Guenzburger Zeitung

Fujitsu verlässt Tarifbindu­ng

Die Firma in Augsburg und München will einen modernen Rahmen für Beschäftig­te schaffen, IG Metall und Mitarbeite­r sindalarmi­ert

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg/München Die Beschäftig­ten des IT-Spezialist­en Fujitsu haben am Standort Augsburg in den letzten Monaten große Umbrüche erfahren. Im Herbst 2018 entschied Fujitsu, die Computerfe­rtigung dort aufzugeben. Inzwischen ist das Werk geschlosse­n. Geblieben sind am Standort von ehemals 1800 Beschäftig­ten rund 350 Mitarbeite­r am neuen Standort im Toni-Park im Süden der Stadt, die im Service und in der Kundenbetr­euung tätig sind. In Deutschlan­d ist Fujitsu aber erheblich größer – hier arbeiten rund 4500 Mitarbeite­r für Fujitsu, davon rund 1000 in der Zentrale in München. Für sie gab es am Donnerstag­abend teils überrasche­nde Nachrichte­n: Das Unternehme­n tritt aus der Tarifbindu­ng aus, der IG-Metall-Tarifvertr­ag kommt damit auf absehbare Zeit nicht mehr zur Anwendung. Das Unternehme­n betont, es will moderne Arbeitsbed­ingungen für die Beschäftig­ten schaffen. Gewerkscha­ft und Angestellt­e sind dagegen skeptisch.

Fujitsu will sich als Anbieter von Lösungen für die Digitalisi­erung mit starkem Service-Geschäft positionie­ren. Dafür müsse man Rahmenbedi­ngungen für die Beschäftig­ung von Mitarbeite­rn schaffen, „mit denen das Unternehme­n der Dynamik und den Anforderun­gen im ITMarkt gerecht wird“, teilte Fujitsu mit. „Mit dem konsequent­en Ausbau des Service-Geschäfts und der Beendigung der Produktion in Augsburg stellt der Tarifvertr­ag der Metall- und Elektroind­ustrie für

Fujitsu keine ideale Grundlage mehr dar.“Daher habe die Fujitsu Technology Solutions GmbH – ein Teil des Konzerns – beschlosse­n, die in Deutschlan­d bestehende­n Mitgliedsc­haften in den Arbeitgebe­rverbänden in eine solche ohne Tarifbindu­ng zu wandeln. Betroffen sind rund 1900 der 4500 Mitarbeite­r in Deutschlan­d.

Eine unmittelba­re Verschlech­terung ergibt sich für die Beschäftig­ten nicht, verspricht Fujitsu: „Die aktuellen Arbeitsver­träge mit dem heutigen Gehaltsniv­eau sowie die vereinbart­en Arbeitszei­tregelunge­n werden durch den Wechsel nicht berührt“, betonte ein Fujitsu-Sprecher.

„Dies gilt auch für Zusatzleis­tungen wie Weihnachts­geld oder vermögensw­irksame Leistungen.“

Wird die Tarifbindu­ng aufgelöst, heißt dies aber, dass die Mitarbeite­r künftig Gehalt und Zusatzleis­tungen selbst mit dem Arbeitgebe­r aushandeln müssen. Fujitsu hat zuletzt 400 neue Mitarbeite­r eingestell­t und will weitere 300 gewinnen. Dabei handelt es sich häufig um IT-Spezialist­en, die auf dem Markt heiß begehrt und gut bezahlt sind. Ihr Lohn dürfte über dem IG-MetallNive­au liegen, heißt es aus Unternehme­nskreisen. Zudem hätten diese Berufsgrup­pen ein größeres Interesse an flexiblen Arbeitszei­ten.

Viele Beschäftig­te und die Gewerkscha­ft IG Metall dagegen sind alarmiert: Befürchtet wird im Mitarbeite­rumfeld, dass insbesonde­re bei Neuanstell­ungen nachteilig­e Regelungen zu Wochenarbe­itszeit, Gleitzeit, Urlaub oder dem 13. Monatsgeha­lt eingeführt werden könnten. Auch von Tariferhöh­ungen würde man nicht mehr automatisc­h profitiere­n.

Ähnlich sieht man es bei der IG Metall: „Wenn Fujitsu aus der Tarifbindu­ng austritt, wäre das sehr schade“, sagte Angela Steinecker von der IG Metall Augsburg unserer Redaktion. „Nach der Werkschlie­ßung auch noch aus der Tarifbindu­ng herauszuge­hen, das ist ein falsches Zeichen.“

Eine Möglichkei­t wäre es, nach dem Austritt einen Haustarifv­ertrag zu schließen. Dies sei aber bisher nicht angedacht, ist aus dem Unternehme­n zu erfahren.

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Foto: Silvio Wyszengrad Fujitsu verabschie­det sich aus dem Me‰ tall‰Tarifvertr­ag – im Bild der alte Stand‰ ort.
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