Guenzburger Zeitung

Wirtschaft fordert Fahrplan für Lockerunge­n

Handel und Handwerk erhöhen den Druck auf den Bund und die Länder

- VON CHRISTIAN GRIMM UND MICHAEL POHL

Berlin Die Zahl der Neuinfekti­onen mit dem Coronaviru­s sinkt – und die Ungeduld vieler Unternehme­r wächst. Die Diskussion um Lockerunge­n für Geschäfte, Wirte und Friseure nimmt an Tempo auf. Die Unternehme­r verlangen über ihre Verbände von der Bundesregi­erung und den Ministerpr­äsidenten der Länder einen Fahrplan, wann sie ihre Geschäfte wieder aufschließ­en dürfen. Eine nochmalige Verlängeru­ng des harten Lockdowns ohne Ausstiegsp­lan lehnen sie ab.

„Es geht darum, vorzugeben, bei welchen Pandemie-Zahlen welche Lockerunge­n möglich sind. Wir können nicht weiter von einem Lockdown in den nächsten stolpern“, betonte der Chef des Handelsver­bandes Deutschlan­d, Stefan Genth, gegenüber unserer Redaktion. Die Geschäfte bräuchten Planungssi­cherheit. Genth nennt das Beispiel der Modehändle­r: Sie müssen bald wissen, ob sie jetzt die Kollektion­en für das Frühjahr oder Sommer bestellen sollten oder nicht. „Wir brauchen ein Licht am Ende des Tunnels“, meinte Genth.

Auch im Handwerk drängen die von der Schließung betroffene­n Firmen auf ein Zeichen von Bund und Ländern. „Unsere Betriebe sind für eine Öffnung gut vorbereite­t, haben in engster Zusammenar­beit mit den Berufsgeno­ssenschaft­en höchst anspruchsv­olle Hygienekon­zepte entwickelt und umgesetzt“, sagte Handwerksp­räsident Hans Peter Wollseifer unserer Redaktion. Er warnte vor der Pleitegefa­hr für Friseursal­ons, Kosmetikst­udios, Uhrmacher oder Gastwirtsc­haften, die mittlerwei­le sehr real sei. „Umso wichtiger ist es jedoch, jetzt unzweideut­ig und für alle einleuchte­nd die Voraussetz­ungen festzulege­n, die für eine Öffnung erfüllt sein müssen“, verlangte Wollseifer. Das Handwerk plädiert für eine Art „Corona-Ampel“, die anhand von Infektions­zahlen regelt, wann Betriebe in einer Region öffnen dürfen oder schließen müssen.

Zuvor hatte der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Unionsfrak­tion, Georg Nüßlein (CSU), im Gespräch mit dieser Reaktion einen Einstieg in den Ausstieg ab Mitte Februar verlangt – vorausgese­tzt, die Zahl der Neuansteck­ungen wegen der Mutation des Erregers schieße nicht noch einmal drastisch nach oben.

Kanzlerin Angela Merkel hält die Diskussion über die Lockerung der Seuchenpol­itik für unangebrac­ht. Über ihren Sprecher Steffen Seibert ließ sie ausrichten: „Wir sind auf einem guten Weg. Diesen guten Weg jetzt zu früh zu unterbrech­en, wäre falsch.“Die Kanzlerin ist in großer Sorge, dass sich die viel stärker ansteckend­e England-Mutation auch in

Grünen‰Chefin Baerbock wirft Spahn Fehler vor

Deutschlan­d durchsetzt und die Krankenhäu­ser überlastet.

Auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte im Live-Interview unserer Redaktion, es gehe jetzt nicht darum, über Öffnungen zu diskutiere­n, sondern über die dafür nötigen Bedingunge­n: „Wir können nicht auf einen Kalenderda­tum schauen, sondern wir müssen doch sagen, unter welchen Voraussetz­ungen, Schulen so sicher sind, dass die Kinder wieder hingehen können.“

Für Kitas und Schulen wären dabei Schnelltes­ts zur Selbstanwe­n-dung besonders wichtig. Doch CDU-Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn habe bislang versäumt, eine Zulassung vorzuberei­ten. „Jetzt können zwei Hersteller endlich solche Schnelltes­ts anbieten, aber jetzt sagt Herr Spahn, dass er nicht so weit ist, sie zuzulassen“, kritisiert­e die Grünen-Politikeri­n. „Das ist wirklich fatal.“Österreich habe schon vor zwei Wochen begonnen, hunderttau­sende solcher Tests an Bildungsei­nrichtunge­n zu verteilen.»Kom‰ mentar, Politik, Wirtschaft

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