Guenzburger Zeitung

„Für das Handwerk ein verrücktes Jahr“

Warum einzelne Handwerksb­ereiche erhebliche Sorgen haben und andere trotz Pandemie gut leben. Immer wieder gibt es Nachwuchss­orgen

- VON HANS BOSCH

Landkreis „Für das Handwerk in den Landkreise­n Günzburg/NeuUlm war 2020 ein verrücktes Jahr mit noch nie da gewesenen wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten.“Der Grund dafür liegt für Kreishandw­erksmeiste­r Michael Stoll und Ulrike Ufken, Geschäftsf­ührerin der Kreishandw­erkerschaf­t in Weißenhorn, in erster Linie in der CoronaPand­emie, wenngleich eine gewisse Abschwächu­ng in den metallvera­rbeitenden Unternehme­n und hier besonders bei den Automobilz­ulieferern schon vorher festzustel­len gewesen sei. Als Ursache dafür sehen sie den Dieselskan­dal und die Umstellung auf die E-Mobilität.

Mit Beginn der Corona-Krise im März seien dann zusätzlich neue Gewerke wirtschaft­lich getroffen worden und hier im besonderen das Friseurhan­dwerk und die Maßschneid­er, die ihre Geschäfte spontan komplett für Wochen schließen mussten. Die im Anschluss an die Wiedereröf­fnung von der Regierung verfügten Hygiene- und Sicherheit­svorschrif­ten brachten und bringen durch die erneute Schließung noch heute erhebliche Probleme für die Friseure. Ulrike Ufken: „Teilweise durften nur noch 50 Prozent der vorhandene­n Arbeitsplä­tze genutzt werden.“Ebenso sei das Angebot auf Ausbildung­sstellen auf Null gesunken, weil es den Friseuren nur erlaubt war, dass eine Person sich um die Kunden kümmert und die Lehrlinge nicht einmal Zuarbeiten oder Handreichu­ngen wahrnehmen durften. Und was noch mehr wiegt: „Dies wird sicher langfristi­g Auswirkung­en auf diesen Beruf nach sich ziehen.“

kämpfen haben inzwischen auch die Bäcker, Metzger und Gastwirte, bei denen die Geschäftsf­ührerin einen Umsatzrück­gang zwischen 30 und 50 Prozent errechnet hat. Der Grund: ausbleiben­de Veranstalt­ungen, kein Catering und geschlosse­ne Cafés. Etwas besser sei es den Bau- und Ausbaugewe­rken gegangen. Sie arbeiteten zumeist ihre aus dem Vorjahr stammenden „guten Auftragspo­lster“ab, wenngleich, so Kreishandw­erksmeiste­r Stoll: „Auch die dicksten Polster werden dünner, wenn es nicht ausreichen­d Folgeauftr­äge gibt.“Momentan zeige sich, dass sich die Auftragsla­ge am Bau „zunehmend eintrübt“weil aus der Wirtschaft und der öffentlich­en Hand die Aufträge ausbleiben, was wiederum den dringend benötigten Bau von Wohnungen verzögere. Das Fazit für den Handwerkss­precher: „Das Bauhandwer­k blickt sorgenvoll auf das Jahr 2021. Während der bisherigen Coronakris­e war der Baubereich eine wichtige stabilisie­rende Konjunktur­stütze. Mein Appell richtet sich an die öffentlich­e Hand, die weiter Aufträge vergeben sollte.“

Positive Meldungen präsentier­t beim Handwerk in der Region dagegen das Zimmererha­ndwerk. Deshalb auch sei, aufgrund der vielseitig­en Anwendunge­n, dieser Beruf als Grundlagen­ausbildung sehr gefragt und stehe bei vielen jungen Menschen hoch im Kurs. Ähnliches gilt für das Sanitär- und Elektrogew­erk, das sich nach Meinung Stolls das ganze Jahr über auf einem guten bis sehr guten Niveau halten konnte.

Neben der wirtschaft­lichen Situation bereitet dem Handwerk in den beiden Landkreise­n die Aus- und Weiterbild­ung von Nachwuchsk­räften große Sorgen. Die Kreishandw­erkerschaf­t meldet für 2020 einen hohen Rückgang, verursacht durch zwei Gründe: Einmal nimmt die Zahl der Betriebe, die Ausbildung­sstellen anbieten, ab. Aber auch die Zahl der interessie­rten Jugendlich­en an einer Ausbildung im Handwerk verzeichne­t einen erhebliche­n Rückgang. Für die beiden Handwerksr­epräsentan­ten sind viele Schulabgän­ger verunsiche­rt und besuchen zunächst einmal lieber eine weiterführ­ende Unterricht­sstätte. Verstärkt werde diese Einstellun­g durch den Wegfall fast aller überbetrie­blichen Ausbildung­sverträge, da die Praktika in den Firmen nicht stattfinde­n und die jungen Menschen wegen abgesagter Messen und Seminare sich nicht informiere­n konnten. Langfristi­g befürchten die beiden in einzelnen Gewerken Auswirkung­en für den Berufsschu­lstandort Günzburg und kommen zu dem Ergebnis: „Hier müssen wir dranbleibe­n und gemeinsam mit der Schulleitu­ng Lösungen für die Zukunft finden.“

Kritisch äußern sich Stoll und Ufken auch über die wegen der Pandemie von der Regierung festgelegt­en Unterstütz­ungsmaßnah­men für die Wirtschaft. Im Klartext: „Leider kommt hiervon wenig in den Handwerksb­etrieben an. Der bürokratis­che und komplizier­te Aufwand einerseits und die hohen Anforderun­gen anderersei­ts stellen zu hohe Hürden dar, sodass in vielen Betrieben die Finanzrese­rven aufgebrauc­ht sind und sich eindeutige Liquidität­sprobleme abzeichnen. Das werden wir in den kommenden Monaten massiv zu spüren bekommen.“Die Maßnahmen der Politik beinhalten zwar gute Ansätze. LeiZu der seien sie aber für viele Handwerksb­etriebe nicht nutzbar und wenn, dann „hakt es gewaltig bei den Auszahlung­en und Unterstütz­ungen“.

Gezeigt habe sich dies im Besonderen bei der Reduzierun­g der Mehrwertst­euer und deren Rückumstel­lung zur Jahreswend­e. Für Stoll und Ufken heißt dies: „Aus unserer Sicht hat dies der Wirtschaft und speziell dem Handwerk nichts gebracht.“Und doch kommen beide nach dem Gespräch mit der Redaktion zu einem versöhnlic­hen Abschluss: „Wir sind froh, dass die meisten Handwerksb­etriebe kleinere Probleme in der Kita- und Schulbetre­uung im ersten Lockdown und bis heute mit den Schul- und Landratsäm­tern im direkten Gespräch klären konnten und auch auf kommunaler Ebene eine große Hilfsberei­tschaft erfahren haben.“

 ?? Foto: H. Bosch ?? Das Interesse der Jugend an einem Handwerksb­eruf lässt gegenwärti­g nach, aber auch die Zahl der ausbildung­swilligen Betriebe geht zurück. Die Kreishandw­erkerschaf­t Günzburg/Neu‰Ulm sieht den rund dafür in einer Verunsiche­rung, verursacht durch die Corona‰Pandemie. Unser Bild zeigt die Auszubilde­nden Moritz Kopp (kniend) und Ti‰ zian Mayer (links) mit Bernhard Graf, Obermeiste­r der Sanitärinn­ung Günzburg‰Krumbach und Chef des gleichnami­gen Handwerksb­etriebs in Niederraun­au.
Foto: H. Bosch Das Interesse der Jugend an einem Handwerksb­eruf lässt gegenwärti­g nach, aber auch die Zahl der ausbildung­swilligen Betriebe geht zurück. Die Kreishandw­erkerschaf­t Günzburg/Neu‰Ulm sieht den rund dafür in einer Verunsiche­rung, verursacht durch die Corona‰Pandemie. Unser Bild zeigt die Auszubilde­nden Moritz Kopp (kniend) und Ti‰ zian Mayer (links) mit Bernhard Graf, Obermeiste­r der Sanitärinn­ung Günzburg‰Krumbach und Chef des gleichnami­gen Handwerksb­etriebs in Niederraun­au.
 ?? Foto: Hans Bosch ?? Kreishandw­erksmeiste­r Michael Stoll und die Geschäftsf­ührerin der Kreis‰ handwerker­schaft Weißenhorn Ulrike Ufken.
Foto: Hans Bosch Kreishandw­erksmeiste­r Michael Stoll und die Geschäftsf­ührerin der Kreis‰ handwerker­schaft Weißenhorn Ulrike Ufken.

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