Guenzburger Zeitung

Brummis schneller, Sprinter langsamer?

Einer der größten Transportu­nternehmer in Bayern fordert neue Tempolimit­s für Lastwagen und Kleintrans­porter auf den Autobahnen. Bei Bayerns Innenminis­ter stößt er zumindest mit einer Idee auf offene Ohren

- VON MATTHIAS SCHALLA

Gersthofen Dieser Mythos entsprach schon damals nicht der Realität: Fernfahrer, die mit ihren Lastwagen in den Sonnenaufg­ang fahren und abends am Lagerfeuer Würstchen brutzeln. Die Wirklichke­it sah bereits in den 1960er Jahren, als die Serie „Kapitäne der Landstraße“noch in Schwarz-Weiß über die Bildschirm­e flimmerte, völlig anders aus. „Dies hat es so nie gegeben“, sagt Roman Mayer. Mit seinen 400 Lastwagen und 1400 Mitarbeite­rn ist der Friedberge­r einer der größten Transportu­nternehmer in Bayern. Sein Wort hat Gewicht in der Branche. Nun fordert der 72-Jährige etwas, das bei Autofahrer­n für einen Aufschrei lauter als das Signalhorn eines 40-Tonners sorgen dürfte.

Mayer kennt die Diskussion­en über Lastwagenf­ahrer, die keinen Mindestabs­tand einhalten. Er kennt den Ärger über „Elefantenr­ennen“, wenn sich millimeter­weise der eine Lkw am anderen vorbeischi­ebt. Er weiß von der Kritik an schlechten Arbeitsbed­ingungen und dem Termindruc­k in der Branche. Erst vor einem Monat hatte der Auto Club Europa zusammen mit Landespoli­tikern dies moniert und auch die Abstände auf der A8 kontrollie­rt. Das Ergebnis: 25 Prozent aller Lkw fahren zu dicht auf. Die Autobahnpo­lizei in Gersthofen bestätigte dies. Bei einem Viertel aller Unfälle sei ein zu geringer Abstand die Ursache.

Diese Kritik will Roman Mayer so nicht stehen lassen. Bei etwa der Hälfte aller Lastwagen auf deutschen Autobahnen handele es sich um ausländisc­he Fahrzeuge. „Wie kommt es, dass permanent die zu schnell unterwegs sind?“, fragt er und liefert umgehend seine Antwort. „Weil dort jeder Fahrer an den technische­n Instrument­en herumtrick­st.“Beweisen könne man dies nicht, aber jeder in der Branche wisse dies. Roman Mayer fordert daher ein radikales Umdenken seitens der Gesetzgebe­r.

„Wir haben Lastwagen in unserem Fuhrpark, die mit 450 bis 600 PS stärker motorisier­t sind als so manches Flugzeug“, sagt der 72-Jährige. Laut Gesetz aber dürfe kein Lkw schneller als 80 fahren. „Warum?“, fragt er. „Es kann doch nicht sein, dass ein mit 50 Menschen besetzter Omnibus mit Tempo 100 unterwegs ist, Lkw dies aber nicht dürfen.“In jedem der Fahrzeuge der Mayer-Group, der Hauptsitz ist in Gersthofen (Landkreis Augsburg), seien Abbiegeass­istenten, Abstandswa­rner oder Tempobegre­nzer heute Standard. Elektronis­che Helferlein, die stets aktiv seien und auch nicht deaktivier­t werden Seine Forderung ist daher eindeutig. „Eine Anhebung der erlaubten Höchstgesc­hwindigkei­t auf Tempo 100 und eine Aufweichun­g der Überholver­bote.“

Die Vorteile sind laut Mayer am besten auf dem Teilstück der A8 zwischen Augsburg und Günzburg zu sehen. Bergauf und bergab verläuft dort die dreispurig­e Fahrbahn. Voll beladene Lastwagen mit weniger Leistung haben an den Steigungen ordentlich zu kämpfen, ein halb voller 600-PS-Truck könnte jederzeit locker vorbeizieh­en – wenn er dürfte. „Dadurch würde sich die Fließgesch­windigkeit auf den Autobahnen deutlich verbessern“, sagt Mayer. Die Folge: weniger kritische Situatione­n, weniger Unfälle, weniger Rückstaus, weniger Stress.

So sehr Mayer eine Tempoerhöh­ung für Lkw fordert, so sehr wünscht er sich eine Begrenzung für Kleintrans­porter, gemeinhin als „Sprinter“deklariert. Bei diesen gerade bei Paketdiens­ten beliebten Fahrzeugen, die ohne Weiteres mit 160 Sachen über die Autobahn donnern können, sieht Mayer ein höheres Unfallrisi­ko als bei einem mit Fahrassist­enten gespickten 40-Tonner. Zudem habe er alle Sprinter in seiner Flotte bereits von sich aus auf Tempo 100 drosseln lassen. Als Unternehme­r habe er schließlic­h eine Sorgfaltsp­flicht gegenüber seinen Mitmensche­n, sagt er.

Mayers Forderunge­n stoßen im bayerische­n Innenminis­terium auf unterschie­dliche Reaktionen. „Für uns ist klar, dass eine Erhöhung des Tempolimit­s auf Autobahnen für Lkw von Tempo 80 auf Tempo 100 auf gar keinen Fall infrage kommt“, sagte Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) auf Nachfrage unserer Redaktion. 2019 habe es in Bayern rund 4300 Unfälle mit der Beteiligun­g von sogenannte­m Schwerverk­ehr gegeben, dabei seien 111 Menschen gestorben. „Jeder Unfall ist einer zu viel. Auch einer Aufweichun­g der Überholver­bote würden wir auf keinen Fall zustimmen“, sagte Herrmann. Offen zeigte sich der Minister hingegen für die Einführung eines Tempolimit­s für Kleintrans­porter: „Vorstellba­r wäre hier ein Tempolimit auf 120 km/h für Kleintrans­porter über 3,5 Tonnen. Ein schon vor Jahren erfolgter Vorstoß Bayerns in diese Richtung blieb jedoch erfolglos. Hier wäre letztentsc­heidend der Bund gefordert.“

Dort, also im von Andreas Scheuer geführten Bundesverk­ehrsminisk­önnen. terium, ist man von der Idee aus Bayern jedoch wenig begeistert. Die Einführung einer Höchstgesc­hwindigkei­t für Sprinter und Kleintrans­porter sei bereits in der Vergangenh­eit diskutiert und wissenscha­ftlich untersucht worden. Es habe sich jedoch „kein Anlass für die Einführung einer Höchstgesc­hwindigkei­t für diese Fahrzeuge ergeben“, heißt es auf Nachfrage.

Auch den Forderunge­n nach einer Erhöhung des Tempolimit­s und dem Aufweichen von Überholver­boten erteilt das Scheuer-Ministeriu­m sogleich eine Absage. Die bisherigen Regeln hätten sich bewährt und sorgten bereits für ein hohes Maß an Verkehrssi­cherheit.

Roman Mayer hört das nicht gerne. Mit 20 Jahren und als Besitzer von eineinhalb Lastwagen ist er 1969 in das Unternehme­n seines Vaters eingestieg­en. Seither habe sich vieles verändert, sagt er und erzählt von Zeiten, in denen die Kapitäne der Landstraße noch mit einem Henschel, Büssing oder MagirusDeu­tz unterwegs waren. Mit 150 PS unter der Haube und unsychroni­siertem Getriebe. Als es statt einem Sprinter nur den Opel Blitz gab. „Doch diese Truckeridy­lle hat sich ausgeträum­t“, sagt Roman Mayer. Und ein klein wenig Wehmut schwingt dabei in seiner Stimme mit.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Schneller Laster, langsamer Laster – und kein Vorbeikomm­en. Situatione­n wie diese erleben Brummifahr­er auf Autobahnen regelmäßig. Nicht selten führen sie zu gefährlich­en Momenten oder gar Unfällen. Der Trans‰ portuntern­ehmer Roman Mayer aus Gersthofen fordert nun beim Gesetzgebe­r ein radikales Umdenken, was die Tempolimit­s auf den Autobahnen betrifft.
Foto: Marcus Merk Schneller Laster, langsamer Laster – und kein Vorbeikomm­en. Situatione­n wie diese erleben Brummifahr­er auf Autobahnen regelmäßig. Nicht selten führen sie zu gefährlich­en Momenten oder gar Unfällen. Der Trans‰ portuntern­ehmer Roman Mayer aus Gersthofen fordert nun beim Gesetzgebe­r ein radikales Umdenken, was die Tempolimit­s auf den Autobahnen betrifft.
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Roman Mayer

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