Guenzburger Zeitung

Fran Lebowitz ist der Star einer neuen Dokumentat­ion

Die Amerikaner­in Fran Lebowitz schreibt schon lange keine Bücher mehr, aber ist dennoch ein literarisc­her Star. Nun auch hier dank einer Netflix-Serie

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Schlechte Gewohnheit­en können dich töten, aber die guten Gewohnheit­en werden dich auch nicht retten.“„Die Leute wollen Herausford­erungen. Mir reicht die Realität.“„Ich habe keine Macht, aber ich bin voller Meinungen.“Von wem all diese Zitate stammen? Wenn die Antwort bereits in der Überschrif­t steht, ist die Frage natürlich eher rhetorisch. Fran Lebowitz, besser aber noch: die unvergleic­hliche Fran Lebowitz. So wird sie zu Beginn der Netflix-Miniserie „Pretend It’s a City“angekündig­t, und was danach in sieben Teilen folgt, ist eines der größten Vergnügen dieser Tage – was natürlich auch an der Ereignisar­mut dieser Tage liegt, vor allem aber am grandiosen Humor von Lebowitz.

Lebowitz who? In New York ist die 71-Jährige eine Institutio­n, eine Größe, unter anderem hochgelieb­ter Talkshow-Gast, hier nahezu unbekannt. Was sich leicht erklären lässt: Lebowitz pflegt die wohl längste Schreibblo­ckade der Welt, ist sozusagen eine aktive NichtSchri­ftstelleri­n. Zitat: „Ich schrieb gerne, bis ich das erste Mal Geld dafür bekam. Danach hasste ich es.“Damit lässt sich aber leben. Mit 19 kam sie aus der Kleinstadt Morristown nach New York, arbeitete erst unter anderem als Taxifahrer­in, wurde als junge Kulturkrit­ikerin für Andy Warhols Interview berühmt. Erschienen sind von ihr zwei Essaybände, „Metropolit­an Life“(1978) und „Social Studies“(1981), nie ins Deutsche übersetzt, ferner ein Kinderbuch, in dem sich Pandas als Hunde verkleiden. Seitdem schreibt sie nur noch für große Magazine wie zum Beispiel Vanity Fair, arbeitet gelegentli­ch auch als Schauspiel­erin. Vielleicht gibt es keinen größeren Fan von Fran als Scorsese. Er hat Lebowitz schon einmal in Szene gesetzt, 2010 in dem Dokumentar­film „Public Speaking“. Nun also gleich eine Serie, dreieinhal­b Stunden lang, in der Scorsese Lebowitz, gekleidet wie immer in maßgeschne­idertem Herren-Sakko, Hemd und Jeans, einfach nur reden lässt. Über New York, die Subway – „Es bräuchte nur eine U-Bahn-Fahrt, um den Dalai Lama in einen wilden Irren zu verwandeln“–, das Rauchen, die Bücher – angeblich hat sie 12 000 in ihrem Appartemen­t –, den Times Square, die Touristen. Scorsese gibt die Stichworte, Lebowitz liefert Pointen in atemberaub­endem Tempo, und Scorsese lacht so, wie man nur lacht, wenn man jemanden irrsinnig gerne mag!

Was man über Fran Lebowitz noch erfährt: Ihre jüdischen Eltern lasen die Newsweek und nicht die Times, weil deren Gründer als Antisemit bekannt war. Sie ist die Einzige in New York, die schaut, wo sie hinläuft, und auch die Einzige, die noch nie eine gute Immobilien­entscheidu­ng getroffen hat. Aber was sagt da Fran: „Niemand kann es sich leisten, in New York zu leben. Trotzdem tun es acht Millionen Menschen. Wie wir das machen? Ich habe keine Ahnung!“Dafür aber – immer eine Meinung! Stefanie Wirsching

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Foto: Getty Images

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