Wie ein Sportstudent Alexej Nawalny wieder fit machte
Björn Leber studiert zwar noch, hat aber als Personal Trainer schon einen prominenten Kunden gehabt
Konstanz Sobald Björn Leber das Apartment von Alexej Nawalny in Ibach im Landkreis Waldshut betrat, zählte für die beiden 90 Minuten lang nur der Sport. Dass Nawalny im August 2020 Opfer eines Giftanschlages gewesen war, wurde ausgeblendet. Dass der russische Politiker danach wochenlang im künstlichen Koma gelegen hatte, spielte ebenfalls keine Rolle. Die volle Konzentration galt dem einen Ziel: Alexej Nawalny so schnell es geht wieder fit zu bekommen.
Neun Wochen lang – von Mitte Oktober bis Anfang Dezember – trainierte Björn Leber den 44-Jährigen, der sich seinerzeit zur Erholung in Ibach aufhielt. Zu Beginn dreimal pro Woche, nach dem ersten Monat sogar viermal. Nervös war der 23-Jährige, der sich erst kurz zuvor als Personal Trainer selbstständig gemacht hatte, trotz des enormen öffentlichen Trubels um Nawalny nicht. Aufregend sei es dennoch gewesen. Besonders eindrucksvoll sei gewesen, wie viele Personenschützer präsent waren: „Da standen einmal acht Menschen um Alexej und mich herum. Da kam ich mir schon mal kurz wie in einem James-BondFilm vor.“
Trotz der Vergiftung mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok habe der Russe wegen seines Gesundheitszustandes nie einen besorgten Eindruck gemacht, erinnert sich Leber: „Er war in jedem Training sehr positiv gestimmt“, erzählt Leber. Nawalny habe Training für Training extreme Fortschritte gemacht. Zu Beginn hatte er vor allem koordinative Probleme: „In diesem
Bereich war er sehr angeschlagen“, sagt der Student und ergänzt: „Die Kraft fehlte ihm anfangs ebenfalls. Er konnte keine fünf Liegestützen machen, obwohl er eigentlich ein sehr sportlicher Typ ist. Er war vor dem Giftanschlag fast jeden Tag joggen. Alexej hat viel geboxt, ist gegen Gegenstromanlagen geschwommen“, erzählt er.
Nawalny habe auch an seiner Person großes Interesse gezeigt. Extrem höflich und respektvoll sei er gewesen. Auch Witze habe man mit ihm machen können. „Er hat mir in der Zeit ein paar russische Wörter beigebracht, und ich ihm ein paar deutsche“, sagt Leber, der sich ansonsten auf Englisch mit dem 44-Jährigen unterhielt. Seine guten
Englischkenntnisse waren für Leber auch der Türöffner. Wie der 23-Jährige erzählt, hatte die Beraterin von Nawalny im Fitnessstudio Albgym, in dem Leber arbeitete, nach einem Personal Trainer angefragt, der gut Englisch spreche. „Der Inhaber hat mich dann gefragt“, sagt Leber, der zu diesem Zeitpunkt nicht die geringste Ahnung hatte, dass er bald einem derart bekannten Menschen helfen soll. Erst am Abend vor dem ersten Gespräch mit Nawalny sei es ihm bewusst geworden: „Ich habe die Nachrichten geschaut und dann eins und eins zusammengezählt“, sagt Leber. Und dann begann das Abenteuer, dass der Noch-Student wohl so schnell nicht vergessen wird.