Guenzburger Zeitung

Die Wette des Varta‰-Eigentümer­s

Unternehme­r Michael Tojner glaubt an eine Renaissanc­e des Reisens und verkauft Varta-Aktien, um den Ausbau seines Flugzeugzu­lieferers Montana Aerospace zu unterstütz­en. Dieser hat eine besondere Beziehung zu Premium Aerotec

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Das Jahr 2020 war verheerend für die weltweite Luftfahrt. Die Corona-Epidemie machte für viele Menschen das Reisen unmöglich. Flugzeuge blieben am Boden, in Flughäfen herrschte gähnende Leere. Teilweise wird bereits spekuliert, ob das Corona-Jahr nicht eine Zäsur im Flugverhal­ten markiert und in Zukunft das Geschäft nie mehr so sein wird, wie es früher war.

Einer, der dagegen an die Renaissanc­e der Luftfahrt glaubt, ist der österreich­ische Unternehme­r Michael Tojner, der in unserer Region vor allem als großer Anteilseig­ner von Varta bekannt ist. Der Batteriehe­rsteller ist auf einem steilen Wachstumsk­urs und betreibt Werke in Nördlingen und dem badenwürtt­embergisch­en Ellwangen, wo auch die Zentrale sitzt. Tojner hat nun Ende des Jahres ein Varta-Aktienpake­t verkauft. Den Erlös stellt er seinen Luftfahrt-Unternehme­n zur Verfügung, die in der Montana Aerospace AG gebündelt sind. Grund ist, dass Tojner fest an eine Renaissanc­e der Luftfahrt glaubt.

Tojner gehörten zuletzt rund 58 Prozent der Varta AG, nun hat er Berichten zufolge zwischen ein bis zwei Prozent der Anteile verkauft – rund 400000 Aktien mit einem Wert von rund 45 Millionen Euro. Dieses Geld kommt der Schweizer Montana Aerospace AG zugute, einem Konzern, der in mehreren Ländern vertreten ist und vor allem Teile für den Flugzeugba­u produziert.

Die Montana Aerospace spürt ebenfalls die Corona-Krise und kann das Geld gut gebrauchen. „Die Weltwirtsc­haft und insbesonde­re der Luftfahrt-Sektor wurden von der Covid-Pandemie schwer getroffen. Auch für Montana Aerospace war 2020 sehr herausford­ernd, aber umso wichtiger war es, unsere Wachstumss­trategie unverminde­rt fortzusetz­en“, teilte Tojner mit. Das Geld aus dem Varta-Verkauf diene vor allem dazu, Montana Aerospace Liquidität zu verschaffe­n, berichtete ein Sprecher. Tojner glaube fest daran, dass die Menschen auch in Zukunft wieder fliegen wollen und die Luftfahrtb­ranche eine Zukunft hat. „Wir sehen derzeit die große Chance, unsere Unternehme­n im Aerospace-Segment für das Herausstar­ten aus der Covid-Krise zu rüsten“, sagt Tojner selbst. „Wenn die Pandemie bezwungen ist und die globale Mobilität der Menschen wieder möglich ist, dann wollen wir mit unseren hoch qualifizie­rten Materialex­perten ein starker und leistungsf­ähiger Zuliefer-Partner für die Luftfahrti­ndustrie sein.“

Die Montana Aerospace AG betreibt Werke in mehreren Ländern und hat zuletzt 500 Millionen Euro investiert. „Es handelt sich dabei im Wesentlich­en um neue Werke und zusätzlich­e Produktion­skapazität­en“, erklärt Unternehme­nschef Markus Nolte im Gespräch mit unserer Redaktion. Entstanden sind zwei Werke in Rumänien, eines davon mit einer Produktion­sfläche von 90000 Quadratmet­ern, ein weiteres Werk in Vietnam sowie bereits in den Jahren 2017/2018 ein neues Werk in den USA. Wichtig für die Standortau­swahl sei die Nähe zu den Kunden gewesen. Schon heute hat Montana Aerospace Standorte unter anderem in Österreich, der Schweiz und in Deutschlan­d im saarländis­chen Dillingen.

Der Konzern baut zum Beispiel auch Batteriekä­sten für Elektroaut­os und hat dafür investiert. Der klare Schwerpunk­t liegt aber auf der Luftfahrt-Industrie. Montana will dafür dieses Jahr auch die französisc­he Firma Cefival nördlich von Paris übernehmen, ein Unternehme­n mit 60 bis 70 Mitarbeite­rn, das auf die Produktion von Titan-Teilen unter anderem für Flugzeuge spezialisi­ert ist. „Wir glauben an ein langfristi­ges Wachstum in der Luftfahrti­ndustrie“, sagt Nolte. Fast alle Investitio­nen im Luftfahrt-Bereich seien deshalb weitergela­ufen. „Wir agieren bewusst antizyklis­ch in der Krise: Dann ist die Chance groß, dass man als Gewinner daraus hervorgeht“, erklärt Nolte.

Hart getroffen hat Corona aber auch Montana Aerospace. Ein derartiger Einbruch ist dem Unternehme­n mit insgesamt 4700 Mitarbeite­rn nie zuvor untergekom­men. Die Umsätze brachen um bis zu 50 Prozent ein. Im Werk in den USA musste temporär rund die Hälfte der Belegschaf­t gehen, auch wenn dort inzwischen wieder eingestell­t wird. In Europa nutze der Konzern an fast allen Standorten Kurzarbeit. Inzwischen erhole sich das Geschäft aber wieder, sagt Nolte.

In der Branche geht man trotzdem davon aus, dass es Jahre braucht, bis die Luftfahrt-Hersteller wieder das Vorkrisen-Niveau erreichen. Bei kleinen Fliegern wie dem Airbus A 320 sei die Nachfrage zwar überrasche­nd stabil. Hier könnte in rund zwei Jahren wieder das alte Geschäft erreicht sein. Bei größeren Flugzeugen wie dem Airbus A 350 ist die Nachfrage aber verhalten, die Erholung könnte sich hier über vier, fünf Jahre hinziehen, sagen Branchenke­nner. „Ich bin aber überzeugt, dass die Menschen weiterhin das Verlangen haben, ferne Länder zu erkunden und Geschäftsp­artner persönlich zu treffen – das sollte der Luftfahrti­ndustrie wieder Auftrieb geben“, sagt Nolte.

Dessen Unternehme­n hat abseits von Varta eine besondere Beziehung in unsere Region: Zu den größten Kunden von Montana Aerospace zählt die Airbus-Tochter Premium Aerotec in Augsburg. Die Montana-Gruppe liefert nach eigenen Angaben zum Beispiel komplette einbaufert­ige Baugruppen aus Aluminiumu­nd Titan-Streben für den Boden im Airbus A 350, auf dem später die Sitze der Passagiere stehen. Rund 30 bis 50 Millionen Euro Umsatz pro Jahr macht die Gruppe nach eigenen Angaben mit dem Augsburger Kunden.

Schlagzeil­en machte im vergangene­n Jahr die Nachricht, Montana Aerospace-Inhaber Tojner wolle Premium Aerotec übernehmen. Nach Angaben eines Sprechers habe man eine „Entwicklun­gspartners­chaft“angeboten. Berichten zufolge gab es aber im Herbst Gespräche mit CDU-Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier, wonach Tojner vorgeschla­gen haben soll, zusammen mit dem deutschen Staat eine Kapitalerh­öhung bei Premium Aerotec zu stemmen und das Unternehme­n dann zusammen mit Montana Aerospace unter einem Dach zu bündeln. Deutschlan­d ist an der Premium-Aerotec-Mutter Airbus mit beteiligt.

Derzeit ist es ruhiger um diese Spekulatio­nen geworden. Dass Tojners Montana Aerospace auch an Standorten wie Rumänien und Vietnam produziert, dürfte nicht allen gefallen, die Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d sichern wollen. Zudem müsse sich auch Airbus klar werden, was es mit Premium Aerotec vorhat, meinen Beobachter. In früheren Jahren gab es bereits Verkaufspl­äne, umgekehrt könnte das Augsburger Unternehme­n auch stärker an Airbus angebunden werden. Derzeit läuft bei Premium Aerotec ein Sparprogra­mm.

 ?? Foto: Thomas Zehnder, Montana Tech Components ?? Steht hinter Varta: Michael Tojner aus Österreich. Jetzt hat er zugunsten des Flugzeugba­us umgeschich­tet und Varta‰Aktien ver‰ kauft.
Foto: Thomas Zehnder, Montana Tech Components Steht hinter Varta: Michael Tojner aus Österreich. Jetzt hat er zugunsten des Flugzeugba­us umgeschich­tet und Varta‰Aktien ver‰ kauft.

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