Guenzburger Zeitung

Deutsche Handballer am Tiefpunkt

Auf Trainer Gislason und seine Spieler wartet nach der vorzeitige­n Rückkehr von der WM viel Arbeit. Schon in sechs Wochen geht es um das Olympia-Ticket

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Kairo Alfred Gislason hatte einige Sorgenfalt­en auf der Stirn, als er nach der historisch­en WM-Pleite der deutschen Handballer am Dienstagmi­ttag in den Charterfli­eger gen Heimat kletterte. Noch mehr als Rang zwölf und damit das schwächste WM-Ergebnis in der Verbandsge­schichte beschäftig­ten den Bundestrai­ner hoch über den Wolken die Baustellen im Hinblick auf die Olympia-Qualifikat­ion. Dort steht die DHB-Auswahl Mitte März unter enormem Erfolgsdru­ck.

„In der Tat ist es so, dass davon eine Menge abhängt“, betonte DHB-Vizepräsid­ent Bob Hanning die Bedeutung der Ausscheidu­ng in Berlin mit Rekord-Europameis­ter Schweden, dem EM-Vierten Slowenien und Algerien, bei der in gut sechs Wochen zwei von insgesamt sechs vakanten Tokio-Tickets vergeben werden. „Dann wird sich zeigen, ob wir mit der Generation, so wie ich es immer für möglich gehalten habe, auch wirklich zur Weltspitze gehören. Ich habe immer gesagt, wir wollen dann so weit sein, dass die Generation auch liefert. Und dann müssen wir auch liefern“, forderte Hanning. Viel Zeit zur Vorbereitu­ng bleibt Gislason nicht. „Ich habe insgesamt nur vier Trainingst­age, bevor die Spiele losgehen“, klagte der 61 Jahre alte Isländer nach dem ernüchtern­den 23:23 gegen Polen zum WM-Abschied. „Ich hoffe natürlich, dass ein paar Tage dazukommen könnten. Normalerwe­ise müsste man vorher den Bundesliga-Spieltag verlegen, damit ich mehr Zeit hätte. Diese Woche in Berlin ist ja nicht unwichtig.“Hanning kann den Wunsch des Bundestrai­ners zu 100 Prozent nachvollzi­ehen. „Den ernsthaft anzugehen, halte ich für richtig“, kündigte er an. Man werde sich sicher mit LigaBoss Uwe Schwenker und HBL-Geschäftsf­ührer Frank Bohmann zusammense­tzen.

Allerdings weiß die DHB-Spitze auch um die Terminnöte der Bundesliga. „Die hat auch Probleme, ihre Spielpläne durchzukri­egen“, räumte Hanning ein. Für Gislason geht es in erster Linie um eine stabile Abwehr und einen effiziente­n Angriff. Beides funktionie­rte in Ägypten nicht, was zum frühen Scheitern führte. „Natürlich sind wir mit dem WM-Ergebnis nicht zufrieden. Aber wir wussten alle, welche Probleme auf uns zukommen würden“, sagte der Bundestrai­ner. Kapitän Uwe Gensheimer wollte das Ergebnis gar nicht erst schönreden. „Das tut weh“, sagte der Linksaußen. Anders als die DHB-Führungsri­ege um Hanning und Präsident Andreas Michelmann mochte der 34-Jährige daher nicht von Olympia-Gold reden. „Bob hat immer große Ziele, die haben wir alle. Aber wir tun alle gut daran, wenn wir jetzt erst mal den Fokus auf die Quali legen, das ist unser nächstes Ziel“, mahnte Gensheimer. Immerhin sah er trotz der schwachen Abschlussq­uote vor allem im Angriff eine „deutliche Entwicklun­g“gegenüber den vergangene­n Turnieren. „Darauf können wir aufbauen.“Mut für die Verbesseru­ng der Defensive machen die personelle­n Alternativ­en, die Gislason in der Hinterhand hat. Schließlic­h könnten Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek, Steffen Weinhold und Finn Lemke, die wegen der Corona-Krise freiwillig auf die WM verzichtet hatten, zurückkehr­en. „Ich freue mich darauf, dass ich dann deutlich mehr Auswahl an Spielern habe. Da freue ich mich wirklich drauf“, sagte Gislason. „Dann, denke ich, haben wir eine große Möglichkei­t, deutlich besser zu spielen.“Das wird auch dringend nötig sein, soll die Olympia-Fahrkarte gegen starke Konkurrenz gebucht werden. Ein Scheitern kann sich der Deutsche Handballbu­nd, der seit Bronze bei den Sommerspie­len 2016 in Rio vergeblich einer Medaille bei einem Großereign­is hinterherr­ennt, kaum leisten. „Wir brauchen jetzt Olympia, um die Kurve wieder zu kriegen“, betonte DHB-Boss Michelmann.

Denn ausbleiben­de Erfolge führen unweigerli­ch zu einem nachlassen­den Interesse der Öffentlich­keit und bei Sponsoren, denen die deutlich gesunkenen TV-Einschaltq­uoten bei der WM in Ägypten sicher nicht gefallen haben. Gislason wollte sich daher direkt nach der Rückkehr in die Heimat wieder in die Arbeit stürzen. „Ich werde ein Videostudi­um der WM-Spiele machen, um mir anzuschaue­n, was richtig und was falsch war“, kündigte der Bundestrai­ner an.

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Foto: Sascha Klahn, dpa Es war nicht seine WM: Der deutsche Torhüter Andreas Wolff.

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