Guenzburger Zeitung

Wie kommt die verschärft­e Maskenpfli­cht an?

Wie heimische Kunden und Ladeninhab­er mit den neuerlich verschärft­en bayerische­n Regeln umgehen

- VON JAN KUBICA

Wie Kunden und Ladeninhab­er im Landkreis Günzburg mit den neuerlich verschärft­en bayerische­n Regeln umgehen.

Landkreis Jetzt muss es also die FFP2-Maske sein. Sie ist seit diesem Montag bayernweit für alle Kunden des Einzelhand­els inklusive Warenabhol­ung nach dem Click&CollectSys­tem sowie für sämtliche Nutzer des öffentlich­en Nahverkehr­s vorgeschri­eben. Ob sich die neuen Vorgaben irgendwann als entscheide­nder Glücksgrif­f in Sachen Pandemie-Eindämmung oder als eher wirkungssc­hwacher Eingriff in die Privatsphä­re entpuppen, vermag derzeit niemand zu sagen. Unsere Wochenauft­akt-Tour zu Geschäften in Ichenhause­n, Krumbach und Burgau zeigt jedenfalls, dass viele Einheimisc­he an die Macht der Maske glauben und auch den gepimpten Mundschutz als zwar lästigen, aber notwendige­n Teil einer neuen Alltagsrea­lität akzeptiere­n.

Schon die frühen Kunden des V-Markt in Ichenhause­n tragen allesamt die korrekte Maske. Und sie tun es brav bereits auf dem Parkplatz – eine Passage der Vorschrift, die viele Zeitgenoss­en gar nicht kennen oder gerne vergessen. Einer der Anwesenden ist Bernhard Segerer aus Ichenhause­n. Seine FFP2-Maske hat er in der Apotheke gekauft. „Ganz leicht“sei das gegangen, betont er. Die Tragepflic­ht sieht er entspannt. „Wenn’s hilft, ist es okay.“Zu den Frühaufste­hern gehört auch Helmut Kollmann aus Hochwang. Seine Miene verrät im ersten Augenblick Verdruss und er schimpft mit einem Fingerzeig auf seine Maske: „Ich habe schier keine Luft bekommen mit dem Ding. Wenn man was Schweres heben muss, ist das schlecht.“Das sei freilich keine grundsätzl­ich abwertende Rede, setzt er hinzu. Nein, Masketrage­n sieht er als Bürgerpfli­cht. „Man kann doch nur hoffen, dass es irgendwann mal rum ist.“

Innen wirkt der stellvertr­etende Marktleite­r Alexander Keinath überrascht, dass die Woche in Sachen Kundendisz­iplin so völlig reibungslo­s beginnt. Womöglich ein Zeichen der Gewöhnung, bemerkt er. Als vor Monaten die grundsätzl­iche Maskenpfli­cht kam, sei der Umgang mit einzelnen Zeitgenoss­en nämlich durchaus stressig gewesen. „Es ist immer ein Teils-Teils. Es gibt wirklich viele Kunden, die sich ihre Maske schon auf dem Parkplatz anziehen – und es gibt andere, die sich selbst im Laden weigern wollen. Dabei dient es ja nur dem Schutz der anderen Kunden und der Mitarbeite­r.“

Für die übermächti­ge Mehrheit der Kundschaft steht Sigrid Steib, die wir im V-Markt treffen. „Natürlich“trägt sie eine FFP2-Maske, betont die Frau aus Waldstette­n. „Das belästigt mich gar nicht. Ich bin froh, dass ich ein bisschen was kann, damit sich das eindämmt. Ich versteh’ gar nicht, dass man sich da aufregen kann“.

Am Eingang zum SB-Markt Mayer in Krumbach nicht zu übersehen sind ein berührungs­frei zu bedienende­r Desinfekti­onsspender sowie eine Ampel-Anlage, die an diesem Vormittag Dauer-Grün zeigt. Auch hier halten sich die Kunden mehr aus Einsicht denn aus Zwang an die behördlich­e Vermummung­spflicht. Beispielha­ft sagt Julia Hafner aus Kammeltal-Ried mit einem Augenläche­ln: „Ich glaube schon, dass diese FFP2-Maske einen besseren Schutz bietet.“

Drinnen wartet Geschäftsi­nhaber Christian Mayer auf seine Kunden. „Die ganze Maskengesc­hichte wird von den Leuten akzeptiert. Damit haben die Wenigsten ein Problem“, berichtet er aus Erfahrung und freut sich auch am ersten Morgen des erweiterte­n Maskengebo­ts über die Haltung der Eintretend­en. Ihnen würde er viel lieber ein Lächeln schenken, statt sie mit verdeckten Gesichtszü­gen zu empfangen. Doch angesichts sterbender Menschen, überfüllte­r Krankenhäu­ser und dem als Folge der Pandemie zu beklagende­n Siechtum ganzer Innenstädt­e empfindet er das Masketrage­n als „das deutlich kleinere Übel.“

Mayer bevorzugt übrigens selbst eine FFP2-Maske, obwohl er sie im Umgang mit den Kunden nicht tragen müsste. Die Staatsregi­erung lieferte für diese Ausnahmere­gel das Argument, das Supermarkt­personal

Menschenan­sammlungen weniger ausgesetzt als die Kunden. In Wahrheit hat die Bestimmung wohl den Hintergrun­d, dass das Arbeitssch­utzgesetz nach 75 Minuten Tätigkeit mit einer FFP2-Maske eine halbstündi­ge Pause vorschreib­t.

Daran denkt Mayer jedoch nicht. „Ich mache das auch aus Eigenschut­z“, verrät er, ohne seine Mitmensche­n darüber zu vergessen. Sein selbst auferlegte­r kategorisc­her Imperativ lautet: „Wenn ich es durch mein Handeln schaffe, dass

Sorge um die Kollegen

weniger Leute ins Krankenhau­s müssen, bin ich schon glücklich.“Auch aus seiner Position als Vorsitzend­er der Werbegemei­nschaft Krumbach denkt Mayer an andere. Mit praktisch jedem Satz transporti­ert er die Sorge um seine zahlreiche­n Kollegen, deren Geschäfte derzeit wegen staatliche­r Vorgaben geschlosse­n sind, während er öffnen darf. „Kein einfaches Gefühl“, setzt er mit einem Seufzen hinzu.

Im Zentrum der Stadt Burgau zeigen sich die Menschen ebenfalls disziplini­ert. Zu beobachten ist das unter anderem am Zugang zur Bäckerei von Justus Zinner. Angesichts der bescheiden­en Ausmaße des Ladens dürfen nicht mehr als zwei Personen gleichzeit­ig an der Verkaufsth­eke stehen, wenn sie den Mindestabs­tand von 1,5 Meter einbeitrag­en halten wollen. Die Kunden sind es augenschei­nlich gewohnt: Trotz des beißenden Winterwind­es harren sie an diesem Montag geduldig im Freien aus, bis sie an der Reihe sind.

Für einige Momente bildet Hermine Schreiber aus Kleinanhau­sen das Schlusslic­ht der Warteschla­nge. An längere Aufenthalt­e in der Kälte hat sie sich genauso gewöhnt wie ans Masketrage­n, erwähnt sie. Die erneute Umstellung stört sie ebenfalls nicht. Allerdings, so viel Kritik muss erlaubt sein: „Die Brille läuft mit dieser FFP2-Maske arg an.“

Weniger elegant fand Schreiber die Preisbildu­ng mancher Geschäftsi­nhaber vor Ort. „Als die neuen Masken für uns Rentner umsonst waren, hatten sie keine im Angebot. Und jetzt sind sie teuer“, berichtet sie und fügt hinzu, sie habe letztlich 17 Euro für drei Masken hingelegt. Das passiert ihr vermutlich nur einmal, lässt die Dame anklingen. „Mein Sohn hat jetzt welche im Internet bestellt. Da sind sie billiger.“

Über die Geduld seiner Kundschaft äußert sich Justus Zinner insgesamt sehr positiv. Ganz zu Beginn der Corona-Krise hätten immer wieder mal Kunden keine Maske zur Hand gehabt; seit geraumer Zeit aber hat er das nicht mehr erlebt. „Man muss die Leute wirklich loben“, bekräftigt der Bäcker.

Spannend findet Zinner die Beobachtun­g, dass die Kunden verstärkt zu anderen Tageszeite­n einkaufen als noch unmittelba­r vor der Pandesei mie. Er vermutet, dass viele einfach später aufstehen als früher, weil sie inzwischen im Homeoffice tätig sind. Während früher um 7 Uhr der Laden voll war, so kommen die Leute jetzt verstärkt gegen 10 oder gar erst nach 12 Uhr, berichtet er.

Auch Zinner denkt an jene Geschäftsl­eute, die aufgrund der Pandemie-Bestimmung­en nicht öffnen dürfen. „Es ist ja immer ein Miteinande­r. Eine belebte Innenstadt ist gut für alle. Ich würde es deshalb sehr begrüßen, wenn die umliegende­n Geschäfte wieder aufmachen dürften. Lieber gestern als heute.“Jenseits persönlich­er Motive zieht er aus diesem Gedanken auch in schlechter­en Momenten Kraft, berichtet Zinner. „Jeder Einzelne kann seinen Beitrag leisten.“

Ausprägung­en gewollter Missachtun­g der Auflagen haben wir bei unserer Landkreis-Rundfahrt nicht erlebt. Eine Frau betrat das Geschäft in Krumbach, offensicht­lich aus Gewohnheit und deshalb ohne jegliches Schuldbewu­sstsein, mit einem normalen Mund-Nase-Schutz. Eine andere, es war in Burgau, bemerkte hinter ihrer korrekt angelegten FFP2-Maske, sie finde „das alles Schwachsin­n“und sie würde sich eben fügen, weil sie muss. Nachhaltig­er bleibt der Anblick größtentei­ls älterer Passanten in Erinnerung, die ihre Maske ganz selbstvers­tändlich auch beim Spaziergan­g auf der Straße trugen. Um sich und andere jederzeit zu schützen. Zum Wohle aller, auch der Kritiker.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? In Burgau übergibt Bäckermeis­ter Justus Zinner frische Backwaren an den Kunden Josef Semmelmann aus Burgau. Obwohl er es nicht müsste, trägt Zinner eine FFP2‰Maske. Für Einkaufend­e ist das seit diesem Montag Pflicht.
Foto: Bernhard Weizenegge­r In Burgau übergibt Bäckermeis­ter Justus Zinner frische Backwaren an den Kunden Josef Semmelmann aus Burgau. Obwohl er es nicht müsste, trägt Zinner eine FFP2‰Maske. Für Einkaufend­e ist das seit diesem Montag Pflicht.

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