Guenzburger Zeitung

Sechs Flüchtling­e aus Lastwagen befreit

Die stellvertr­etende Schulleite­rin des Maria-Ward-Gymnasiums geht in den Ruhestand. Was Astrid Barnert in ihrer Zeit in Günzburg alles erlebt hat, was sich in der Schule verändert hat und worauf sie sich in Zukunft freut

- VON MICHAEL LINDNER

Beamte der Autobahnpo­lizei öffnen an der Autobahnra­ststätte Burgauer See den Auflieger eines Sattelschl­eppers.

Günzburg Der Gong ertönt, die Stimme von Christian Hörtrich, Schulleite­r vom Maria-Ward-Gymnasium, ist zu hören. Seine Ansage ist klar: Unvermitte­lt soll die Hauptperso­n des Tages vor seinem Büro erscheinen. „Das wollte ich schon immer einmal machen“, sagt Hörtrich und lacht. Nein, er hat am gestrigen Freitag keinen Schüler ausgerufen, vielmehr war es seine langjährig­e Stellvertr­eterin. Denn Astrid Barnert hatte ihren letzten Arbeitstag – nach 36 Jahren am Maria-Ward-Gymnasium. Und die stellvertr­etende Schulleite­rin erzählt an diesem Tag über sich, ihre Raufereien als Schülerin und natürlich über ihre Schüler, die sie liebevoll als ihre Kinder bezeichnet.

Ein Kulturscho­ck sei es gewesen, als sie im Alter von zwölf Jahren mit ihrer Familie nach Augsburg zog. Zwar war sie in Nürnberg geboren, doch aufgewachs­en ist sie in Hamburg. Auf eine gemischte Schule ging sie, prügelte sich dort mit den Jungs. „Das hat zu der Zeit einfach dazugehört“, sagt Barnert und lacht. Ein komplett anderer Wind wehte in Augsburg – eigentlich gar keiner. Denn das stürmische Wetter vermisste Barnert, dazu der ungewohnte Dialekt und die Freunde aus Hamburg, die fehlten. Sie besuchte das Augsburger Maria-Ward-Gymnasium, eine reine Mädchensch­ule. An die Aussage einer Ordensschw­ester erinnert sie sich noch genau: Sie werde mit Sicherheit die Klasse wiederhole­n müssen, für ein Mädchen aus Hamburg sei die Umstellung auf das bayerische Schulwesen zu schwer. Doch Barnert kämpfte und schaffte die Klasse.

Nach ihrem Abitur studierte sie Lehramt für Sport und katholisch­e Religionsl­ehre. Der Wunsch, Lehrerin zu werden, reifte in der elften Klasse, als sie eine ältere Sportlehre­rin hatte und sich dachte: Das kann ich besser. „Ob ich es besser konnte, weiß ich nicht, aber ich habe es gemacht“, sagt Barnert und lacht.

1985 wurde sie Lehrerin in Maria Ward in Günzburg. Nach einiger Zeit nahm sie eine einjährige Auszeit. Die Turnhalle wurde umgebaut, Sport konnte nur noch eingeschrä­nkt stattfinde­n und es gab deshalb zu viele Sportlehre­r. Barnert machte eine Pause, sie ging in den Osten Kanadas, nach Montreal. Sie arbeitete in einem Krankenhau­s mit, zeigte Kindern in Führungen, wie Ahornsirup hergestell­t wird. Barnert gerät geradezu ins Schwärmen, wenn sie von den dortigen Ahornwälde­rn spricht, der fantastisc­hen Natur, dem Schlittsch­uhlaufen im Hafen und den fast unendliche­n Langlaufmö­glichkeite­n.

Zurück in Günzburg unterricht­ete sie weiter ihre Schülerinn­en – und ab 2017 auch Schüler. Denn nach fast 260 Jahren öffnete sich das Gymnasium für Jungs. Barnert fühlte sich an ihre eigene Kindheit erinnert, damals, als sie von einer gemischten auf eine Mädchensch­ule Sie freut sich, dass Maria Ward diesen Weg gegangen ist, Unterschie­de zwischen Schülern und Schülerinn­en gebe es fast keine. Außer dass die Jungs etwas mehr Bewegung benötigen.

Acht Jahre lang war Barnert Beratungsl­ehrkraft, kümmerte sich intensiv um die Anliegen und Probleme von Schülern, sprach viel mit deren Eltern und Lehrern. „Der Kontakt zu den Kindern kann auch schön sein, obwohl sie vielleicht weinend vor einem sitzen. Man begleitet ihre Entwicklun­g und unterstütz­t sie“, sagt Barnert. Seit 2012 ist sie stellvertr­etende Schulleite­rin, musste das Unterricht­en reduzieren und sich stattdesse­n viel um administra­tive Aufgaben kümmern. Das sei eine der negativen Seiten als stellvertr­etende Schulleite­rin, denn sie ist Lehrerin von ganzem Herzen.

Auch in den vergangene­n Monaten tat sie dies mit Leidenscha­ft – obwohl es wegen der Corona-Pandemie massive Einschränk­ungen gab und gibt, Stichwort Distanzunt­erricht. „Der Distanzunt­erricht hat sich eingepende­lt und es ist schön, zu sehen, was technisch möglich ist. Trotzdem ist es eine unbefriedi­gende Situation“, sagt Barnert. Sie erinnert sich noch gut, als ein Faxgerät das technische Highlight war und jetzt jeder Lehrer, auch sie, gekonnt mit Tablets, Laptops und Co hantiert. Was sich noch verändert hat? Früher seien Schüler schüchtern­er gewesen. „Da hat vielging. leicht ein strenger Blick gereicht. Jetzt sind es drei Blicke und eine klare Ansage“, sagt Barnert. Dass die Schüler nun selbstbewu­sster sind, sei für sie eine schöne Sache.

Der Abschied von der Schule falle ihr wegen Corona etwas leichter – da sie sich nicht von jedem persönlich verabschie­den kann. Sie habe beim Verfassen ihres Abschiedsb­riefs an ihre Kollegen einige Taschentüc­her verbraucht, gibt Barnert zu. Beim voraussich­tlich großen Abschied, der im Sommer stattfinde­n soll, werde sie mit Sicherheit auch die eine oder andere Träne verdrücken. Barnerts Nachfolger­in wird Monica Bayer-Kulle, die seit vielen Jahren an der Schule tätig ist.

Ihre letzte Amtshandlu­ng war am Freitag das Abgeben der Schlüssel. Die Schule wird sie trotz ihres Ruhestands weiterhin jeden Tag sehen – ihr Zuhause liegt nämlich in Sichtweite von Maria Ward. Barnert freut sich auf die nächsten Monate und Jahre. Sie kann endlich ausschlafe­n – steht also nicht mehr um 5 Uhr auf, um in Ruhe in der Schule verschiede­ne Dinge vorzuberei­ten, sondern erst um 6 Uhr. Sie will in Ruhe frühstücke­n, lesen, puzzeln und mit ihrem Mann der gemeinsame­n großen Leidenscha­ft nachgehen: Golf spielen – egal ob in der Pfalz, im Odenwald, am Gardasee oder auf Mallorca. „Ich weiß es zu schätzen, dass es mir gut geht.“Sie freut sich, dass so viele Eltern in der Vergangenh­eit ihre Kinder der Schule anvertraut hätten.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Astrid Barnert hatte am Freitag ihren letzten Arbeitstag im Maria‰Ward‰Gymnasium. Bis zum letzten Tag räumte sie ihr Büro aus.

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