Lernen auf der Couch
Die 68er protestierten einst gegen ein Leben auf der Couch. Mit Fahnen und Transparenten kämpften sie für ein couchfreies Dasein auf den unbegrenzten Feldern der Freiheit. Inzwischen hat Corona die ehemaligen Proteststudenten auf die Couch zurückgeholt. Auf weichem Untergrund stellen sie sich mit Kind und Enkel den harten Herausforderungen von Home-Schooling bei Ausgangs- und Kontaktsperre.
In der Literatur wurde die Couch bisher als Instrument spießbürgerlichen Behagens mit einem spöttischen Tonfall bedacht. Das ist vorbei. In einer Zeit des Online-Learnings werden Couch, Kanapee, Chaiselongue und Sofa zu Mittelpunkten kulturellen Bemühens. Nicht mehr auf der Schulbank, sondern auf der häuslichen Couch reift der heutige Schüler zum Bildungsbürger heran. Endlich erfüllt sich der alte Traum, dass sich der Mensch mit couchgestützter Lässigkeit in die nächsthöhere Evolutionsstufe emporarbeiten kann. Widerlegt ist damit die Ablehnung der Couch durch Adriaan van de Spiegel, der 1627 in „De humani corporis fabrica“noch behaupten konnte: „Einzig der Mensch kann unter allen Thieren bequem sitzen, denn er erhielt fleischigte und große Hinterbacken, welche ihm statt Unterlage, Kissen und gepolsterten Sopha dienen, damit er durch das Sitzen keine Beschwerlichkeit empfindend, den Geist besser beschäftigen könne, mit Nachdenken über göttliche Dinge.“