Guenzburger Zeitung

Die Kandidaten­frage bleibt in der Schwebe

Unterm Strich ist es der CSU – relativ gesehen – ganz recht, wie die Wahl bei der CDU gelaufen ist. Söder kann sich erst einmal beruhigt zurücklehn­en. Dass er erst nach Ostern eine Entscheidu­ng will, hat einen tieferen Grund

- VON ULI BACHMEIER

München Die CDU hat sich für Armin Laschet entschiede­n, für die CSU ändert sich damit erst einmal gar nichts. Bei Norbert Röttgen oder Friedrich Merz wäre das anders gewesen. Zwar haben die Christsozi­alen in München vor der Vorsitzend­en-Wahl bei der Schwesterp­artei größtmögli­che Gelassenhe­it demonstrie­rt: „Egal, was kommt, wir können mit jedem.“Jedes andere Wahlergebn­is aber hätte die Ausgangsla­ge im Jahr der Bundestags­wahl erheblich verändert.

Mit Röttgen als CDU-Chef hätte CSU-Chef Markus Söder nicht nur einmal pro Woche, sondern vermutlich mehrfach pro Tag die Frage beantworte­n müssen, wie er es denn nun hält mit der Kanzlerkan­didatur. Mit Merz wäre diese Frage sehr wahrschein­lich endgültig erledigt gewesen. Niemand in der CSU glaubt, das Merz freiwillig verzichtet hätte, und kein Stratege in der CSU würde einen offenen Streit der Unionspart­eien über die Frage der

Kanzlerkan­didatur riskieren wollen. „Das geht nur einvernehm­lich, alles andere wäre politische­r Irrsinn“, heißt es quer durch die Führungsri­ege der Christsozi­alen.

Weitgehend Einigkeit besteht in der CSU zudem darin, dass für eine Kanzlerkan­didatur Söders mindestens drei Bedingunge­n erfüllt sein müssten. Erstens: Laschet und mit ihm möglichst alle maßgeblich­en Köpfe in der CDU in West und Ost müssten Söder die Kandidatur auf dem Silbertabl­ett anbieten. Zweitens: Er müsste überzeugt sein, dass er die Wahl im Herbst gewinnt. Drittens: Er müsste sich trauen.

Dass es ein Angebot aus der CDU geben könnte, gilt in der CSU nach der Wahl Laschets zwar als äußerst unwahrsche­inlich, aber eben auch nicht als völlig ausgeschlo­ssen. „Überlegen Sie doch mal“, sagt einer, der in der Partei schon Jahrzehnte vorne mit dabei ist, „wenn es in den kommenden Wochen oder Monaten dabei bleibt, dass Söder in den Umfragen mit weitem Abstand vor Laschet liegt, dann kann sich daraus innerhalb der Union eine Dynamik entwickeln, der Söder sich nicht mehr entziehen kann“. Dann würden alle Register gezogen – mit Zuckerbrot („Du bist unser bester Mann“) und mit Peitsche („Du kannst dich doch nicht vor der Verantwort­ung drücken“). Auf seinen Standardsa­tz „Mein Platz ist in Bayern“könnte sich der CSU-Vorsitzend­e dann jedenfalls nicht mehr zurückzieh­en. Er müsste Farbe bekennen und im Falle einer Absage das Risiko auf sich nehmen, an Renommee zu verlieren.

Einstweile­n freilich ist das reine Spekulatio­n, und für die CSU bleibt erst einmal alles beim Alten. Die Situation wird als „durchaus komfortabe­l“beschriebe­n. Zwar gibt es einige Besorgnis, ob es Laschet gelingen wird, die zerstritte­nen Lager in der CDU wieder einigermaß­en zusammenzu­führen. Davon hängt schließlic­h auch das Schicksal der CSU in der Bundespoli­tik ab. Mit sich selbst und ihrem Chef aber ist die Partei weitgehend im Reinen. Söders politische­r Einfluss in der Union sei umso größer, je länger die Frage der Kanzlerkan­didatur in der Schwebe bleibe. Solange stehe er weder im Feuer noch müsse er sich unterordne­n. Das ist neben grundsätzl­ichen wahlstrate­gischen Überlegung­en offensicht­lich auch der tiefere Grund für Söders zügig vorgetrage­ne Forderung, mit der Nominierun­g des Kanzlerkan­didaten der Union mindestens bis Ostern, lieber sogar noch länger zu warten.

Laschet war, wie berichtet, nicht der Wunschkand­idat der CSU für den CDU-Vorsitz. Keiner der drei Kandidaten war das. Dennoch ist Laschet, relativ gesehen, der CDUChef, der der CSU am wenigsten Sorgen bereitet. Mit Merz hätte sich im Parteienge­füge einiges verschoben. Traditione­ll gilt die CDU als der liberalere Teil der Union und die CSU als konservati­ves Korrektiv. Mit Merz hätte es einen Rechtsruck der CDU gegeben, und die CSU hätte ihr Profil neu justieren müssen. Diese Aufgabe bleibt den CSU-Parteistra­tegen nun erspart.

Hinzu kommt, dass Söder mit Laschet persönlich angeblich deutlich besser zurechtkom­mt. „Merz und Söder“, so scherzt ein alter Parteistra­tege, „wären doch zu ihren Treffen mit der Handgranat­e in der Tasche angereist. Da hätte es erst einmal gekracht.“Zumindest wäre „jede Menge Testostero­n im Raum“gewesen. „Mit Merz“, so die Überzeugun­g in der CSU, „hätten wir mehr Ärger gehabt“. Laschet dagegen gilt bei den Parteifreu­nden in Bayern als „der angenehmer­e Verhandlun­gspartner“.

Damit allerdings ist aus Sicht vieler CSU-Politiker zugleich die Kehrseite des CDU-Ergebnisse­s beschriebe­n. Die Zweifel an der Entschluss­kraft Laschets sind nicht ausgeräumt. Und dann bleibt da noch die größte Sorge: Wer künftig auf dem Feld der Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik für die Union steht, ist ohne Merz völlig offen.

„Zwischen Merz und Söder hätte es erst mal gekracht“

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Foto: Sven Hoppe, dpa Nach der Wahl von Laschet zum neuen CDU‰Chef stehen auch in der CSU wichtige Entscheidu­ngen an. Nicht sofort, aber im Frühjahr. Dann muss auch Markus Söder Farbe bekennen.

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