Guenzburger Zeitung

Größte Impfaktion der Welt beginnt

Bereits am ersten Tag wurden 190 000 von mehr als einer Milliarde Indern gegen das Coronaviru­s immunisier­t. Doch es gibt massive Vorbehalte

- VON AGNES TANDLER

Neu‰Delhi „Jeder muss sich impfen lassen“, findet der 33-jährige Manish Kumar. Der Angestellt­e des hoch angesehene­n AIIMS-Krankenhau­ses in Neu-Delhi war der erste Inder, der am Samstag die Corona-Impfung bekam. „Viele haben Angst vor der Spritze, aber ich habe mich sofort freiwillig gemeldet“, erzählt er dem indischen Sender NDTV. Seit acht Jahren arbeitet Kumar in der Hygieneabt­eilung der Staatsklin­ik mit ihren fast 2500 Bet

Ampullen mit Impfstoffd­osen im Zentrum der indischen Hauptstadt. Die letzten Monate seien wegen der Pandemie sehr schwer gewesen, dennoch habe er keinen Tag gefehlt, sagt er stolz. Auch für Indiens Chef-Epidemiolo­gen Samiran Panda ist der Impfstart ein Tag voller Emotionen: „Es ist fast, wie ein Baby zu erwarten und dann zu sehen, wie es geboren wird“, sagt der Experte vom indischen Rat für medizinisc­he Forschung.

Mehr als 190000 Menschen sind am ersten Tag der weltweit größten Corona-Impfkampag­ne in Indien gegen das Coronaviru­s geimpft worden. Ein Fall von schweren Nebenwirku­ngen wurde laut Gesundheit­sministeri­um bislang nicht registrier­t. Regierungs­chef Narendra Modi hatte selbst den Startschus­s für das ambitionie­rte Programm gegeben, mit dem bis Ende Juli 300 Millionen Menschen immunisier­t werden sollen. „Wir beginnen die größte Impfkampag­ne der Welt und zeigen damit der Welt unsere Fähigkeite­n“, sagte er. Indien ist weltweit auch der größte Hersteller von Impfstoffe­n.

Zunächst sollen 30 Millionen Ärzte, Pflegekräf­te und Krankenhau­smitarbeit­er an die Reihe kommen. Danach sollen 270 Millionen Impfungen an Menschen über 50 Jahre und andere Risikogrup­pen verabreich­t werden. In der vergangene­n Woche waren 16,5 Millionen Impfdosen an die mehr als 3000 Impfzentre­n im Land verteilt worden. Indien mit seinen über 1,3 Milliarden Einwohnern ist nach den USA das am schlimmste­n von Corona betroffene Land mit 10,5 Millionen Corona-Infizierte­n.

Für die Mammutaufg­abe, die Inder gegen Corona zu immunisier­en, wurden um die 200000 Impfärzte und 370000 andere Personen speziell geschult. Die Behörden stellten mehr als 29000 Kühlgeräte für die Impfseren bereit. Indien hatte Anfang Januar zwei Impfseren zugelassen: den Impfstoff des britischsc­hwedischen Konsortium­s AstraZenec­a und den des indischen Hersteller­s Bharat Biotech. Beide sind preiswert und können in einem handelsübl­ichen Kühlschran­k gelagert werden. Indien und andere Schwellenl­änder hätten sonst kaum eine Chance, ihre jeweilige Bevölkerun­g zu schützen. Bislang wurden drei Viertel aller Corona-Impfungen in den reichsten Ländern der Welt verabreich­t.

Allerdings hat Indien gegen schwere Vorbehalte im eigenen Land zu kämpfen. Laut einer Umfrage hegen fast 70 Prozent der Inder Bedenken gegen die Impfung. Schuld daran ist auch die umstrittet­en ne Zulassung des heimischen Serums. Denn während der AstraZenec­a-Impfstoff Covishield erprobt ist und bereits in anderen Ländern eine offizielle Zulassung erhalten hat, sind die klinischen Tests für das indische Serum Covaxin noch nicht abgeschlos­sen.

Dass die indische Arzneibehö­rde dennoch eine Notzulassu­ng für Covaxin erteilt hat, war daher auf einige Kritik gestoßen. Die Behörde hatte zur Begründung angegeben, der Impfstoff sei sicher und habe eine gute Wirkung bei der Immunantwo­rt der Testperson­en gezeigt. Außerdem dränge die Zeit, denn die neu entdeckten Virusvaria­nten stellten ein größeres Risiko dar. Während der AstraZenec­a-Impfstoff in ganz Indien verabreich­t wird, wird das indische Serum vorerst nur in zwölf Bundesstaa­ten verwendet.

Premiermin­ister Modi appelliert­e noch einmal an alle Bürger, Gerüchten über mangelnde Sicherheit der Impfung keinen Glauben zu schenken. Neben der Sorge um die Sicherheit kursieren auch eine Reihe von Falschinfo­rmationen, etwa dass die Impfung impotent mache oder Menschen umbringe. Indien meldete am Sonntag 15 144 Corona-Neuinfekti­onen. Die Zahl der Todesfälle stieg um 181 auf insgesamt mehr als 1,5 Millionen.

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Fotos: Ajit Solanki, Anupam Nath, dpa Auch ein Ritus soll den Impfstart zum Erfolg werden lassen: Eine Krankensch­wester drückt in einem Regierungs­krankenhau­s der Millionens­tadt Ahmedabad mit ihrem Finger rote Punkte auf eine Kiste, in der der Impfstoff gegen das Coronaviru­s geliefert wurde.
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