Die Sehgewohnheiten
Es ist noch gar nicht so lange her, da war das TVVerhalten an natürliche Grenzen gebunden: Alles hatte einen festen Termin, zu dem man vor dem Fernseher sitzen musste. Danach kamen Derrick, die Lottozahlen oder irgendwas anderes und man konnte beruhigt auf die Aus-Taste drücken. Mittlerweile ploppen alle Folgen der Lieblingsserie mit einem Schlag als komplette Staffel auf – und wer Zeit hat (oder sie sich nimmt), hechtet eben alles in einer Nacht durch. Binge Watching (von englisch binge, also Gelage) heißt der Fachbegriff dafür. 2015 erklärte das Collins English Dictionary binge-watch sogar zum Wort des Jahres. Im Deutschen wird das etwas weniger schuldbewusst, dafür pseudosportlich mit dem Begriff „Serienmarathon“übersetzt. Was dabei verloren geht, ist die tägliche oder gar wöchentliche Vorfreude. Bei manchen Serien wird eine künstliche Verknappung erzeugt, indem – ganz nach alter Schule – nur etwa jeden Montag eine neue Folge erscheint. Tatsächlich fällt bei manchen Serien das Abschalten schwer, weil zum Ende jeder Folge ein fieser Cliffhanger eingebaut ist – der wiederum soll dazu verführen, „nur mal ein bisschen“noch weiterzusehen. Dafür ein Tipp gegen das Bingen und Cliffhanger: Einfach mitten während einer Folge ausschalten. Florian Eisele