Georg Riederle ist seit 70 Jahren bei den Schützen aktiv
1950 wurde der Schützenverein Oberrohr nach dem Krieg neu gegründet. Georg Riederle ging damals zum ersten Mal an den Stand – und hat den Verein über Jahrzehnte geprägt. Bis heute ist er dabei – wäre da nicht Corona
Oberrohr „Fußball ist unser Leben“, so lautete der Titel eines Liedes, mit dem sich die Fußball-Nationalmannschaft im Jahr 1974 auf die Weltmeisterschaft im eigenen Land einstimmte. In diese „Hymne“hätte ohne Weiteres auch Georg Riederle aus Oberrohr einstimmen können. Allerdings mit einer Änderung. Nicht Fußball, sondern Schießsport war und ist das Leben des heute 89 Jahre alten Telljüngers. Seit nunmehr sage und schreibe 70 Jahren ist er im Verein seiner Heimatgemeinde aktiv und hat dessen Entwicklung entscheidend mitgeprägt.
Es war im Oktober 1950, als in Oberrohr unter Duldung der amerikanischen Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg der ursprünglich 1907 gegründete Schützenverein erneut aus der Taufe gehoben wurde. Zum Eröffnungsschießen ein halbes Jahr später kamen 38 Teilnehmer, ihre Namen sind im Schießbuch dieses besonderen Tages festgehalten. Auch der damals 18 Jahre alte Georg Riederle zahlte die zwei Mark Beitrag und trat zum ersten Mal in seinem Leben an einen Schießstand. Dabei musste er schnell erkennen, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Geschossen wurden fünf mal fünf Schuss auf Fünfer-Scheiben. In den ersten drei Serien habe er gar nichts getroffen, erzählt Riederle mit einem Lächeln. Dann folgten Serien mit fünf und zehn Ringen. Eine bescheidene Ausbeute, wenn man bedenkt, dass es die „alten Hasen“auf insgesamt 40 und mehr Ringe brachten.
Doch das war für den Jungschützen kein Grund, die Flinte voreilig ins zu Korn zu werfen. Sondern eher ein Ansporn. Riederle zählte zwar trotz aller Bemühungen nie zur Schützenelite in seinem Verein und im Gau, er selbst bezeichnet sich als „mittelmäßigen Schützen“. Er sei jedoch immer bemüht gewesen, die beste persönliche Leistung zu bringen. Das brachte ihm immerhin fünf Königstitel in Oberrohr ein, letztmals im Jahr 2000 mit einem 5,5-Teiler. „An erster Stelle stand für mich aber sowohl früher wie auch heute das Dabeisein“, betont der 89-Jährige.
Und dabei, das war Georg Riederle mit vollem Herzen, nicht nur als Schütze, sondern auch als Funktionär. 18 Jahre, von 1976 bis 1994, leitete er den Verein als Erster Vorsitzender. Zwischendurch war er sogar Dreifach-Funktionär, denn von 1966 bis 1994 fungierte er auch als Schriftführer und in den 80er Jahren zusätzlich noch drei Jahre als Kassier. Als er dann 1994 bei den Neuwahlen nicht mehr kandidierte, aber seine Nachfolge bei Albert Brenner in guten Händen wusste, konnte Riederle auf eine erfolgreiche Amtszeit zurückblicken.
Nach dem Motto „Stillstand bedeutet Rückschritt“, war er in all den Jahren stets bemüht, den Mitgliedern immer wieder etwas zu bieten und so Jung und Alt bei der Stange zu halten. Angefangen vom jährlichen Vereinsausflug, über Stern- und Jubiläumsschießen sowie Jubiläumsfeste, die Freundschaftsschießen mit Vereinen der umliegenden Orte, den Aufbau einer jungen Rundenwettkampfmannschaf, den Bau einer Blockhütte auf dem Schützenberg und Festplatz, die Durchführung von Dorffesten bis hin zum Maibaumaufstellen, Umweltaktionen und den seit über 40 Jahren stattfindenden Altpapiersammlungen – die Liste der Aktivitäten unter Vorstand Riederle ließe sich noch lange fortsetzen.
70 Jahre Schießsport – Georg Riederle könnte viele Geschichten erzählen. Etwa aus Zeiten, als noch beim Wirt von der Stube aus durch das Nebenzimmer in die Stallkammer geschossen wurde. Oder wie mal die Jugend rebellierte, weil nur zwei Schießstände zur Verfügung standen und sie den Privilegierten den Vortritt lassen mussten. Aber auch, wie es der Verein geschafft hat, als erster im Landkreis eine elektronische Schießanlage bieten zu können.
Wenn der einzige noch aktive Schütze aus dem Wiedergründungsjahr heute Bilanz zieht, dann fällt diese durchweg positiv aus. „Es waren 70 Jahre, die mir Spaß gemacht haben“, sagt Riederle. „Ich habe keine Minute bereut, weil ich meine Frau Brigitte und eine Mannschaft zur Seite gehabt habe, die mich, wo immer es ging, voll unterstützt haben. Und – was mit das Schönste war – weil mir auch die Jugend das Vertrauen geschenkt hat.“
Auch mit seinen 89 Jahren ist Georg Riederle, der 1995 ob seiner Verdienste zum Ehrenvorstand ernannt wurde, noch immer Dauergast bei den Schießabenden. Eigentlich. Denn wegen der Corona-Pandemie können die geselligen Abende momentan nicht stattfinden. Ein Umstand, der Riederle traurig stimmt. „Ich habe mich jede Woche darauf gefreut, am Wochenende zum Schießen gehen zu können“, sagt er.
Vorerst bleibt ihm also nur die Erinnerung und so wirft Georg Riederle immer wieder einen Blick in seine Jahrbücher. Neben seinen Vorstandsposten nämlich hat er von 1966 bis 1994 nach eigenen Angaben „jeden Atemzug der Schützen niedergeschrieben und bebildert“. Was es zu dokumentieren gab, hat Riederle dokumentiert, mit Gedichten aufgelockert, Ergebnisse, Auszeichnungen und vieles andere mehr schriftlich festgehalten und sogar geschossene Blattl eingeklebt. Und so kann er mit fünf dicken Wälzern aufwarten und untermauern, was längst in Fels gemeißelt ist: „Schießsport ist (und bleibt) mein Leben …“