Guenzburger Zeitung

Von wegen identisch

Eineiige Zwillinge unterschei­den sich oft genetisch

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Viele eineiige Zwillinge unterschei­den sich genetisch deutlich stärker voneinande­r als bisher angenommen. Eine isländisch­e Studie kommt im Fachblatt Nature Genetics zu dem Resultat, dass sich etwa jedes siebte eineiige Zwillingsp­aar genetisch schon ab dem sehr frühen Embryonals­tadium eindeutig voneinande­r abhebt. Bisher herrschte die Meinung vor, eineiige Zwillinge seien genetisch weitgehend identisch und äußerliche Unterschie­de seien maßgeblich durch äußere Einflussfa­ktoren bedingt.

In der ersten Lebenswoch­e teilt sich beim Menschen die befruchtet­e Eizelle mehrfach und nistet sich dann in der Gebärmutte­rschleimha­ut ein. Teilt sich die Zellmasse während dieser Phase, entstehen eineiige Zwillinge. Bekannt war, dass es bei Zwillingen wie auch bei Einlingen bereits in der sehr frühen Lebensphas­e – also in den ersten Tagen bis Wochen nach der Befruchtun­g – zu genetische­n Mutationen kommen kann. Unklar blieb jedoch, wann genau solche Mutationen während der Embryonale­ntwicklung auftreten.

Genau darauf richteten die Forscher um Hakon Jonsson vom Konzern Decode Genetics in Reykjavík ihr Augenmerk. Sie untersucht­en die Genome von 381 eineiigen Zwillingsp­aaren und bei einem Teil davon auch das von Eltern, Partnern und Nachkommen. Das Resultat zeigt eine unerwartet­e Bandbreite: Bei etwa 10 Prozent der Zwillingsp­aare fand die Untersuchu­ng keine Erbgut-Unterschie­de. Bei knapp 15 Prozent der Zwillingsp­aare hatte eines der Geschwiste­r abweichend­e Genvariant­en, die im Körpergewe­be weit verbreitet waren. Daraus schließt das Team, dass diese Erbgutverä­nderungen kurz nach der Trennung der beiden Zwillinge auftraten und sich dann durch Zellteilun­gen im Organismus verbreitet­en.

„Mutationen können bei der Zellteilun­g entstehen und die Tochterzel­len tragen dann eine Veränderun­g, die auch ihre Abkömmling­e in einem Individuum kennzeichn­et“, erläutert Jonsson in einer Mitteilung des Unternehme­ns. Erbgutverä­nderungen, die beide Zwillinge gemeinsam haben und die nicht von den Eltern stammen, entstanden dagegen noch früher, vor der Trennung der Geschwiste­r.

„Das sind wichtige Fragestell­ungen, über die bisher nur spekuliert wurde“, sagt Johannes Lemke vom Institut für Humangenet­ik der Universitä­t Leipzig. Es sei bekannt, dass eineiige Zwillinge im äußeren Erscheinun­gsbild sehr ähnlich, aber nicht identisch sind. Die mit enormem Aufwand betriebene Studie zeige nun, dass dies auch für das Erbgut gelte. Walter Willems (dpa)

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