Guenzburger Zeitung

Bayern erhöht den Druck vor dem Impfgipfel

Söder fordert höhere Produktion in Deutschlan­d – „Menschen völlig verunsiche­rt“

- VON CHRISTIAN GRIMM UND MARGIT HUFNAGEL

Berlin/München Sie sollte die Erlösung aus der Corona-Krise bringen und endete im Chaos: Der Start der Impfaktion ist für Politik wie Hersteller zu einem Debakel geworden. Ein Gipfel der Ministerpr­äsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel und einigen Hersteller­n am Montag soll nun mehr Klarheit über die Zeitpläne, Prioritäte­n für Bevölkerun­gsgruppen und verfügbare Impfstoffe bringen. Der Druck, zumindest einige Probleme zu lösen, ist gewaltig. Zwar hat Regierungs­sprecher Steffen Seibert bereits im Vorfeld des Treffens die Erwartunge­n gedämpft, dass mit konkreten Beschlüsse­n zu rechnen sei. Doch die bayerische Landesregi­erung dringt auf Ergebnisse: „Wir brauchen klare Transparen­z beim Impfstoff“, fordert Ministerpr­äsident Markus Söder unserer Redaktion. „Die Menschen sind völlig verunsiche­rt.“

Das Dilemma, vor dem nicht nur der Freistaat steht: Die Logistik stehe, die Impfzentre­n sind einsatzber­eit, aber es könne nicht geimpft werden. „Daher bedarf es endlich eines verlässlic­hen Lieferplan­s für die nächsten Wochen und Monate“, sagt der CSU-Chef. „Ein ,Stop and Go‘ beim Impfen geht auf Dauer nicht.“Seine Kritik richtet sich nicht nur an die Hersteller, sondern auch an die EU-Kommission, die Liefervert­räge abgeschlos­sen hat. Insgesamt falle Europa beim Impfen deutlich hinter andere Länder der Welt zurück. „Das darf nicht sein“, warnt der Ministerpr­äsident. „Daher braucht es auch einen Überblick über mögliche Produktion­skapazität­en in Deutschlan­d. Es sollte alles getan werden, um die Produktion in Deutschlan­d auszuweite­n.“

Auch sein Gesundheit­sminister Klaus Holetschek findet klare Worte. „Das darf keine Show-Veranstalt­ung werden, sondern wir müssen nachvollzi­ehen können, wo die Probleme sind und diese dann auch abstellen“, sagt der CSU-Politiker. „Das Maß der Dinge ist, dass wir möglichst viel Impfstoff haben und dass der auch zuverlässi­g und planbar kommt.“In den über 100 Impfzentre­n in Bayern komme es immer wieder zu Problemen, weil Impfliefer­ungen verschoben werden. „Es ist schwierig, Leute heimzuschi­cken, die schon Impftermin­e vereinbart haben“, sagt Holetschek. Deshalb begrüße er grundsätzl­ich auch jeden Versuch, der dazu führe, dass die Länder mehr Planbarkei­t, Verlässlic­hkeit und vor allem mehr Impfstoff bekommen. „Deshalb erwarte ich, dass beim Impfgipfel Klartext gesprochen wird“, sagt er.

Doch was kann das Treffen wirklich bringen? „Der Impfgipfel wird keinen Tropfen Impfstoff mehr bringen“, sagt Welt-Ärztepräsi­dent Frank-Ulrich Montgomery. „Aber er kann ein deutliches Zeichen von Solidaritä­t und Gemeinsinn setzen.“Die Länder müssten sich endlich auf ein einheitlic­hes Vorgehen verständig­en. Denn auch wenn der Schwarze Peter derzeit vor allem bei den Hersteller­n und der EU liegt, sieht Montgomery eine Mitschuld bei der deutschen Politik. „Wenn ich höre, dass Niedersach­sen 550000 Menschen der Prio-Gruppe 1 anschreibt, sie mögen sich zur Impfung anmelden, es gleichzeit­ig aber nur 15000 Termine gibt, dann ist das unprofessi­onell“, sagt er. „Es ist viel Vertrauen zerstört worden, dass das staatliche Handeln wirksam funktionie­rt.“Zugleich warnt er vor unrealisti­schen Annahmen: „Niemand sollte erwarten, dass die Durchimpfu­ng eines Volkes von 83 Millionen Menschen völlig reibungsfr­ei und problemlos funktionie­rt.“

Der britisch-schwedisch­e Hersteller AstraZenec­a will laut EUKommissi­onschefin Ursula von der Leyen im ersten Quartal nun doch neun Millionen Dosen mehr liefern und damit insgesamt 40 Millionen. Das ist aber nur die Hälfte der ursprüngli­ch geplanten Menge von 80 Millionen Dosen. »Leitartike­l

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