Bundestag soll Sterbehilfe klären
Parteiübergreifende Initiative für „Recht auf Hilfe zur Selbsttötung“unter Bedingungen
Berlin Vor einem Jahr sprachen die Karlsruher Bundesverfassungsrichter ein wegweisendes Urteil, dessen Kern lautete: Jeder hat das Recht, selbstbestimmt zu sterben, auch mithilfe Dritter. Doch wie die Gesellschaft insgesamt tut sich auch die Politik mit dem Thema schwer. Doch nun kommt Bewegung in die Debatte: Aus den Reihen des Bundestags kommen teils parteiübergreifende Vorschläge für eine neue gesetzliche Regelung.
Eine Gruppe aus Abgeordneten von SPD, FDP und Linken stellte einen gemeinsamen Entwurf vor. „Ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben darf es nicht nur auf dem Papier geben“, sagte die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr. Dazu gehöre, Zugang zu entsprechenden Medikamenten zu ermöglichen, was aber mit Schutzkonzepten zu flankieren sei. Auch die beiden GrünenParlamentarierinnen Renate Künast und Katja Keul legten Vorschläge vor. Angestrebt werde eine Debatte ohne Fraktionsvorgaben im Bundestag und Neuregelungen noch vor der Bundestagswahl im Herbst.
Nach dem Urteil aus Karlsruhe sei die Sterbehilfe derzeit straffrei, aber auch überhaupt nicht geregelt, sagte der SPD-Politiker Karl Lauterbach für die fraktionsübergreifende Gruppe. Die Richter hatten Anfang vergangenen Jahres das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt, da es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben verletzte. Dabei hat „geschäftsmäßig“nichts mit Geld zu tun, sondern bedeutet „auf Wiederholung angelegt“. Das Urteil stößt eine Tür für organisierte Angebote auf – aber auch für Beratungspflichten oder Wartefristen.
Die Abgeordneten wollen diesen Rahmen nun ausfüllen. „Im Zentrum stehe der freie Wille des Einzelnen“, sagte Helling-Plahr. Der Gesetzentwurf sieht ein „Recht auf Hilfe zur Selbsttötung“vor: „Jeder, der aus autonom gebildetem, freiem Willen sein Leben beenden möchte, hat das Recht, hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen.“Entsprechend soll auch ein „Recht zur Hilfeleistung“festgelegt werden, ausdrücklich aber keine Verpflichtung dazu. Für den Willen zum Suizid werden Bedingungen formuliert – etwa dass er „ohne unzulässige Einflussnahmen oder Druck“gebildet wurde und „von einer gewissen Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit getragen“ist. Lauterbach betonte, dazu gehörten als ein „Sicherheitsnetz“staatlich organisierte Beratungsstellen, damit Suizidhilfe etwa nicht für psychisch Kranke in Frage komme.
Die Grünen-Abgeordneten Künast und Keul legten einen Entwurf für ein „Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben“vor. Es gehe darum, Betroffenen endlich mit klaren Kriterien einen
Patientenschützer warnen vor „SuizidSiegel“
Zugang zu bestimmten Betäubungsmitteln zu schaffen, sagte Künast. „Wir unterscheiden im Verfahren zwischen denen, die an einer schweren Erkrankung leiden, und dem Suizidwunsch aus anderen Gründen.“Keul sagte, vor der Abgabe tödlicher Mittel sei eine verpflichtende Beratung angemessen und verhältnismäßig, um die Selbstbestimmtheit und Dauerhaftigkeit des Sterbewunsches abzusichern.
Die Stiftung Patientenschutz mahnte, selbst staatlich legitimierte Beratungsstellen könnten nicht feststellen, ob ein freier Wille autonom gebildet wurde. „Dafür taugen weder Checklisten noch Fristen oder unbestimmte Rechtsbegriffe“, sagte Vorstand Eugen Brysch. „Allein der Betroffene selbst hat die Chance, zwischen einer autonomen und nicht autonomen Willensbildung zu unterscheiden. Deshalb kann es durch staatliche Beratung kein Suizid-Siegel geben.“