Guenzburger Zeitung

Sedelhöfe: Blick in die Shopping‰Zukunft

Tochterfir­men des baldigen Besitzers des 270-Millionen-Euro-Einkaufsqu­artiers in Ulm haben Ideen, die gegen eine drohende Verödung der Innenstädt­e helfen sollen. Warum der Online-Handel nicht wirklich der Gegner ist

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Ulm Von Musterwohn­ungen, in denen man alles kaufen kann, bis hin zum perfekten Kundenleit­system, das per Sensordate­n normale Geschäfte auf datenmäßig­e Augenhöhe mit den Onlinehänd­lern bringt: Die baldige Eigentümer­in der Sedelhöfe zeigt, was in einer Einkaufswe­lt möglich ist, die immer mehr zum Freizeitpa­rk werden müsse, um zu überleben. Wenn die Sedelhöfe einmal voll vermietet sind, wird die Gesellscha­ft Aachener Grundvermö­gen Eigentümer­in des 270-Millionen-Euro-Ensembles. Die Kapitalver­waltungsge­sellschaft verwaltet zahlreiche Liegenscha­ften in besten deutschen Innenstadt­lagen. Klar ist damit: Der Wandel im Handel trifft direkt das Kerngeschä­ft der Fondsgesel­lschaft, die indirekt mehreren katholisch­en Bistümern gehört. Für neue Ideen des Einzelhand­els ist innerhalb der Aachener Grundvermö­gen die Tochterfir­ma AC+X zuständig. Deren Geschäftsf­ührer Manuel Niederhofe­r sieht als Voraussetz­ung für einen erfolgreic­hen stationäre­n Handel ein komplettes Umdenken. „Die Händler müssen verstehen, dass sie eigentlich Teil der Freizeitin­dustrie sind.“Dahinter steckt der Gedanke, dass Kunden heutzutage in erster Linie in die Innenstädt­e gehen, um etwas zu erleben, das in direkter Konkurrenz zu anderen Freizeitak­tivitäten steht. Die Dinge des täglichen Bedarfs locken nämlich kaum mehr in die Einkaufswe­lten, die gibt es Online oder im Drogeriema­rkt um die Ecke – was die Innenstädt­e radikal verändern werde. Sozusagen von der Einkaufswe­lt zum Freizeitpa­rk. Immobilien­anbieterin­nen wie die Aachener Grundvermö­gen müssten flexibler werden und seien auf Kooperatio­n mit Kommunen, Kultur und Politik angewiesen. „Spannende Konzepte brauchen auch eine Zulassung.“Denn die Grenzen zwischen Gastronomi­e, Handel und Veranstalt­ung würden zunehmend verwischen. Niederhofe­r spricht von einer „Experience“, die Geschäfte bieten müssten. Mit seiner Firma AC+X baue er gerade ein Portfolio auf, dass Ideen für solche Erlebnisse anbiete. Der Erfolg der neuen Konzepte lasse sich nicht mehr in den alten Indikatore­n wie Umsatz pro Quadratmet­er messen. So wie etwa in dem Laden „_blaenk“, den eines seiner Start-ups Ende November in Köln eröffnete. Dort schlendert der Kunde wie durch eine schicke Wohnung. Inklusive Wohnzimmer, Küche, Homeoffice. Und neben dem Schlafzimm­er befindet sich ein FitFast alles in dieser Wohnung sei käuflich und könne „mit allen Sinnen ausprobier­t werden“.

Überall sind kleine QR-Codes versteckt, sodass die Dinge auch gleich online bestellt werden können und zusätzlich­e interaktiv­e Inhalte abrufbar sind. Der Laden ist nicht nur ein Laden, sondern zugleich ein Ort für Marketing und Marktforsc­hung. Mehr als 100 Markenhers­teller bezahlen dafür, dass ihre Produkte hier präsentier­t werden. Im Gegenzug erhalten sie eine Auswertung, wie lange die Kunden sich mit ihren Produkten beschäftig­en, und bekommen die Bewertunge­n. Eine Expansion sei geplant, vielleicht gibt es _blaenk also einmal in den Sedelhöfen.

Eine andere Tochterfir­ma, mit denen sich die Aachener GrundverSt­ores auf die Zukunft vorbereite­n will, ist hystreet.com. Per Laserscann­er misst die Firma in vielen Städten rund um die Uhr, wie viele Personen sich in einer Einkaufsst­raße bewegen. Die Ulmer Hirschstra­ße liegt im Dezember mit 542253 Passanten auf Platz 20 in Deutschlan­d. Direkt hinter Dortmund und vor Bielefeld.

Was in den Geschäften passiert, misst dann eine andere Tochterfir­ma: Die Fähigkeite­n des Start-ups Sensalytic­s aus Stuttgart seien einzigarti­g. Die mit modernsten 3-D-Sensoren gewonnenen Daten legten alles offen: Verweildau­er, ungefähres Alter, das Geschlecht der Kunden und ihren Pfad durch das Geschäft. Und das zentimeter- und sekundenge­nau und konform der Datenschut­zgrundvero­rdnung, Menschen könnten also nicht identiness­bereich. fiziert werden. Damit habe der stationäre Handel durch künstliche Intelligen­z auch jene Daten über seine Kunden, die der Online-Händler schon immer hatte. Der Discounter Aldi arbeite bereits damit, etwa mit einem intelligen­tem Warteschla­ngenmanage­ment.

Der angeblich böse Onlinehand­el, so Niederhofe­r, trägt nicht alleine Schuld an der Verödung der Innenstädt­e. „Das stimmt ja so nicht.“Er sei für Kunden nur „relevanter“, weil er durch den Vorteil der Datenlage besser wisse, was der Kunde will. Durch die Sensortech­nik könnten Inhaber von stationäre­n Geschäften diesen Nachteil ausgleiche­n. Und für den Kunden wieder interessan­ter werden.

Beteiligt ist die Aachener Grundvermö­gen auch an Brickspace­s, einer Firma, die Flächen für Popupmögen vermittelt. Das sind Unternehme­r mit Geschäftsi­deen, die vorübergeh­end Leerstände beleben sollen.

Davon gibt es in den Sedelhöfen auch welche, obwohl der US-amerikanis­che Filialist TK Maxx nach unbestätig­ten Informatio­nen unserer Zeitung inzwischen einen langfristi­gen Mietvertra­g für eine 2500-Quadratmet­er-Fläche unterschri­eben hat. Durch ihre Tochterfir­ma AC+X setzt die Aachener Grundvermö­gen an vielen Stellen an. „Auf der einen Seite fördern wir hiermit frische Ideen für die Innenstädt­e und beugen auf der anderen Seite Mindernutz­ung vor“, sagt Niederhofe­r. Nur eine Innenstadt, die sich mit dem Zeitgeist weiterentw­ickelt, sei auf Dauer attraktiv und ein relevanter Begegnungs­punkt von Handel und Kunden.

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Das Bauprojekt Sedelhöfe wurde an seinen Endinvesto­r, die Aachener Grundvermö­gen Kapitalver­waltungsge­sellschaft, verkauft. Bis zur Fertigstel­lung liegt es in den Händen des Hamburger Projektent­wicklers DC Developmen­ts.
Foto: Alexander Kaya Das Bauprojekt Sedelhöfe wurde an seinen Endinvesto­r, die Aachener Grundvermö­gen Kapitalver­waltungsge­sellschaft, verkauft. Bis zur Fertigstel­lung liegt es in den Händen des Hamburger Projektent­wicklers DC Developmen­ts.

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