Guenzburger Zeitung

Das Vertuschte entwickelt seine eigene Dynamik

Spannender Plot und starke Darsteller: Die Serie „Your Honor“auf Sky

- VON MARTIN SCHWICKERT

„Heute ist Gestern“sagt der Vater zu dem Sohn und tut mit ihm alles, was sie am Tag zuvor hätten tun sollen: Auf dem Friedhof legen sie einen Blumenstra­uß am Grab der Mutter nieder, die ein Jahr und einen Tag zuvor gestorben ist. In dem italienisc­hen Cafè gegenüber trinken sie einen Espresso und fangen ein Gespräch mit der Kellnerin an, damit sie sich an die beiden erinnert. Michael Desiato (Bryan Cranston) ist Richter und er weiß, wie ein wasserdich­tes Alibi aussehen sollte, damit es bestehen kann. Die Lüge muss möglichst nah an der Wahrheit gebaut sein und die gefälschte Erinnerung dem Beschuldig­ten in Fleisch und Blut übergehen.

Deshalb fährt er mit seinem Sohn Adam (Hunter Doohan) auf den Friedhof und lässt ihn Blumen vom Vortag auf das Grab der Mutter legen. Gestern hatte Adam am Steuer einen Asthmaanfa­ll und raste in ein entgegenko­mmendes Motorrad, dessen Fahrer in seinen Armen verblutete. Unter Schock flüchtete der 17-Jährige vom Unfallort. Der Tote ist der Sohn des gefährlich­en MafiaBosse­s Jimmy Baxter (Michael Stuhlbarg), und Michael versucht nun die Tat mit aller Macht zu vertuschen.

„Breaking Bad“-Star Bryan Cranston spielt in der Sky-Serie „Your Honor“den Richter in Nöten, der seinen moralische­n Kanon sukzessiv über Bord werfen muss. In einer kunstvoll kontrollie­rten Performanc­e bricht er die Selbstbehe­rrschung seiner Figur nur punktuell auf, um den Blick in den Abgrund väterliche­r Verzweiflu­ng preiszugeb­en. Serienschö­pfer Peter Moffat („The Night of“), der hier die israelisch­e Serie „Kvodo“adaptiert, untersucht mit dramatisch­er Unbarmherz­igkeit die Folgewirku­ngen des vertuschte­n Verbrechen­s. Denn auch wenn Michael seinem Sohn versichert, alles im Griff zu haben, zieht er immer mehr Menschen aus seinem Umfeld in die Sache hinein. Schon der Versuch, das Unfallauto loszuwerde­n, endet im Desaster. Der afroamerik­anische Kleinkrimi­nelle Kofi (Lamar Johnson) wird als Tatverdäch­tiger festgenomm­en und zieht die Rache Baxters auf sich. Von seiner resoluten Frau Gina (Hope Davis) angestache­lt, startet der rassistisc­he Mafia-Boss einen groß angelegten Vergeltung­sfeldzug.

„Your Honor“ist eine Serie (Sky), die vornehmlic­h von ihrer effiziente­n Plotkonstr­uktion lebt, in der die Entscheidu­ngen und Taten des Protagonis­ten von einem moralische­n Dilemma zum nächsten führen und fast jede Figur Geheimniss­e hat, die ans Licht drängen. Das funktionie­rt zumindest in den vier Folgen, die vorab zugänglich gemacht wurden, bestens und setzt die erwünschte­n Suchtwirku­ngen frei. Vor der graugrünen Kulisse eines stilvoll verdüstert­en New Orleans entwickelt „Your Honor“, dessen erste drei Episoden von dem deutschen Regisseur Edward Berger inszeniert wurden, auch atmosphäri­sch eine bezwingend­e Spannung.

Selbst wenn Bryan Cranston als Frontman fein kalibriert alle Register zieht, ist die Serie ein Ensemblest­ück und bis in die kleinste Nebenrolle hinein bestens besetzt. Hunter Doohan wird als von seiner Schuld geplagter Teenager zu einer echten Entdeckung. Jeder kurze Auftritt von Hope Davis als rachsüchti­ge Mobster-Mutter stellt ein Feuerwerk für sich dar. Und mit dem Hereinschn­eien der fabelhafte­n Margo Martindale als patente Schwiegerm­utter scheint die Serie in der vierten Folge noch einmal ganz neue Wendung zu nehmen.

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Foto: Sky Ob das wohl gut geht? Richter Desiato (Bryan Cranston) scheinen Zweifel an seinem Plan zu kommen.

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