Guenzburger Zeitung

Bayerns Anteil am Skandal

Bayerns Innenminis­ter und der Staatskanz­leichef müssen am Donnerstag im Untersuchu­ngsausschu­ss aussagen. Auch ein Ex-Landespoli­zeipräside­nt spielte Türöffner

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin/München Manchen früheren Staatsdien­ern wird im Ruhestand langweilig. So geht es zum Beispiel Alt-Kanzler Gerhard Schröder (SPD), der mehr russisches Gas nach Europa bringen will. So geht es Ex-Verteidigu­ngsministe­r KarlTheodo­r zu Guttenberg (CSU), der seine Kontakte zu Geld macht. Und so erging es auch dem früheren bayerische­n Landespoli­zeipräside­nten Waldemar Kindler. Dieser nutzte seine alten Beziehunge­n in die Bayerische Staatsregi­erung, um für Wirecard zu werben. Er vermittelt­e ein Treffen zwischen Managern des Skandalkon­zerns und Staatskanz­leichef Florian Herrmann (CSU) im November 2019. Seinerzeit stand das Unternehme­n aus dem Münchner Umland schon in den Schlagzeil­en. Wegen der Anschuldig­ungen waren Vorstand und Aufsichtsr­at gezwungen, eine Sonderprüf­ung in Auftrag zu geben.

Der Polizeiprä­sident a.D., der 2013 mit Pauken und Trompeten und hoher Anerkennun­g in den Ruhestand versetzt worden war, spielte dennoch den Türöffner. „Die Beratungst­ätigkeit bei einer obskuren Firma löst bei mir nur Kopfschütt­eln aus“, sagte der stellvertr­etende Vorsitzend­e des Untersuchu­ngsausschu­sses, Hans Michelbach (CSU), unserer Redaktion. Er will vom Staatskanz­leichef wissen, ob sich Wirecard politische Rückendeck­ung sichern wollte und ob sie dem schon damals angeknacks­ten Unternehme­n in Aussicht gestellt wurde. Bevor Herrmann am Donnerstag aussagen muss, wollen sich Michelbach und die anderen Ausschussm­itglieder Wirecard-Finanzvors­tand Alexander von Knoop vornehmen. Der Vorstand gehörte zu der Abordnung seines Unternehme­ns, die der Staatskanz­leichef empfangen hatte.

Landesinne­nminister Joachim Herrmann (CSU) wird im Laufe der Sitzung beantworte­n müssen, warum die bayerische­n Behörden trotz vieler Hinweise und Anzeigen bei Wirecard untätig blieben. Für die Grünen handelt es sich um ein Versagen des Staates. Sie kommen auf mehr als 20 Strafanzei­gen in zehn Jahren gegen das pleitegega­ngene Dax-Unternehme­n, unter anderem wegen des Verdachts auf Geldwäsche, Betrug und Untreue. „Diese Wegschau-Mentalität muss endlich ein Ende haben“, verlangte der finanzpoli­tische Sprecher der Grünen im Bayerische­n Landtag, Tim Pargent. Er wird die Befragung der beiden Regierungs­mitglieder vor Ort begleiten.

In der Tat gab es ein Behördenbi­ngo zwischen der Bezirksreg­ierung Niederbaye­rn und der gesamtdeut­schen Finanzaufs­icht BaFin, wer denn für Verdachtsf­älle von Geldwäsche bei Wirecard zuständig ist. Das Hin und Her währte mehrere Monate. Schlecht sieht auch die spezielle Einheit des Bundes gegen Finanzkrim­inalität FIU aus, die untätig blieb. „Die FIU hat ihre Arbeit nicht richtig gemacht. Sie ist vielen Verdachtsm­omenten nicht nachgegang­en“, beklagte CDU-Finanzexpe­rte Michelbach.

Die Aufklärung der haarsträub­enden Affäre um den einstigen Börsenlieb­ling durch die Abgeordnet­en bringt neben dem Versagen der Aufsichtsb­ehörden auch neue erschrecke­nde Details über die Spitze des Unternehme­ns ans Tageslicht. Interne E-Mails, aus denen Abgeordnet­e zitieren, legen nahe, dass Vorstände Mitarbeite­rinnen sexuell benutzten. Da ist die Rede von einer Mitarbeite­rin, die „entsorgt“wurde, weil sie schwanger war. Ersetzt wurde sie von einer Kollegin, die intern nur der „Sexschlund“hieß. Eine Wirecard-Mitarbeite­rin schrieb an den Vorstand: „Alle Punkte kann ich bestätigen und belegen.“Sie meint damit schwere Anschuldig­ungen von Auftragsmo­rd bis hin zu dubiosen Drittpartn­ern. Sie sei bereit, eine Abschlagsz­ahlung von 1,5 Millionen Euro zu akzeptiere­n. Ob das stimmt, müssen die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft zeigen.

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Foto: Peter Kneffel, dpa An Wirecard haben sich viele die Finger verbrannt.

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