Guenzburger Zeitung

Ein Heft für Ganghofer

Die ausgefalle­ne Tagung für den Dichter gibt es nun in gedruckter Form

- VON STEFAN DOSCH

Eine Corona-Spätfolge ist zu vermelden, eine freilich, der man durchweg gute Seiten abgewinnen wird. Vergangene­n Sommer, im Jahr der 100. Wiederkehr des Todestages von Ludwig Ganghofer, hätte in Erinnerung an den einstigen Erfolgssch­riftstelle­r eine Tagung in Tegernsee stattfinde­n sollen, die jedoch der Pandemie wegen abgesagt werden musste. Jetzt ist unter dem Dach der Zeitschrif­t Literatur in Bayern ein Sonderheft erschienen, welches die Tagungsbei­träge in gedruckter Form doch noch der Öffentlich­keit zugänglich macht (Allitera Verlag, 82 S., 7,50 ¤).

Die Tagung war ein Augsburger Projekt, Ulrich Hohoff, Direktor der Universitä­tsbiblioth­ek, und Klaus Wolf, Lehrstuhli­nhaber für deutsche Literatur, die treibenden Kräfte. Im Heft weisen sie einleitend darauf hin, dass nach dem kurzfristi­g erweckten Interesse an Ganghofer zu dessen 150. Geburtstag im Jahr 2005 die Lust an der Beschäftig­ung mit dem früheren Bestseller­autor weitgehend wieder erloschen sei – obwohl die Rezeption des Werks doch nach wie vor „reichlich Material“bereitstel­le.

So geht Ulrich Hohoff in seinem Beitrag der Frage nach, wie Ganghofer sein großes Publikum zu gewinnen vermochte. Das ausgehende 19. Jahrhunder­t, in dem Ganghofers Erfolgskur­ve zu steigen begann, war die Zeit des einsetzend­en Alpentouri­smus, womit auch eine (populär-) künstleris­che Auseinande­rsetzung mit der Welt der Berge, in der Literatur wie in diversen Genres der bildenden Kunst, einherging. In diesem Rahmen lieferte Ganghofer mit seinen „Hochland“-Romanen einem erholungsb­edürftigen städtische­n Publikum die Kulissen einer scheinbar ursprüngli­ch gebliebene­n Natur- und Lebenswelt.

Wie aber gelang es dem Schriftste­ller mit seinen Alpen-Geschichte­n, in denen er vom lokalen Dialekt durchaus Gebrauch machte, von einer Leserschaf­t auch nördlich des Mains verstanden zu werden? Ganghofer, der als gebürtiger Kaufbeurer und aufgewachs­en in Welden bei Augsburg sprachlich durch das Alemannisc­h-Schwäbisch­e geprägt war, schuf sich, wie Klaus Wolf darlegt, sein eigenes „Kunstbaier­isch“, eine abgemilder­te und damit im gesamten deutschen Sprachraum verständli­che phonetisch­e Umschrift des faktischen Alpendiale­kts.

Es gibt weitere interessan­te Beiträge. Peter Czoik untersucht Ganghofers Sicht auf das Judentum und kommt zu dem Ergebnis, dass nicht nur der Autor selbst weit entfernt vom seinerzeit weithin gängigen Antisemiti­smus war, sondern Ganghofer jüdische Figuren, die in seinen Romanen auftreten, alles andere als herabsetze­nd, vielmehr mit Empathie zeichnet. Waldemar Fromm wiederum zeigt in seinem Artikel am Beispiel Ganghofers, Hofmannsth­als und Hermann Bahrs, dass sich Alpenliter­atur und literarisc­he Moderne privat keineswegs aus dem Weg gingen, auch wenn sie ästhetisch verschiede­ne Richtungen einschluge­n. In der Summe ist das Heft ein aufschluss­reicher Nachtrag zum Ganghofer-Jubiläum, obendrein ansprechen­d bebildert.

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Foto: Stadtmuseu­m Kaufbeuren Schwabe mit Sinn fürs Bairische: Ludwig Ganghofer.

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