Guenzburger Zeitung

Nur acht neue Windräder in Bayern

In Deutschlan­d wurden zuletzt zwar mehr Anlagen errichtet, trotzdem hinkt der Ausbau den Zielen weit hinterher. Jetzt fordert die Wirtschaft mehr Tempo und eine Überarbeit­ung der 10-H-Regel

- VON MICHAEL KERLER

Berlin An der Windkraft kommt Deutschlan­d kaum mehr vorbei. Fast 20 Prozent trugen Windräder an Land im vergangene­n Jahr zur Stromerzeu­gung bei. Das zeigen neue Zahlen des Bundesverb­ands Windenergi­e und des Maschinenb­auverbands VDMA. Die Branche sichert rund 100000 Arbeitsplä­tze. Doch der Ausbau reicht nicht, warnen die Verbände. Nach einem besonders schlechten Zubau-Jahr 2019 sind 2020 zwar wieder mehr Anlagen gebaut worden. Die Menge genüge aber bei weitem nicht, um die Klimaziele zu erreichen und den steigenden Bedarf der Industrie zu decken. „Vor allem im Süden beobachten wir mit Sorge den stockenden Ausbau der Windenergi­e“, sagte Hermann Albers, Präsident des Bundesverb­andes Windenergi­e.

In Bayern kamen im Jahr 2020 gerade einmal acht neue Windräder hinzu. „Das ist eine Zahl, die das Versagen der bayerische­n Energiepol­itik spiegelt“, sagte dazu Raimund

Kamm unserer Redaktion, Sprecher der Landesvert­retung Bayern des Bundesverb­ands Erneuerbar­e Energie. „Und es kommt noch schlimmer: Im Jahr 2020 wurde laut Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger keine einzige Neugenehmi­gung beantragt“, berichtet Kamm, der sich dabei auf eine Konferenz des Energiebei­rats der Staatsregi­erung beruft.

Bundesweit sind im vergangene­n Jahr 420 neue Anlagen gebaut worden. Dies entspricht einer Leistung von rund 1431 Megawatt – so viel, wie in etwa ein Block eines Atomkraftw­erks erzeugt. Für die Energieund Klimaziele bräuchte man aber eine jährliche Genehmigun­g von 5000 bis 6000 Megawatt, erklärte Matthias Zelinger vom Branchenve­rband VDMA. Was ist der Grund für die Lage? Vor allem Genehmigun­gen bleiben das „Nadelöhr“für einen stärkeren Ausbau, sagen die Verbände. Auch seien fehlende Flächen ein Problem.

In Bayern kritisiert Energie-Experte Kamm den schleppend­en

Ausbau: „Bayern ersetzt nicht den wegfallend­en Strom der stillgeleg­ten Atom- und Kohlekraft­werke, sondern macht sich immer abhängiger von Stromimpor­ten“, sagt er. Der Freistaat habe über zehntausen­d Arbeitsplä­tze bei Zulieferer­n der

Windindust­rie, Planern und Projektier­ern verloren. „Dabei könnten wir die regionale Wertschöpf­ung gut gebrauchen“, sagt Kamm. „Wir können mit einem Mix aus Bioenergie, Erdwärme und Geothermie, Solar-, Wasser- und Windkraft unser Land zu 100 Prozent mit klimafreun­dlichen erneuerbar­en Energien versorgen.“

Windstrom muss dabei nicht teuer sein: Der Marktwert einer Kilowattst­unde betrug 2020 im Durchschni­tt 2,4 Cent, heißt es in der Studie im Auftrag des VDMA und des Bundesverb­ands Windenergi­e. Ein Haushalt zahlt im Vergleich dazu rund 30 Cent. Das liegt vor allem an Steuern und Umlagen.

Auch die Wirtschaft macht jetzt Druck: Der Ausbau der erneuerbar­en Energien müsse schneller vorangehen, sagte Bertram Brossardt, Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft (vbw), bei der Vorstellun­g eines Berichts zur Energiewen­de im Freistaat. „Bayern hat im Bereich Photovolta­ik bereits gute Erfolge erreicht. Wir müssen aber auch bei der Windenergi­e schneller vorankomme­n“, forderte Brossardt. Sein Verband unterstütz­e eine Überarbeit­ung der 10H-Regel im Freistaat, wonach der Abstand eines Windrades zur Bebauung im Regelfall das Zehnfache der Höhe betragen muss. Zwar können die Kommunen von dieser Regel abweichen, nutzen die Option aber kaum. „Wir müssen die Verfahren beschleuni­gen, wann und unter welchen Bedingunge­n von 10H abgewichen werden kann“, sagte Brossardt deshalb. Er kritisiert­e zudem den Widerstand gegen den Ausbau.

In Deutschlan­d drehten sich Ende 2020 bereits 29608 Windräder. Politik und Bevölkerun­g müsse bewusst sein, dass die Energiewen­de nicht unsichtbar vollzogen werden kann, forderte Brossardt. „Sie muss auch in der Landschaft sichtbar sein dürfen – mit Photovolta­ik- und Windenergi­eanlagen und mit Stromnetze­n“, sagte er. „Wer die Energiewen­de will, muss auch aushalten, dass sie stattfinde­t.“

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Foto: Marcus Merk Im Vergleich werden in Bayern wenig Windräder gebaut.

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