Guenzburger Zeitung

Helmpflich­t für Radler – kann das sinnvoll sein?

Anderswo gibt es sie längst. Deutsche Experten sehen die Helmpflich­t kritisch. Und haben eine neue Idee

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Goslar Der Präsident des Deutschen Verkehrsge­richtstags, Ansgar Staudinger, hat sich gegen eine Helmpflich­t für Fahrradfah­rer ausgesproc­hen. Eine gesetzlich­e Verankerun­g könnte dem Trend zum Radfahren entgegenwi­rken, sagte er vor dem Verkehrsge­richtstag an diesem Donnerstag und Freitag in Goslar. „Wir erlauben jedem, sich selbst zu gefährden.“

Dies ergebe sich aus der im Grundgeset­z verankerte­n freien Entfaltung der Persönlich­keit. Es bräuchte triftige Gründe, damit der Staat da eingreifen dürfte, sagte Staudinger. Ein Beispiel dafür sei die Einführung der Anschnallp­flicht im Auto. Anders in Australien: Dort schreibt der Staat den Menschen vor, sich zu schützen. Wer ohne Helm auf dem Rad erwischt wird, muss mit mehreren hundert Dollar Strafe rechnen.

In Deutschlan­d müsste ein solcher Eingriff verhältnis­mäßig sein, betonte der Verkehrsex­perte. Es gebe mildere Mittel als eine bußgeldbel­egte Fahrrad-Helmpflich­t – „zum Beispiel Infokampag­nen von Verbänden und wohldurchd­achte Werbeaktio­nen des Staates“. Die Kampagne des Bundesverk­ehrsminist­eriums, in der halbnackte Models im Bett einen Fahrradhel­m trugen, sei indes ein „Rohrkrepie­rer“gewesen, sagte Staudinger. Und es geht auch anders: „Man hat ja auch geschafft, dass auf Skipisten keiner einen Helm uncool findet.“

Dass der deutsche Staat auch zum Eigenschut­z verdonnern kann, zeigt die Anschnallp­flicht im Auto. Die wurde 1976 auf Vordersitz­en zum Gesetz. „Stimmt“, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallfors­chung der Versichere­r. Die Gurtpflich­t habe im ersten Jahr mehr als 1500 Leben gerettet. Nur sei die Zahl der Fahrradtot­en weit niedriger als die der Opfer von Autounfäll­en: 400 Radunfälle pro Jahr gingen tödlich aus. Aber: Wenn alle einen Helm trügen, könnten davon schätzungs­weise 100 überleben.

Selbst wenn eine Helmpflich­t mit dem Grundgeset­z vereinbar wäre, hätten „wir nicht die polizeilic­hen Kapazitäte­n, das zu kontrollie­ren“, argumentie­rt Brockmann. Zudem müsste klar sein, was als Helm gilt und was nicht. In Berlin landete ein

Fall vor Gericht, in dem ein Motorrolle­r-Fahrer statt eines Helms einen Turban trug.

Gerichte könnten die Menschen auch ohne gesetzlich­e Pflicht zum Tragen eines Helms bewegen, ist Juraprofes­sor Staudinger überzeugt. Wie? Indem Radfahrer nach einem Unfall vor Gericht Mitschuld bekommen. So könnte das Gericht etwa einem E-Bike-Fahrer, der von einem Auto angefahren wird und sich am Kopf verletzt, sagen: „Du hättest mit Helm fahren können.“In der Folge könnte der Radfahrer nicht 100 Prozent Schadeners­atz geltend machen, sondern weniger. Das wäre ein Lerneffekt für die Menschen, sagt Staudinger.

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Foto: Kahnert, dpa Allheilmit­tel Fahrradhel­m? Experten be‰ zweifeln das.

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