Guenzburger Zeitung

Bei Minusgrade­n aufs Radl

Biken bei Kälte ist gut für die Gesundheit und kann bei richtiger Ausrüstung sogar zum Vergnügen werden. Worauf es dabei ankommt

- VON NINA KAMMLEITER Dieser Beitrag ist in Kooperatio­n mit dem Masterstud­iengang Fachjour‰ nalismus der Hochschule Würzburg‰ Schweinfur­t entstanden. In 10 Fol‰ gen beschäftig­en sich Studenten mit den Themen „Grüne Geldanlage­n“und „Fit durch den Winter“.

Es ist eng, die Luft ist schlecht und die Heizungen laufen entweder auf Hochtouren oder funktionie­ren gar nicht. Und einen Sitzplatz bekommt sie sowieso nie. Lena kann Busfahren nicht leiden. Deshalb legt sie ihren Arbeitsweg seit dem Sommer mit ihrem neuen Fahrrad zurück. So ist sie nicht nur schneller am Ziel, sondern fühlt sich auch wacher und fitter, wenn sie ankommt. Doch heute Morgen ist es zum ersten Mal richtig kalt. Das Thermomete­r zeigt zwei Grad an. Es bläst ein kalter Wind, der Boden ist feucht. Lena zögert, stellt ihr Rad wieder in den Schuppen. Sie fährt heute Bus.

Solche oder ähnliche Geschichte­n kennt Felix Odebrecht von seinen Kunden. Trotzdem beobachtet der Besitzer des Radladens Velo-Station in Badenweile­r im Schwarzwal­d, dass immer mehr Menschen auch im Winter nicht mehr auf das Fahrrad verzichten möchten. „Vor allem Pendler, die sich ein gutes Fahrrad gekauft haben und dieses als Alternativ­e zum Auto nutzen, möchten auch im Winter Rad fahren“, erklärt er. Gerade durch die Corona-Pandemie könnte sich dieser Effekt noch verstärken, da die Deutschen krisenbedi­ngt mehr auf das Fahrrad als Mobilitäts­mittel zurückgrei­fen. Seit 2019 stieg der Bevölkerun­gsanteil, der täglich das Rad nutzt, in Deutschlan­d von 17 auf 22 Prozent, wie das Institut für Demoskopie Allensbach im Oktober mitteilte. Auch nach der Krise wollen 27 Prozent der Deutschen weiterhin öfter das Rad nutzen, so das Institut.

Klaus Möhlendick, DiplomSpor­twissensch­aftler bei der Krankenkas­se Barmer, sieht diese Entwicklun­g positiv, denn das Radfahren sei nicht nur eine klimafreun­dliche Alternativ­e zu anderen Verkehrsmi­tteln, sondern gerade im Winter gut für die Gesundheit. Denn durch regelmäßig­es Radfahren werde die Immunabweh­r gestärkt. „Wer durch Sport an der frischen Luft die Schleimhäu­te regelmäßig befeuchtet, ist weniger anfällig für Erkältunge­n“, so Möhlendick. Der Sportwisse­nschaftler ist selbst passionier­ter Radfahrer. Neben den körperlich­en Aspekten schätzt er vor allem das Gefühl von Freiheit in der Natur und das Erholungsg­efühl nach einer Radtour, was sich auch positiv auf das geistige Wohlbefind­en auswirken könne.

Dass Menschen wie beispielsw­eise Lena im Winter trotz guter Vorsätze vor dem Radfahren zurückschr­ecken, liegt meist an den Temperatur­en. Doch Felix Odebrecht weiß, was man beachten muss, um sich auch im Winter auf dem Rad sicher und wohl zu fühlen.

Bevor er seinen Radladen eröffnete, fuhr der 36-Jährige ProfiRadre­nnen. Für ihn sind Trainingse­inheiten bei schlechten Wetterbedi­ngungen nichts Neues. Die richtige Kleidung sei das Entscheide­nde. „Wichtig ist nicht, dass man sich besonders dick anzieht, sondern dass man das Richtige anzieht. Eine dicke Winterjack­e ist meist zu warm und schränkt die Bewegungsf­reiheit ein“, erklärt Odebrecht. „Spezielle Outdoorbek­leidung ist besser geeignet, sie absorbiert Schweiß und schützt vor Regen und Wind. Auch eine Mütze unter dem Helm hilft, warm zu bleiben.“Bei Bedarf könne man kalten Füßen mit Überschuhe­n vorbeugen. Unverzicht­bar seien jedoch Handschuhe, denn mit kalten Händen habe man weniger Gefühl für die Bremse.

Neben der richtigen Kleidung sind häufig auch glatte oder verschmutz­te Straßen und Radwege eine Herausford­erung. „Vorausscha­uendes Fahren ist im Winter besonders wichtig“, sagt Odebrecht. „Denn durch Glätte und Feuchtigke­it verlängert sich der Bremsweg.“Während der Asphalt auf einem sonnigen Abschnitt der Strecke trocken sein mag, kann hinter einer Kurve im Schatten Feuchtigke­it oder Glatteis lauern. Um frühzeitig bremsen zu können, sei es daher wichtig, immer den Untergrund im Blick zu behalten. „Die Unfallgefa­hr erhöht sich auch dann, wenn Radwege im Winter nicht ausreichen­d von Schnee geräumt und gestreut werden“, erklärt Klaus Möhlendick. In solchen Fällen dürfen Radfahrer auf die Straße ausweichen. „Kommunen sind dazu verpflicht­et, wichtige Radwege zu räumen und zu streuen. Wird dies nicht erfüllt, entfällt für Radfahrer die Nutzungspf­licht trotz entspreche­nder Beschilder­ung.“

Auch das Fahrrad sollte gut für den Winter gerüstet sein. Gerade in der dunklen Jahreszeit sind Lichter und Reflektore­n unerlässli­ch. Schutzblec­he helfen, die Kleidung vor Schmutz zu schützen. „Auch die Kette und die Bremsen sollte man im Winter regelmäßig überprüfen, da sie durch Feuchtigke­it und Schmutz strapazier­t werden“, erklärt Felix Odebrecht. „Ein gut gewartetes Fahrrad gibt Sicherheit.“

Mit der richtigen Ausrüstung und einer angepasste­n Fahrweise steht dem Radfahren im Winter also nichts im Weg. „Viele glauben es nicht, aber Radfahren macht auch bei kalten Temperatur­en Spaß“, sagt Odebrecht lachend. Er muss es wissen, er fährt schließlic­h mehrmals pro Woche Rad.

 ?? Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa ?? Radeln im Winter stärkt das Immunsyste­m. Aber auf ein paar Dinge sollte achten, wer sich bei Kälte auf den Drahtesel schwingt. Dazu gehört auch ein verkehrssi­cheres Rad.
Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Radeln im Winter stärkt das Immunsyste­m. Aber auf ein paar Dinge sollte achten, wer sich bei Kälte auf den Drahtesel schwingt. Dazu gehört auch ein verkehrssi­cheres Rad.

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