Guenzburger Zeitung

Corona als Chance für die Kuttenfans

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Eine der unschönen Entwicklun­gen des modernen Fußballs ist das Aussterben des sogenannte­n Kutten-Fans. Jener Anhänger also, die ihre Jeans-Westen über und über mit Aufnähern versahen, auf dass für jeden verständli­ch war, welche Mannschaft in den kommenden 90 Minuten zu unterstütz­en sei – und dass die restlichen 17 Bundesligi­sten eher ein Fall für das örtliche Klärwerk sind. Diese Kutten dürften für die Lesebegeis­terung etlicher Grundschül­er gehaltvoll­er gewesen sein als die meisten MamaHaus-Tier-Geschichte­n aus dem Deutsch-Unterricht. Manch Spiel lebte weder von Klasse, noch nicht einmal von Spannung – dafür aber von den nur selten überkomple­xen, auf Jeans gebannten Sprüchen und Bildern. „Der Vater ein Bauer, die Mutter eine Sau – das Kind ein (einer der 17 anderen Bundesligi­sten).“Dazu ein begummisch­uhter Mann, der einem Schwein verdächtig nahe kommt. Und warum baumelt seine Hose zwischen den Kniekehlen? Kinder sind gar nicht so leicht zu verstören.

Kuttenfans wollten den Weg von ehrwürdige­n Tartanbahn­stadien in die immer gleich aussehende­n (und so komfortabl­en) Arenen am Stadtrand nicht auf sich nehmen.

Corona aber bietet nun eine Chance, lesefaulen Grundschül­ern wieder das Weg zum geschriebe­nen Wort zu weisen. Corona-Masken bieten sich geradezu als Kutten-Ersatz an. Unlängst zeigte Karl-Heinz Rummenigge, wie leicht mit einem Mund-Nase-Schutz Aufmerksam­keit zu erregen ist. Weil die Brille des Bayern-Bosses immerzu über der FFP2-Maske beschlug, ließ er oft seine Nase über den CoronaSchu­tz blinzen. Das ist selbstvers­tändlich nicht im Sinne des Erfinders, weshalb Rummenigge auf ein österreich­isches Spezialpro­dukt umstieg, das einer verkehrt aufgesetzt­en Taucherbri­lle gleicht. Auch ohne Erfolg. Allerdings schauten ihm noch mehr Interessie­rte als sonst genau auf die Mund-NasenParti­e.

Münchens Vorstandsv­orsitzende­r will nun wieder auf das gewöhnlich­e weiße Stück zurückgrei­fen. Unglaublic­h, dass die Verantwort­lichen den Pflichtsch­utz noch nicht als Sponsorenf­läche entdeckt haben. Maulkörbe jedweder Art ließen sich prächtig vermarkten. Gewitztere Funktionär­e könnten auch durch aufgedruck­te Sinnsprüch­e auf sich aufmerksam machen. FifaBoss Gianni Infantino, der mit „Wer nie genug hat, ist immer arm“einen Anstoß zur Kapitalism­uskritik gibt. Am sinnvollst­en aufgehoben wäre das Stück Sicherheit aber vor den Mündern und Nassen der Fans. Als Kuttenersa­tz und Einstieg für Erstleser.

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Foto: Witters Karl‰Heinz Rummenigge fühlte sich gut beraten, am Ende des Tages brachte aber auch diese Maske nichts.
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