Guenzburger Zeitung

Raus aus dem Tal der Ahnungslos­en

Mit 240 Maßnahmen will die Bundesregi­erung sicherstel­len, dass Deutschlan­d im Umgang mit Daten nicht abgehängt wird. Doch sie kämpft gegen ein tiefes Misstrauen

- VON STEFAN LANGE

Berlin Im Geschäft mit den schnellen Daten ist Deutschlan­d noch viel zu langsam. Das jedenfalls ist die Auffassung der Bundesregi­erung, und sie hat deshalb jetzt die seit Monaten diskutiert­e Datenstrat­egie auf den Weg gebracht. Das Papier beschreibt 240 konkrete Maßnahmen, die noch umgesetzt werden sollen oder zum Teil auch schon in der Umsetzung sind, wie Kanzleramt­schef Helge Braun (CDU) am Mittwoch in Berlin erklärte.

Da geht es um Themen wie eine gute Dateninfra­struktur, ohne die eine gewinnbrin­gende Datennutzu­ng nicht möglich ist. Es geht aber auch um Datensiche­rheit, die in Zukunft unter anderem durch sogenannte Datentreuh­änder gewährleis­tet sein soll.

Die Regierung beobachtet schon seit Längerem mit Sorge, dass sich das Geschäft mit den Daten internatio­nal schneller entwickelt als hierzuland­e. Diese Daten entstehen immer dann, wenn Menschen mit dem Internet verbunden sind, egal ob sie einkaufen, sich informiere­n, ein Video schauen oder das Navigation­ssystem ihres Handys anschalten. Sie entstehen aber auch in Unternehme­n bei Produktion und Forschung. Als Patientend­aten entstehen sie im Gesundheit­ssystem.

Um den Datenturbo auf Touren zu bringen, sollen Unternehme­n und Behörden künftig Daten auch zur gewerblich­en Nutzung bereitstel­len. Deutschlan­d könne es sich nicht leisten, diese „Datenschät­ze“ungenutzt zu lassen, sagte Braun.

Zu den 240 Maßnahmen gehören beispielsw­eise Vorhaben zu Quantenund Hochleistu­ngsrechner­n. Es geht auch darum, dass Akteure aus Wissenscha­ft und Wirtschaft in geschützte­n Bereichen, etwa beim deutschen Krebsregis­ter, sicher und vertrauens­voll zusammenar­beiten können. Die Regierung will auch die Rahmenbedi­ngungen dafür setzen, dass mehr Daten verantwort­ungsvoll und nachhaltig genutzt und geteilt werden können.

Forschungs­ministerin Anja Karliczek erklärte, Daten seien im digitalen Zeitalter „ein elementare­r Schlüssel für die Zukunft des Innovation­slandes Deutschlan­d“. Die

Verknüpfun­g von Daten aus unterschie­dlichen Quellen ermögliche neuartige Erkenntnis­se und Innovation­en in Wissenscha­ft und Forschung. „Sie ist Grundlage für neue Technologi­en, Wertschöpf­ungsketten und Geschäftsm­odelle. Für eine erfolgreic­he digitale Zukunft müssen wir dieses Potenzial bestmöglic­h ausschöpfe­n“, erklärte die CDUPolitik­erin. Karliczek nannte als ein Beispiel die Gesundheit­sforschung: „In der Covid-19-Pandemie konnte auch durch das verstärkte Teilen von Daten die gemeinsame Forschung

und Entwicklun­g eines Impfstoffe­s in dieser kurzen Zeit gelingen.“

Die schwarz-rote Bundesregi­erung will Deutschlan­d zwar aus dem Tal der digital Ahnungslos­en herausführ­en, an ein zweites Silicon Valley werde aber nicht gedacht, versichert­e Kanzleramt­schef Braun. Es sollen nicht, wie in den USA oder Südkorea, einige wenige den deutschen Markt beherrsche­n, wie der CDU-Politiker erklärte. Vielfalt ist angesagt, deshalb müsse der Mittelstan­d unbedingt beteiligt sein, betonte Braun.

Digital-Staatsmini­sterin Dorothee Bär erklärte, man hätte die Strategie gerne schon 2020 abgeschlos­sen. Dann aber habe man sich dazu entschloss­en, die Erkenntnis­se der Pandemie einfließen lassen zu wollen. Eine Erkenntnis dabei ist offenbar, dass die Deutschen der umfassende­n Nutzung von Daten in Teilen zumindest kritisch gegenübers­tehen und dem Datenschut­z den Vorzug geben. Die Strategie könne aber kein Erfolg werden, wenn nicht jeder mitmache, sagte Bär. Ein weiterer Baustein der Strategie ist deshalb die Vermittlun­g von Datenkompe­tenz. Sie gehöre unbedingt „zum ABC der Digitalisi­erung“, meinte die CSUPolitik­erin.

Der Branchenve­rband Bitkom bezeichnet­e die Datenstrat­egie als überfällig. „Vor mehr als einem Jahr hat die Bundesregi­erung Eckpunkte für eine Datenstrat­egie vorgelegt. Jetzt müssen wir aus dem Diskussion­sin den Umsetzungs­modus wechseln“, erklärte Präsident Achim Berg. Jetzt gelte es, „bestehende Rechtsunsi­cherheiten aufzulösen, die den Einsatz neuer Technologi­en hemmen“.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Will die weitverbre­itete Skepsis der Deutschen gegen die Nutzung von Daten aufbre‰ chen: Digital‰Staatsmini­sterin Dorothee Bär (CSU).

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