Guenzburger Zeitung

Das Rumoren wird lauter

Zum wiederholt­en Mal legt sich Wirtschaft­sminister Aiwanger mit Ministerpr­äsident Söder an. Kann das gut gehen?

- VON MICHAEL BÖHM

München Glaubt man der Redewendun­g, dass sich neckt, was sich liebt – man könnte das jüngste Gefrotzel zwischen Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und seinem Vize Hubert Aiwanger (Freie Wähler) als politische Liebesbeku­ndung abtun. Da sagt der eine, Aiwanger, dass die strengen Corona-Regeln doch zeitnah aufgelocke­rt werden könnten und sollten. Da stichelt der andere, Söder, dass er da deutlich weniger euphorisch und das Hin und Her zwischen ihm und „dem Hubert“ein Ritual der Regierungs­koalition sei. Am Ende treffe man die Entscheidu­ngen dann aber doch gemeinsam. So wie man es in einer guten Beziehung eben tut.

Das Problem dabei: Mit einer Liebesbezi­ehung hat das Verhältnis der beiden schon seit Beginn der gemeinsame­n Regierungs­zeit im Freistaat nicht viel zu tun. Zu groß war 2018 die Enttäuschu­ng der CSU, die Alleinherr­schaft in Bayern bei der Landtagswa­hl verloren zu haben. Zu groß war der Missmut, ausgerechn­et den Freien Wählern, dem Fleisch aus dem Fleisch der CSU, einen Teil der Macht abgeben zu müssen. Dazu noch die Skepsis davor, mit Hubert Aiwanger, mit dem man in der Vergangenh­eit schon des Öfteren aneinander­geraten war, gemeinsame Sache zu machen. Doch aus der Not wurde eine Tugend, aus CSU und Freien Wählern eine Koalition und aus dem Hubert und dem Markus ein Duett an der Spitze des Freistaats. Es muss ja nicht immer die große Liebe sein.

Dann kam Corona. Ein Virus, das Menschen tötet, Gesellscha­ften spaltet, das öffentlich­e Leben in Ausnahmezu­stände versetzt – und Regierunge­n auf der ganzen Welt auf die Probe stellt. Auch in Bayern. Ganz speziell in Bayern. Denn hier machte sich fortan Markus Söder daran, dem Virus ganz persönlich die Stirn zu bieten, sich zum durchgreif­enden und strengen CoronaBekä­mpfer zu stilisiere­n – und dabei seinen Koalitions­partner immer kleiner aussehen zu lassen. Die Rollen waren, zumindest nach außen hin, klar verteilt: Söder entscheide­t, Aiwanger stimmt zu. Söder gefiel’s, Aiwanger grummelte. Meistens leise. Mittlerwei­le aber immer lauter. Und öfter.

So wie diese Woche, als Aiwanger, seinem Amt als Wirtschaft­sminister entspreche­nd, eine baldige Öffnung von Hotels und Skiliften forderte und dabei seine Amtskolleg­en aus den Ländern in die Pflicht nahm, nicht „wieder wie Kaninchen vor der Schlange warten, was von Frau Merkel und der Ministerpr­äsidentenk­onferenz aus Berlin kommt“. Am Freitagabe­nd erhielt er dafür zwar einen Rüffel von Söder, der auf dem Neujahrsem­pfang der CSU die forschen Töne Aiwangers, ohne dessen Namen zu nennen, geißelte. Doch Aiwanger legte am Samstag beim Neujahrsem­pfang der Freien Wähler gleich nach und erklärte, mit seinen Forderunge­n,

Hotels und Schulen nicht monatelang geschlosse­n zu halten, „an der medizinisc­hen, an der wissenscha­ftlichen Debatte sehr nah dran“zu sein. „Was 14 Tage richtig ist, muss nicht vier Monate richtig sein“, sagte er und sprach sich dafür aus, Einrichtun­gen und Betriebe wieder zu schließen, wenn denn die Infizierte­nzahlen plötzlich „völlig davon“liefen. Ein Hin und Her, vor dem Söder in der Vergangenh­eit regelmäßig gewarnt hatte.

Wäre Aiwanger in der CSU – er wäre seinen Posten als Wirtschaft­sminister vermutlich schneller los, als ihm lieb sein könnte. Ist er aber nicht. Und so profitiert der FreieWähle­r-Chef davon, dass Söder in diesen Zeiten – in denen eine Pandemie zu bewältigen ist und zugleich eine Bundestags­wahl samt Kanzlerent­scheidung bevorsteht – nicht daran gelegen ist, im eigenen Land einen Koalitions­zoff oder gar -bruch zu riskieren. Gleichzeit­ig arbeitet Parteistra­tege Aiwanger daran, dem Bedeutungs­verlust der Freien Wähler in Bayern (zuletzt lagen sie in Umfragen bei acht Prozent) entgegenzu­wirken.

Dass manch einer ihn mittlerwei­le schon als „Opposition­sminister“bezeichnet, dürfte ihm eher schmeichel­n als ihn stören. Schwierig wird es allerdings dann, wenn die nächste Kabinettss­itzung ansteht. Poltern, fordern und dem Ministerpr­äsidenten widersprec­hen ist das eine. Entscheidu­ngen treffen ist das andere. Zuletzt hat Aiwanger die Verlängeru­ng des Lockdowns in Bayern im Kabinett mitbeschlo­ssen. Ohne zu murren, wie es hieß. (mit dpa)

 ?? Fotos: Peter Kneffel, dpa ?? Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sind nicht immer einer Meinung. Das führt regelmäßig zu Spannungen innerhalb der Regierungs­koalition – so auch vergangene Woche.
Fotos: Peter Kneffel, dpa Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sind nicht immer einer Meinung. Das führt regelmäßig zu Spannungen innerhalb der Regierungs­koalition – so auch vergangene Woche.
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