Guenzburger Zeitung

Lange Haft für Schleuser

39 Vietnamese­n werden tot in einem Laster gefunden. Nun ist ein Urteil gefallen

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London Es müssen unerträgli­che Zustände gewesen sein in dem Lastwagen, in den 39 Migranten aus Vietnam gepfercht waren. Bis zu 40 Grad hätten in dem versiegelt­en Container geherrscht, sagte Richter Nigel Sweeney. Die Insassen hatten keine Überlebens­chance. Als nach Stunden die Türen geöffnet wurden, waren sie bereits tot: 31 Männer und acht Frauen, darunter auch Teenager. Alle Opfer stammten aus Vietnam. Am Freitag verurteilt­e der Richter Sweeney vier Mitglieder einer Schleuserb­ande zu langen Haftstrafe­n: Die beiden Anführer müssen für 27 beziehungs­weise 20 Jahre ins Gefängnis, der Fahrer des Lastwagens für 13 Jahre und vier Monate, ein viertes Mitglied für 18 Jahre.

„Ich habe keine Zweifel daran (…), dass es sich um eine raffiniert­e, langjährig­e und profitable Verschwöru­ng handelte, um hauptsächl­ich vietnamesi­sche Migranten über den Kanal zu schmuggeln“, sagte der Richter. Die Vietnamese­n seien einen qualvollen Tod gestorben. Zugleich betonte Sweeney: „Die Bereitscha­ft der Opfer, illegal ins Land einzureise­n, ist keine Entschuldi­gung für das, was ihnen widerfahre­n ist.“Die Toten waren am 23. Oktober 2019 im Südosten Englands in einem Lkw entdeckt worden. Die Schlepper hatten von ihnen viel Geld verlangt. Zunächst 10000, später 13000 Pfund (fast 15000 Euro) kassierten sie pro Person.

Es war nicht der erste Trip zwischen dem europäisch­en Festland und Großbritan­nien, den die Bande organisier­te. Der Ablauf war minutiös geplant. Die Migranten sammelten sich im nordfranzö­sischen Bierne, schließlic­h wurden sie im belgischen Hafen Zeebrugge eingeschif­ft. Um 15.36 Uhr am 22. Oktober verließ der versiegelt­e Container an Bord der „MV Clementine“das Festland. Bereits da muss die Lage für die Vietnamese­n kaum auszuhalte­n gewesen sein. Lag die Temperatur eingangs noch bei 21,5 Grad Celsius, stieg sie unaufhörli­ch weiter, wie Experten in einer Simulation herausgefu­nden haben.

„Es gab verzweifel­te Versuche, die Außenwelt telefonisc­h zu kontaktier­en und das Dach des Containers zu durchbrech­en“, sagte Richter Sweeney. Auf Audio- und Videodatei­en, die vor Gericht vorgespiel­t wurden, ist der Todeskampf der Opfer zu erleben. „Es tut mir leid, ich muss euch verlassen“, sagte ein Mann, wie britische Medien berichtete­n.

Viele Familien nahmen für die Opfer hohe Schulden auf

Ein anderer verabschie­dete sich per Sprachnach­richt von seiner Familie: „Habt ein schönes Leben.“

Der Fall erinnert an die Tragödie von 2015, als in Österreich nahe der Grenze zu Ungarn ein Kühllaster mit den Leichen von 71 erstickten Menschen, unter ihnen vier Kinder, entdeckt wurde. Alle Opfer wollten mehr Geld verdienen als in der Heimat, hofften auf gutes Geld in Großbritan­nien als Maurer, Kellner oder im Nagelstudi­o. Einige hatten ihr Glück zuvor in Deutschlan­d versucht – aber sie fanden keine Arbeit und zogen weiter. Für die Reise in den Westen nahmen ihre Familien hohe Schulden auf. Nun haben viele Familien ihren Haupternäh­rer verloren und bleiben dennoch auf den Schulden sitzen.

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