Müssen Reiter mit Räumungsklage rechnen?
Wo der Reit- und Fahrverein Günzburg seinen Sport betreibt, könnte ein Parkhaus für Klinikbesucher entstehen
Günzburg Es ist eine vertrackte Geschichte, die mit einem Teil des 35 Hektar großen Geländes zu tun hat, auf dem sich das Günzburger Bezirkskrankenhaus ausbreitet. Denn im Osten dieser weitläufigen Flächen, die die Bezirkskliniken Schwaben wirtschaftlich verwerten dürfen, hat der Reit- und Fahrverein (RuFV) Günzburg seine Heimat gefunden, wenngleich eine geliehene. Die Reiter sollen seit Jahren bereits Platz machen, damit die Kliniken den Grund nutzen und sich weiterentwickeln können.
Konkret geht es darum, unter anderem das Parkflächenangebot auf dem Areal zu verbessern. Daran ist auch die Stadt Günzburg interessiert, denn Besucher unterscheiden nicht, ob ihr Ziel nun die Kreisklinik oder das Bezirkskrankenhaus ist. Aber sie ärgern sich darüber, lange nach einem Parkplatz suchen zu müssen. In der Parkharfe im Eingangsbereich zum Gelände – dort, wo es an einem Flecken mit 344 mit Abstand die meisten Plätze gibt, war in Vor-Corona-Zeiten häufig nichts mehr zu bekommen. Ein Parkhaus im nordöstlichen Anschluss an diesen großen Parkplatz könnte Abhilfe schaffen. Nur da sind die Reiter.
Die Geduld, nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen, scheint erschöpft. Thomas Düll, der scheidende Vorstandsvorsitzende der Bezirkskliniken Schwaben, spricht es offen aus: „Es hilft dann wohl nur noch eine Räumungsklage.“Der Klinikmanager nennt es unverantwortlich den Mitgliedern des Vereins gegenüber, wenn der Vorsitzende sich seit Jahren sperre. Das sei ein falscher Weg und gefährde die Existenz des Vereins. Der Pachtvertrag ist bereits vor drei Jahren ausgelaufen und nicht verlängert worden. Dennoch überweist Vereinschef Thomas Lang viermal im Jahr die Pacht von insgesamt 6500 Euro. Nur: Die Bezirkskliniken nehmen die per Dauerauftrag transferierten Beträge seit der Aufkündigung des Vertrages nicht mehr an. Das Geld landet wieder beim Absender. Keiner der Akteure will seine Rechtsposition vor einer möglichen juristischen Auseinandersetzung schwächen, deshalb die vordergründig sinnlosen Überweisungen. Allein das ist schon ein Beleg für die verfahrene Situation.
Lang spricht von zwei Lösungen, an denen gearbeitet worden sei. Zum einen habe der Bezirk Schwaben ein Areal in unmittelbarer Nachbarschaft angeboten. Doch die 80000 Quadratmeter, von denen es am Anfang geheißen habe, man könne sie in Erbbaurecht bekommen, sind nach den Worten des Vereinschefs dann nur noch zum Kauf angeboten worden. Und das übersteige die Mittel des Reitvereins bei Weitem. „Manche Kommunalpolitiker glauben, von unseren 220 Mitgliedern sind 219 Millionäre und die Finanzierung eines solchen Umzugs ist ein Klacks. Dem ist mitnichten so.“Lang ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Er beziffert die Gesamtkosten eines möglichen Wegzugs auf 1,5 bis 1,8 Millionen Euro. Mit mehr als 200000 Euro Fördermittel rechnet er nicht. „Den Rest müssen wir selbst aufbringen. Ich kenne keinen Verein im Landkreis, der eine vergleichbare Größenordnung beitragen muss.“
Auch der zweite Versuch, an dem seit Längerem gearbeitet worden ist, war nicht von Erfolg gekrönt. Es geht um Flächen in Richtung Niederstotzingen. Der Verein hätte mit einer kirchlichen Stiftung handelseinig werden und ein privates Grundstück kaufen sollen. Weitere Grundstücke wären von der Stadt zur Verfügung gestellt worden. Und nach Grundstückstauschen hätte ein zusammenhängendes Gelände für die Reiter bestanden. So weit kam es nicht. Denn Lang sollte bis Ende November seine Planung und eine abgeschlossene Finanzierung vorlegen, den Privatgrund gekauft und die Erbbaupacht mit der Kirchenstiftung geregelt haben, wie er sagt. Das war ihm nach eigenen Worten nicht möglich, weil mit der Lebenshilfe ein potenzieller Mitfinanzier am letzten Novembertag abgesagt und sich die Kirchenstiftung erst kurz vor Weihnachten gemeldet habe. Zudem wisse er bis heute nicht, welche Konditionen sich die Stadt Günzburg bei der Erbbaupacht für ihre Flächen vorstelle. Den Verantwortlichen der Stadt (Lang erwähnt Oberbürgermeister Gerhard Jauernig, Dritten Bürgermeister Anton Gollmitzer und Juristin Friederike Kurtenbach namentlich) dankt er für die Bemühungen, „sonst wären wir bis heute nicht so weit gekommen“. Gleichzeitig zeigt er sich verwundert, dass der OB in einem Schreiben an ihn seine „große Enttäuschung“ausgedrückt habe. Die genannten Gründe und die Unsicherheit, die mit der Corona-Krise verbunden sei, lässt den Vorsitzenden des Vereins vorsichtig agieren.
Andere sehen darin ein Spiel auf Zeit, das zu keinem guten Ende führe. Lang will mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden der Bezirkskliniken, Stefan Brunhuber, ins Gespräch kommen und die Situation schildern. Vorgänger Düll hat die Gelegenheit bereits gehabt. Bei der Übergabe in dieser Woche war auch dieses Thema auf der Agenda. Und ein erfahrener Kommunalpolitiker, der nicht genannt werden will, ist überzeugt, dass sich mit dem Wechsel an der Spitze der Bezirkskliniken der Kurs gegenüber dem Verein Günzburg nicht ändert. Er benutzt ein Bild aus der Luftfahrt: „Der Pilot ist ein anderer, aber das Flugzeug fliegt in dieselbe Richtung.“