Sie waren mit der „Polarstern“vier Monate am Nordpol
Das Ehepaar Schlagenhaufen aus Krumbach hat die jüngste Arktistour des deutschen Forschungsschiffes mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Denn vor 37 Jahren waren sie selbst dabei. Wie die beiden heute auf das eiskalte Abenteuer zurückblicken
Krumbach „Die vier Monate auf der Polarstern waren das Highlight unseres bisherigen Lebens.“In diesem Punkt einig sind sich Kurt und Ursula Schlagenhaufen, wenn sie über ihre „interessanteste und abenteuerlichste Seefahrt“erzählen, die sie als Besatzungsmitglieder auf dem Forschungsschiff erlebten. Sie liegt inzwischen zwar 37 Jahre zurück und doch fällt es ihnen leicht, über Details und diverse Erlebnisse zeitnah und spannend zu berichten. Neu in Erinnerung gekommen sind diese für das Ehepaar nach der bisher längsten und aufwendigsten deutschen Arktis-Expedition der Polarstern. Sie war vom 20. September 2019 bis Mitte Oktober 2020 für das Alfred-Wegener-Institut in der Arktis unterwegs, ein Unternehmen, das mit einem Budget von 140 Millionen Euro ausgestattet war und die Erforschung des Polarmeeres nahe des Nordpols zum Ziel hatte.
Ursula Schrom und Kurt Schlagenhaufen gehörten nach der Indienststellung des Forschungseisbrechers im Dezember 1982 zur Besatzung der ersten Arktis-Tour, und zwar als Helferin für den Schiffsarzt sowie als Techniker zur Betreuung der Maschinenanlage und der Forschungsobjekte. Die Expeditionsfahrt dauerte von April bis August 1983. Geradezu ins Schwärmen geraten die beiden, wenn es darum geht, sich an einmalige Erlebnisse zu erinnern. Sie reichen von „es ist in den über vier Monaten nie Nacht geworden“, über „sogar einen Eisbären haben wir gesehen, der mit einer Robbe im Maul unterwegs war“bis zu „gut überstanden haben wir mehrere arktische Stürme und Tage mit extremer Kälte“. Was beide zusätzlich als „positives Novum“sehen, ist die „erlebte Kameradschaft und das Gemeinschaftsgefühl zwischen studierten Forschern und der aus den verschiedensten Nationen zusammengesetzten Besatzung“. Das heutige Ehepaar: „Wir lernten, aus uns unbekannten Berufen und Ländern, Menschen kennen, die wir vorher nie gesehen hatten und reiften in diesen vier Monaten zu einer Mannschaft, auf die sich jeder in jeder Situation verlassen konnte.“
Solche Unterschiede waren es aber schon die Jahre vorher, die das Paar im eigenen Leben erfahren hatte. Geboren ist Ursula Schrom in Krumbach, wo sie nach der Schulzeit als Arzthelferin in der Röntgenabteilung des Krankenhauses tätig war. Ihr späterer Mann Kurt Schlagenhaufen stammt aus der Nähe von Graz, wo er als Techniker von einer deutschen Elektrofirma ins afrikanische Nigeria geschickt wurde. Reisen war schon immer das Hobby der beiden. Sie bewarb sich mit 22 Jahren bei der Hamburger Reederei Hapag Lloyd als Stewardess. Ihre ersten Seefahrten erlebte sie auf einem Stückgutfrachter und war zuständig für die Verpflegung der Besatzung. Sie lernte Hafenstädte in Indonesien, Südafrika, Brasilien, der Karibik und auch in Europa kennen, bevor sie oft Monate später wieder nach Hamburg zurückkehrte. Sie erinnert sich noch gut: „Unser Frachter blieb für die Be- und Entladung verschiedentlich mehrere Tage im Hafen und so hatten wir Zeit für Landgänge. Mir war dabei immer wichtig, Land und Leute kennenzulernen.“Heute sei dies kaum noch möglich, da die Liegezeit der Schiffe in den Häfen sehr teuer sei und deshalb möglichst kurz gehalten werde. Was noch hinzukommt: „Heute gibt es in der Großschifffahrt fast nur noch Containerfrachter, die mittels Kräne in Stunden verladen werden.“Ihre Erkenntnis daraus: Zeit für einen Landgang bleibt nicht mehr.
Ähnliches erlebte Kurt Schlagenhaufen. Er hatte im gleichen Alter das gleiche Ziel: „Als ich in einem Hafen in Nigeria einige Ersatzteile abholen musste, kam mir die Idee: Ich gehe aufs Schiff.“Er kündigte sein Arbeitsverhältnis, flog in die Heimat, fuhr nach Hamburg und heuerte auf dem Frachtschiff Harmonia an, das im August 1982 dort im Hafen lag und für die Fahrt nach Indonesien beladen wurde. Das Schicksal war ihnen gut gesinnt. Zur gleichen Zeit erhielt Ursula Schrom den Auftrag, die Harmonia als Stewardess nach Singapur zu begleiten. Wenige Tage an Bord „funkte“es. Ursula und Kurt lernten sich kennen und erkannten rasch, dass daraus mehr werden könnte. Die Folge: Auf der dreimonatigen Fahrt nach Indonesien „hat es gut harmoniert“, mit dem Ergebnis: Es folgte ein gemeinsamer Urlaub und danach schipperten die beiden über ein Jahr lang auf dem gleichen Frachter quer durch die Weltmeere.
Zurück in Hamburg erfuhren sie, dass für die erste Arktis-Forschungsfahrt der Polarstern „physisch starkes Personal“gesucht werde. Das Paar bewarb sich, bestand die Untersuchungen über Gesundheit und Seetauglichkeit und wurde als Röntgen- und Arzthelferin sowie als Serviceexperte für die Schiffstechnik und die Betreuung der Forschungsanlagen gebraucht. Im April 1983 begann in Bremerhaven die Reise zum Nordpol und führte in der Nordsee entlang von Norwegen und Spitzbergen in das Eismeer vor dem Nordpol. Während sich die Forschungsteams abwechselten, blieb die Besatzung bis zum Ende der Expedition gleich. Wichtigstes Utensil war die speziell für jedes Mitglied geschneiderte Polarkleidung für Temperaturen von 0 bis 25 Grad minus. Erreicht wurde das Ziel der Expeditionsreise in vollem Umfang: „Neue Erkenntnisse über die sich verändernden Eisverhältnisse in der Arktis und Untersuchungen des dortigen Meeresbodens mittels Schallwellen.“
Es sollte die letzte große berufliche Seereise der beiden sein. „Wir haben viel von der Welt gesehen, waren immer wieder an einem anderen Flecken dieser Erde und erlebten die unterschiedlichsten Typen von Menschen. Was uns besonders freut, sie waren immer freundlich, kameradschaftlich und wenn notwendig auch hilfreich“, so ihre Erkenntnis.
Im November 1983 wurde geheiratet. Nach der Geburt eines Sohnes und einer Tochter folgten Beschäftigungen im Augsburger Hauptkrankenhaus als Röntgenfachkraft sowie als Techniker in Mering. Fünf Jahre später zogen sie zu ihren Eltern nach Krumbach und kauften vor zwei Jahren ein Haus im Hopfenweg. Kurt Schlagenhaufen machte sich als Servicetechniker für Fräsanlagen selbstständig und besucht seine Kunden noch immer in ganz Europa. Seine Frau Ursula hat ihren Beruf aufgegeben und erledigt seit 20 Jahren die Büroarbeiten ihres Mannes.