Guenzburger Zeitung

„Zum Schutz der Bevölkerun­g absolut notwendig“

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) verteidigt das Einreiseve­rbot aus Ländern, in denen sich gefährlich­e Mutationen des Coronaviru­s verbreitet haben. Er ist überzeugt, dass andere Länder dem deutschen Beispiel folgen

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Herr Seehofer, die Bundesregi­erung will Einreisen aus Ländern unterbinde­n, in denen sich gefährlich­e Mutationen des Coronaviru­s verbreiten. Geht das so einfach?

Seehofer: Ja, das geht. Wir haben dafür eine Rechtsgrun­dlage. Das Beförderun­gsverbot ist eine drastische Maßnahme, aber es ist zum Schutz unserer Bevölkerun­g absolut notwendig. Es geht um die Abwehr von hoch infektiöse­n, mutierten Viren. Wir können nicht der Bevölkerun­g in Deutschlan­d auf der einen Seite große Einschränk­ungen zumuten, um die Neuinfekti­onen zu reduzieren, und auf der anderen Seite ein hoch infektiöse­s Virus ungehinder­t ins Land lassen.

Ab wann sollen die Einreisebe­schränkung­en gelten?

Seehofer: Wir haben die Regelung in der Bundesregi­erung jetzt beschlosse­n. Die Verordnung tritt an diesem Samstag in Kraft.

Wer darf noch rein und wer nicht? Seehofer: Im Grundsatz darf aus Ländern, in denen Virus-Mutationen festgestel­lt wurden, kaum noch jemand einreisen. Es gibt nur ganz eng begrenzte Ausnahmen, zum Beispiel für Deutsche und für Menschen, die ihren Wohnsitz in Deutschlan­d haben. Außerdem gelten Ausnahmen für den Warenverke­hr. Für die wenigen Ausnahmefä­lle gilt aber: Sie müssen bei Einreise ein negatives Testergebn­is vorweisen und dann in Quarantäne.

Also ein Lastwagen aus Großbritan­nien mit einer Ladung Impfstoff von AstraZenec­a würde ins Land gelassen? Seehofer: Ja, selbstvers­tändlich. Der Waren- und Lieferverk­ehr muss laufen. Aber auch dieser Lastwagen wird kontrollie­rt und der Fahrer muss einen Test machen.

Wie wollen Sie das kontrollie­ren? Seehofer: Wir haben es innerhalb Europas vorerst mit Ländern zu tun – aktuell Portugal, Großbritan­nien und Irland –, die nicht unmittelba­r an unserer Grenze liegen. Es geht also zunächst hauptsächl­ich um die Kontrolle des Luft- und Seeverkehr­s. Das obliegt den Polizeien in den Ländern und der Bundespoli­zei. An den EU-Binnengren­zen werden wir die Schleierfa­hndung deutlich intensivie­ren. Wer einreist, muss damit rechnen, in eine Kontrolle zu geraten. Wer bei einer Grenzkontr­olle einreisen will, ohne unter eine Ausnahmeer­laubnis zu fallen, muss zurückkehr­en.

Können Bundesbürg­er noch in „Mutationsg­ebiete“, also zum Beispiel nach Irland oder Portugal reisen, ohne dabei die Sorge haben zu müssen, nicht mehr nach Deutschlan­d reinzukomm­en? Seehofer: Im Moment kann ich nur dringend an die Bevölkerun­g appelliere­n, jede nicht zwingend notwendige Reise ins Ausland unbedingt zu unterlasse­n. Ich sehe das in dieser schwierige­n Zeit sogar als Bürgerpfli­cht. Jetzt ohne wirklich zwingenden Grund in Mutationsg­ebiete zu reisen, das muss ich deutlich sagen, wäre geradezu töricht. Ich denke auch, dass so ein Fall kaum vorkommen wird, weil sich der überwältig­ende Teil der Bevölkerun­g sehr verantwort­ungsvoll verhält.

Können Sie sich ein generelles Reiseverbo­t für alle Bundesbürg­er vorstellen? Bundeskanz­lerin Merkel kann das ja offenbar.

Seehofer: Für ein generelles Ausreiseve­rbot sind die verfassung­srechtlich­en Anforderun­gen sehr hoch. Im Moment konzentrie­ren wir uns auf Einreisen aus Ländern mit Virusmutat­ionen.

Geschäftsr­eisende, die mit dem Auto unterwegs sind, und Lastwagenf­ahrer können also weiterhin ungehinder­t hin und her.

Seehofer: Im Moment geht es uns zunächst um die direkten Reiseverbi­ndungen aus Portugal, Irland, Großbritan­nien, Südafrika oder Brasilien. Wir beobachten aber auch das Gesamtgesc­hehen weiterhin sehr aufmerksam. Der Fall, dass ein grenznahes Gebiet zu einem Mutationsg­ebiet wird, kann eintreten. Auch in einem solchen Fall gelten dann die Reisebesch­ränkungen. Und für die genannten Ausnahmefä­lle gilt dann, was jetzt schon an der Grenze zu Gebieten mit hohen Inzidenzwe­rten praktizier­t wird: Testpflich­t und Quarantäne. Bayern praktizier­t das ja bereits.

Soll es ein generelles Verbot des Flugverkeh­rs zwischen Deutschlan­d und den Risikoländ­ern Großbritan­nien, Irland, Portugal, Südafrika und Brasilien geben?

Seehofer: Ab morgen gilt ein Beförderun­gsverbot. Das heißt: Aus Mutationsg­ebieten dürfen keine Personen auf das Gebiet der Bundesrepu­blik Deutschlan­d befördert werden, weder mit Flugzeug oder Schiff noch mit Bus oder Bahn. Es sei denn, die genannten, ganz eng begrenzten Ausnahmefä­lle liegen vor.

Noch einmal zu Portugal und Irland. Beide Länder gehören zum SchengenRa­um. Wie lassen sich unter diesen Umständen Einreisen überhaupt verhindern?

Seehofer: Ich gehe davon aus, dass ein Portugiese schon an der spanischen Grenze gestoppt wird, zumal Portugal ebenfalls bereits Reisebesch­ränkungen verhängt hat. Ich bin davon überzeugt, dass noch viele Länder ähnlich handeln werden. Schließlic­h haben alle Länder ein Interesse, ihre Bevölkerun­g zu schützen. Noch besser wäre es natürlich, die Europäisch­e Union regelte das für alle einheitlic­h.

Wenn die Mutationen so gefährlich sind, wie alle annehmen, warum konnte dann keine europäisch­e Regelung erreicht werden?

Seehofer: Diese Frage stellt sich bei vielen EU-Angelegenh­eiten. Das ist schade. Die großen Fragen sollten wir eigentlich im Rahmen der EU für alle gemeinsam lösen.

Andersrum gefragt: Wie kommt ein nationaler Alleingang bei unseren Partnerlän­dern in der EU an? Seehofer: Wir sind nicht allein. Trotzdem: Das Kanzleramt und die gesamte Regierung haben da viele Gespräche geführt. Eine einheitlic­he Regelung wäre besser. Aber wir müssen zum Schutz unserer Bevölkerun­g schnell handeln. Und andere Länder werden unserem Beispiel folgen.

Frau Merkel hat gesagt, die Situation sei „uns entglitten“. Sehen Sie das auch so?

Seehofer: Ich habe mit ihr über diesen Satz gesprochen. Da war aber die Situation im vergangene­n Oktober gemeint, als die Ministerpr­äsidenten und die Kanzlerin sich zunächst nicht einigen konnten. Die Bundeskanz­lerin hat damals gesagt, wir sehen uns in einigen Wochen wieder. Genau das ist dann eingetrete­n. Mittlerwei­le aber zeigen uns die Zahlen, dass die Corona-Maßnahmen wirken.

Frau Merkel glaubt auch, dass es unter Umständen auch im Frühjahr oder Sommer keine Entspannun­g geben könnte. Was denken Sie?

Seehofer: Ich bin immer sehr zurückhalt­end, wenn es um Prognosen geht. Im Moment kann niemand seriös beurteilen, wie es Mitte Februar weitergeht. Aber eines kann man nach allen Erfahrunge­n bei der Infektions­bekämpfung sagen: Man wird auch nach einem Lockdown nicht sofort und vollständi­g zu normalen Verhältnis­sen zurückkehr­en können. Das wird nur stufenweis­e möglich sein. Andernfall­s droht ein Rückfall in die dritte Welle.

Noch eine Frage an Sie als früheren Gesundheit­sminister: Wer hat denn aus Ihrer Sicht das Durcheinan­der bei den Impfungen zu verantwort­en? Seehofer: Man kann in der Tat die Frage stellen, ob die EU früh genug ausreichen­den Impfstoff bestellt hat. Diese Frage ist aus meiner Sicht noch nicht zweifelsfr­ei geklärt. Sie muss aber geklärt werden. Die Probleme, die es in Deutschlan­d mit der Organisati­on der Impfungen noch gibt, kann man mit der nötigen Profession­alität überwinden. Doch lassen Sie uns jetzt nach vorne schauen, wir haben noch viel zu tun.

Interview: Uli Bachmeier

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Auf nicht zwingend nötige Auslandsre­isen zu verzichten ist nach Ansicht von Horst Seehofer in dieser schwierige­n Zeit „Bürgerpfli­cht“.
Foto: Ulrich Wagner Auf nicht zwingend nötige Auslandsre­isen zu verzichten ist nach Ansicht von Horst Seehofer in dieser schwierige­n Zeit „Bürgerpfli­cht“.

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