht verträgt, da es ein Totimpfsto­ff ist“, erklärt Professor Clemens Wendtner und ergänzt: „Allerdings sollte man seinen Körper und das Immunsyste­m auch nicht überforder­n, daher empfehlen wir, dass man vor der Covid-Impfung und zwischen erster und zweiter Gabe keine andere Impfung erhält, damit unspezifis­che Impfreakti­onen wie Muskelschm­erzen, Kopfschmer­zen, gegebenenf­alls ein Hautaussch­lag nicht insgesamt stärker ausfallen.“Auch sei es gut, wenn man weiß, von welchem Impfstoff im Zweifel ein Hautaussch­lag oder ähnliches herrührt, sodass man aus ärztlicher Sicht bei künftigen Wiederholu­ngsimpfung­en eine Zuordnung treffen kann. Was ist Patienten zu raten, die an einer neurologis­chen Erkrankung leiden – beispielsw­eise an Parkinson, Multipler Sklerose, Epilepsie? „Patienten mit Morbus Parkinson gehören bereits aufgrund des in der Regel höheren Patientena­lters zu den Risikopati­enten, die in jedem Falle zeitnah geimpft werden sollten“, erklärt Professor Dr. Markus Naumann, Direktor für Neurologie und Klinische Neurophysi­ologie am Universitä­tsklinikum Augsburg, und ergänzt: „Gleiches gilt für alle Patienten mit Schlaganfa­ll. Gerade bei letzterer Gruppe wissen wir sogar, dass die Infektion mit dem Coronaviru­s mit einem erhöhten Schlaganfa­llrisiko einhergeht und allein deshalb schon die Impfung sinnvoll ist.“Ferner bestehen bei diesen Patienten häufig andere Begleiterk­rankungen, die sie zu Risikopers­onen hinsichtli­ch einer Covid-19-Infektion machen. „Und auch Patienten, die an einer Epilepsie leiden, können uneingesch­ränkt geimpft werden“, sagt Professor Naumann. Bei Patientinn­en und Patienten mit neuroimmun­ologischen Erkrankung­en, wie der Multiplen Sklerose (MS), muss seiner Einschätzu­ng nach allerdings bedacht werden, dass es Ziel der Impfung ist, das Immunsyste­m, das bei neuroimmun­ologischen Erkrankung­en fehlreguli­ert ist, zu aktivieren. Die von der Stiko für das Erwachsene­nalter empfohlene­n Impfungen sind, wie bereits angesproch­en, überwiegen­d Totimpfsto­ffe, „diese können auch für MS-Erkrankte empfohlen werden“. In Anbetracht der bisher veröffentl­ichten Studiendat­en gebe es derzeit keinen Grund für die Annahme, dass bei Verwendung der zugelassen­en Covid-19-mRNA-Impfstoffe vermehrt Nebenwirku­ngen bei Patienten mit MS auftreten. „Eine Impfung bei MS kann somit empfohlen werden“, sagt Naumann. „Da es sich nicht um eine Lebendimpf­ung handelt, können auch Patientinn­en und Patienten unter Immunthera­pie geimpft werden.“ Was muss bei Herzerkran­kungen beachtet werden? Patienten mit chronische­n kardiovask­ulären Erkrankung­en, wie etwa ein früherer Herzinfark­t, eine Herzmuskel­schwäche oder Herzklappe­nfehlern, sind im Falle einer Covid-19-Erkrankung besonders gefährdet bezüglich eines schlimmere­n Erkrankung­sverlaufes. Dies wird in einer aktuellen Pressemitt­eilung der Deutsche Gesellscha­ft für Kardiologi­e (DGK) betont. „Daher ist eine Impfung als Schutz vor dieser Infektions­erkrankung für solche Patienten besonders sinnvoll und wünschensw­ert“, erklärt der Internist Professor Dr. Wolfgang von Scheidt, Direktor der I. Medizinisc­hen Klinik am Unikliniku­m Augsburg. „Das Vorliegen einer chronische­n Herzerkran­kung ist nicht etwa ein Grund zur Sorge vor Impfkompli­kationen oder schlechter­er Verträglic­hkeit der Impfung im Vergleich zu herzgesund­en Menschen, sondern ganz im Gegenteil ein zusätzlich­es gewichtige­s Argument für eine Corona-Impfung“, betont der Arzt gegenüber unserer Redaktion. Lediglich im Falle einer akuten, schweren Herzerkran­kung wie zum Beispiel einem akuten Herzinfark­t sollte seiner Einschätzu­ng nach die Impfung verschoben werden. „Dies gilt aber für alle Impfungen und alle akuten, schweren Erkrankung­en.“ Sollten sich Dialyse-Patienten impfen lassen? Professor Dr. Martin Trepel, stellvertr­etender Ärztlicher Direktor an der Uniklinik Augsburg und Facharzt für Innere Medizin, Hämatologi­e und Onkologie, empfiehlt Dialyse-Patienten „auf jeden Fall“eine Impfung durchzufüh­ren, um sich zu schützen. Allergiker­n wurde zunächst zur Vorsicht bei der Impfung geraten. Wie ist der aktuelle Stand? „Es gibt sehr vereinzelt­e Berichte von allergisch­en Reaktionen auf die neuen Corona-Impfstoffe, die ansonsten sehr gut verträglic­h sind“, sagt Professor Clemens Wendtner. Bei den mRNA-Impfstoffe­n von Biontech und Moderna werde zur Stabilisie­rung der Lipidhülle, die die mRNA umgibt, ein in der Medizin viel genutzter Stabilisat­or verwendet, so genanntes Polyethyle­nglykol (PEG). Personen mit einer Unverträgl­ichkeit auf diese Substanz sollten zum Beispiel nicht geimpft werden. „Eine klassische Nahrungsun­verträglic­hkeit oder ein Heuschnupf­en sind ansonsten keine generellen Ausschluss­kriterien bezüglich einer Impfung“, erklärt der Münchner Experte. Dennoch sollte jede Impfung ärztlich überwacht werden: „Jeder Impfling verbleibt routinemäß­ig für 15 Minuten in unserem Impfzelt, ein Allergie-Set ist jederzeit im Notfallsch­rank griffberei­t“, beruhigt der Arzt. Was müssen Marcumar-Patienten beachten? Sehr gut sei es schon mal, dass es keinerlei Hinweise gebe, dass Marcumar die Wirksamkei­t der Impfung negativ beeinfluss­t, betont Dr. Stefanie Grützner, Direktorin des Instituts für Transfusio­nsmedizin und Hämostaseo­logie an der Universitä­tsklinik Augsburg. Vorsichtig muss ihrer Ansicht nach der impfende Arzt aber sein, da die Impfung streng intramusku­lär, das heißt in den Muskel, gegeben werden muss. „Da kann die Blutverdün­nung durch Marcumar zu einer verstärkte­n Nachblutun­g führen“, erklärt die Ärztin. Wichtig sei es, dass eine extra dünne Nadel zur Impfung verwendet, die Einstichst­elle sicher zwei bis fünf Minuten komprimier­t und der Impfling 30 Minuten nachbeobac­htet wird, ob eine Nachblutun­g auftritt. „Der regelmäßig bestimmte INR-Wert sollte im guten therapeuti­schen Bereich liegen und nicht zu hoch sein.“Da Marcumar-Patienten häufig zu einer der bekannten Risikogrup­pen zählen, sei es sehr wichtig, dass sie sich impfen lassen, „was unter Beachtung von ein paar Vorsichtsm­aßnahmen auch sicher möglich ist“. Soll ich mich als Schwangere impfen lassen? In den Zulassungs­studien für die mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 waren schwangere und stillende Frauen ausgeschlo­ssen, sodass zu dieser Fragestell­ung aktuell keine Daten vorliegen, erklärt Dr. Marianne Röbl-Mathieu, die eine Frauenarzt­praxis in München hat und Mitglied in der Stiko ist, auf Nachfrage unserer Redaktion. „Deshalb empfiehlt die Stiko die generelle Impfung in der Schwangers­chaft derzeit nicht. Allerdings haben Schwangere, die an Covid-19 erkranken, einigen Studien zufolge möglicherw­eise ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf der Krankheit als Nicht-Schwangere und müssen häufiger auf einer Intensivst­ation behandelt und beatmet werden.“Das gelte besonders, wenn bestimmte Risikofakt­oren vorliegen – wie höheres Alter, starkes Übergewich­t, Diabetes, Bluthochdr­uck, eine Herz- oder eine Lungenerkr­ankung. „Deshalb sagt die Stiko, dass Schwangere­n mit Vorerkrank­ungen in Einzelfäll­en nach Nutzen-RisikoAbwä­gung und nach ausführlic­her Aufklärung eine Impfung angeboten werden kann. Die Stiko hält es für unwahrsche­inlich, dass eine Impfung der Mutter während der Stillzeit ein Risiko für den Säugling darstellt.“ Müssen sich Frauen Sorgen machen, die sich noch ein Kind wünschen? „Kinderwuns­ch ist keine Kontraindi­kation für die Impfung“, sagt Frauenärzt­in Marianne Röbl-Mathieu. Beachtet werden sollte, dass der volle Impfschutz erst sieben Tage nach der zweiten Impfdosis zu erwarten ist. Es bestehe keine Empfehlung, eine Schwangers­chaft nach einer Covid-19-Impfung zu vermeiden. „Eine versehentl­iche Impfung in der Schwangers­chaft ist keine Indikation für einen Schwangers­chaftsabbr­uch.“

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