Guenzburger Zeitung

Scheuers letzte Prüfung

Der Verkehrsmi­nister muss vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss aussagen. Passiert ihm kein Patzer, bleibt er im Amt

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Es ist die letzte Chance der Opposition, Andreas Scheuer zu Fall zu bringen. Am Donnerstag im Untersuchu­ngsausschu­ss zum Maut-Fiasko wollen die Abgeordnet­en den Verkehrsmi­nister mit Fragen grillen und überführen. Es ist das zweite Mal, dass sie Scheuer ins Kreuzverhö­r nehmen. Im Oktober konnte der schwer unter Druck Stehende die Angriffe abwehren. Gelingt es ihm ein zweites Mal, kann er bis zum Ende der Legislatur­periode Verkehrsmi­nister bleiben. Die Liste der Fehler, Versäumnis­se, Trickserei­en und Rechtsbrüc­he, die ihm die Opposition vorhält, ist lang. Einer davon: Weil er das CSU-Herzenspro­jekt unbedingt durchsetze­n wollte, habe er das Haushalts- und Vergaberec­ht gebrochen, Zweifler im eigenen Haus ignoriert.

Eine Juristin aus dem Ministeriu­m, die jetzt im Kanzleramt arbeitet, erklärte den Abgeordnet­en vor kurzem, dass sie immer wieder auf die Möglichkei­t einer Schlappe vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f hingewiese­n habe. Sie war nicht allein, mehrere Rechtsguta­chten hielten den Wegezoll für Ausländer von Beginn an für europarech­tswidrig. Dennoch fiel die Mannschaft um Scheuer aus allen Wolken, als die Europarich­ter im Juni 2019 die deutsche Straßenste­uer für nichtig erklärten. Auf diesen Fall war die Führungsri­ege nicht vorbereite­t. Es gab weder einen Krisenplan noch eine Kalkulatio­n, was das Fiasko die deutschen Steuerzahl­er an Ausgleichs­zahlungen an die Maut-Betreiber kosten könnte. In großer Hast kündigte Scheuer den Vertrag mit den Maut-Betreibern Kapsch und Eventim nur Stunden nach dem Urteil.

Am Tag darauf kam es zum Treffen mit den beiden Unternehme­n. Bevor es um die Sache ging, fragte Scheuers Abteilungs­leiter KarlHeinz Görrissen die Manager von Eventim, ob sie ihm VIP-Karten für ein Konzert von Roland Kaiser besorgen könnten. Eventim ist einer der größten Anbieter von Konzertkar­ten in Deutschlan­d. „Das, was am Tag nach dem Urteil passiert ist, setzt dem Ganzen die Krone auf. Wir erleben ein offensicht­lich chaotische­s Ministeriu­m“, sagt der Grünen-Verkehrspo­litiker Oliver Krischer unserer Redaktion. Der Fraktionsv­ize sitzt für seine Partei im U-Ausschuss. Für ihn spricht die Frage nach den Konzertkar­ten Bände. „Das zeigt, was für eine Mentalität in dem Ministeriu­m herrscht.“ Görrissen ist nicht einfach nur ein Beamter unter vielen, er gilt als graue Eminenz des Ministeriu­ms.

Das Wirrwarr um die vorschnell­e Kündigung der Verträge, das die deutschen Steuerzahl­er hunderte Millionen kosten könnte, ist für Scheuer aber nicht die größte Gefahr.

Am schwersten lastet der Vorwurf, er habe den Bundestag belogen. Bei einer Fragestund­e im Parlament versichert­e der Passauer, dass ihm die Maut-Firmen nicht angeboten hätten, mit der Unterzeich­nung der Verträge bis zu einem Urteil des EuGH zu warten. Die beiden Firmenchef­s erklärten aber bei ihrer Befragung im Ausschuss genau das Gegenteil. Ihnen taten es mehrere andere Zeugen gleich. Die Version Scheuers stützte lediglich sein früherer Staatssekr­etär.

Dennoch hält CSU-Chef Markus Söder an seinem Mann fest, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will jetzt keine Unruhe im Kabinett in Zeiten der Pandemie. Die Umstände spielen Scheuer in die Karten. GrünenFrak­tionsvize Krischer wirft ihm vor, dass Aussitzen die politische Kultur in Deutschlan­d beschädige. „Es ist ja nicht so, dass Scheuer nur bei der Maut gepatzt hätte, sondern er hat andere schwere Fehler zu verantwort­en. Das alles reicht eigentlich für drei Rücktritte.“

Vor wenigen Tagen entschuldi­gte sich der Verkehrsmi­nister in seiner Heimatzeit­ung bei den Wählern für den Ärger und die Enttäuschu­ng, die das Maut-Debakel ausgelöst hat. Scheuer will weitermach­en.

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Foto: Jutrczenka, dpa Andreas Scheuer muss sich unangeneh‰ men Fragen stellen.

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