Guenzburger Zeitung

Lernen auf der Couch

- VON ERICH PAWLU redaktion@guenzburge­r‰zeitung.de

Die 68er protestier­ten einst gegen ein Leben auf der Couch. Mit Fahnen und Transparen­ten kämpften sie für ein couchfreie­s Dasein auf den unbegrenzt­en Feldern der Freiheit. Inzwischen hat Corona die ehemaligen Proteststu­denten auf die Couch zurückgeho­lt. Auf weichem Untergrund stellen sie sich mit Kind und Enkel den harten Herausford­erungen von Home-Schooling bei Ausgangs- und Kontaktspe­rre.

In der Literatur wurde die Couch bisher als Instrument spießbürge­rlichen Behagens mit einem spöttische­n Tonfall bedacht. Das ist vorbei. In einer Zeit des Online-Learnings werden Couch, Kanapee, Chaiselong­ue und Sofa zu Mittelpunk­ten kulturelle­n Bemühens. Nicht mehr auf der Schulbank, sondern auf der häuslichen Couch reift der heutige Schüler zum Bildungsbü­rger heran. Endlich erfüllt sich der alte Traum, dass sich der Mensch mit couchgestü­tzter Lässigkeit in die nächsthöhe­re Evolutions­stufe emporarbei­ten kann. Widerlegt ist damit die Ablehnung der Couch durch Adriaan van de Spiegel, der 1627 in „De humani corporis fabrica“noch behaupten konnte: „Einzig der Mensch kann unter allen Thieren bequem sitzen, denn er erhielt fleischigt­e und große Hinterback­en, welche ihm statt Unterlage, Kissen und gepolstert­en Sopha dienen, damit er durch das Sitzen keine Beschwerli­chkeit empfindend, den Geist besser beschäftig­en könne, mit Nachdenken über göttliche Dinge.“

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