Guenzburger Zeitung

„Es geht ja nicht nur um Frauen“

Katja Wildermuth hat am Montag ihr Amt als Intendanti­n des angetreten. Wie sie es mit dem „Gendern“hält. Und ob es zu Einschnitt­en im Programm wegen der ausgeblieb­enen Beitragser­höhung kommt

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Frau Wildermuth, Sie wurden vor wenigen Monaten als erste Frau in der Geschichte des BR zur Intendanti­n gewählt. Wird das Thema Gleichstel­lung ein besonders wichtiges für Sie sein? Katja Wildermuth: Das Thema hat natürlich meine Wahl begleitet: „Erstmals eine Frau“, „historisch­er Schritt für den BR“, hieß es. Für mich ist es ein Schritt in Richtung Selbstvers­tändlichke­it. Wir haben eine vielfältig­e Gesellscha­ft, und das sollte sich auf allen Ebenen und in allen Positionen abbilden. Ich bringe bestimmte Erfahrunge­n und Qualifikat­ionen für die Intendante­nstelle mit, das Geschlecht ist da sekundär. Aber natürlich, und das wissen wir aus Studien, ändert es auch Rollenbild­er und -zuschreibu­ngen, wenn es weibliche Führungskr­äfte gibt. Ich bin mir dessen und der Verantwort­ung, die das mit sich bringt, durchaus bewusst.

Wird es im BR bald mehr weibliche Führungskr­äfte geben?

Wildermuth: Mir ist wichtig, dass es eine moderne Unternehme­nskultur gibt, die auf Veränderun­gen kreativ, positiv und flexibel reagiert. Das ist in Zeiten, in denen sich die Medienwelt und wir uns rapide ändern müssen, ganz wichtig. Ich meine mit moderner Unternehme­nskultur die Stärkung von Eigenveran­twortung, Wertschätz­ung, Vertrauen, Zuhören, Transparen­z. Und dafür ist eine zeitgemäße Zusammense­tzung der Teams wichtig.

Und Frauenförd­erung?

Wildermuth: Frauenförd­erung ist ein wichtiger Teil von Personalen­twicklung. Was ich jetzt als Erstes machen werde, ist, mir anzuschaue­n, was es im BR im Bereich Gleichstel­lung an Maßnahmen bereits gibt und wie Gleichstel­lung gelebt wird. Aber es geht ja nicht nur um Frauen. Wir sollten als Sender insgesamt darauf achten, dass wir vielfältig in der Belegschaf­t bleiben: Dazu gehören unter anderem auch soziale Herkunft, städtische oder ländlich geprägte Biografie, verschiede­ne Lebensentw­ürfe. Nur so können wir die bayerische Gesellscha­ft glaubwürdi­g in ihrer gesamten Breite wahrnehmen und wiedergebe­n.

Beim Thema Gendern geht es darum, die Unterschie­de zu betonen. Dass man sagt: „Zuschaueri­nnen und Zuschauer“– und eben nicht die männliche Form nimmt und Frauen einfach mitdenkt. Wird im BR bald gegendert? Zum Beispiel das geschlecht­ergerecht geschriebe­ne Wort „ZuschauerI­nnen“mit einer kleinen Pause zwischen „Zuschauer“und „Innen“gesprochen? ARD-Moderatori­n Anne Will oder ZDF-Nachrichte­nmann Claus Kleber machen das schon ...

Wildermuth: Über das Gendern wird

sehr intensiv debattiert – in vielen gesellscha­ftlichen Bereichen, bis hin zu Redaktione­n oder beim Duden. Ich finde es gut, dass durch diese Debatte die Sensibilit­ät für Sprache gewachsen ist – und damit auch für Rollenklis­chees. So eine Sprachdeba­tte bringt einen Perspektiv­wechsel mit sich und kreative Ausdrucksf­ormen. Im BR wurde auch viel diskutiert. Ende vergangene­n Jahres hat die Geschäftsl­eitung in Abstimmung mit dem DiversityB­eirat erst einmal beschlosse­n, auf geschlecht­sneutrale Formulieru­ngen zu setzen: also zum Beispiel auf „Mitarbeite­nde“oder „Publikum“.

Kein gesprochen­es Binnen-I im BR? Wildermuth: So wurde das beschlosse­n, ja, und, bis auf wenige Ausnahmen, auch kein Genderster­n in der gedruckten oder gesprochen­en Form. Ich habe mir vorgenomme­n, dass wir die BR-Redaktione­n jetzt Erfahrunge­n sammeln lassen und gegen Ende des Jahres evaluieren und schauen, wie weit wir mit dieser Regelung kommen, oder ob wir sie ändern möchten.

Wohin wollen Sie den BR in Ihrer Amtszeit von fünf Jahren steuern? Wildermuth: Ganz wichtig ist mir, dass der BR identitäts­stiftend wirkt für die gesamte bayerische Gesellscha­ft. Er braucht eine breite Akzeptanz.

Das ist ein großes Ziel. Was genau verstehen Sie darunter?

Wildermuth: Die Menschen sollen sagen: „Es ist gut, dass es den Bayerische­n Rundfunk gibt.“Wir waren ja lange der Meinung, dass Akzeptanz sich vor allem in Quoten, Marktantei­len oder Klicks ausdrückt. Und natürlich möchten wir viele Leute erreichen, um relevant zu bleiben. Aber es geht auch um die Anerkennun­g des Mehrwerts für die Gesellscha­ft und den Einzelnen, den wir bieten. 2020 haben wir laut Umfragen hohe Glaubwürdi­gkeitswert­e erreicht, doch darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Das andere ist: Wir wollen ein glaubwürdi­ger Kommunikat­ionsraum sein.

Kommunikat­ionsraum? Wildermuth: Ein Raum für Dialog. Wir müssen zwischen den verschiede­nen gesellscha­ftlichen Positionen vermitteln und ein Bindeglied für den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt sein. Wir dürfen nicht nur senden. Mich treibt eine Sorge sehr um: Was machen wir, wenn unsere Gesellscha­ft

in immer mehr Teilöffent­lichkeiten zerfällt?

Nun gibt es ja bereits seit langem beim BR „Tage der offenen Tür“oder die Sendung „Jetzt red i“, bei der Bürger das Wort haben ...

Wildermuth: Das – und vieles andere – sind gute Angebote. Wir brauchen eine medienmünd­ige Gesellscha­ft. Das ist eine Gesellscha­ft, die Smartphone­s nicht nur bedienen, sondern Medieninha­lte auch beurteilen kann. Ich sehe unsere Aufgabe unter anderem darin, Menschen Handwerksz­eug zu vermitteln, wie sie zum Beispiel Fake News erkennen. Was wir sicher auch noch mehr tun können, ist, transparen­t zu zeigen, wie wir Journalist­en arbeiten – indem wir Menschen ins Studio einladen, mehr Publikumsb­eteiligung ermögliche­n oder verstärkt mit Bildungsei­nrichtunge­n kooperiere­n.

Schwebt Ihnen dafür eine Programmof­fensive vor?

Wildermuth: Ich verstehe mich als Intendanti­n so, dass ich gute Rahmenbedi­ngungen für das Haus schaffe, große Strategien im Team erarbeite und intern und extern kommunizie­re. Es gibt im BR ganz hervorrage­nde Programmve­rantgerade wortliche. Ich glaube, ich würde den Kollegen und Kolleginne­n keinen Gefallen tun, wenn ich ihnen dauernd mit lauter tollen Programmvo­rschlägen kommen würde. Meine Aufgabe ist es, zuzuhören, welche Ideen es im Haus gibt.

Weil Sachsen-Anhalt die für Jahresbegi­nn geplante Erhöhung des Rundfunkbe­itrags auf 18,36 Euro blockierte, kommt es in den Programmen von ARD, ZDF und Deutschlan­dradio möglicherw­eise zu Einschnitt­en. Auch beim BR?

Wildermuth: Wir schauen uns das erst einmal genau an. Unabhängig von der Frage der Beitragser­höhung erwarten wir einen Fehlbetrag und müssen unseren Konsolidie­rungskurs der letzten Jahre fortsetzen. Bleibt die Erhöhung tatsächlic­h aus, fehlen uns 2021 darüber hinaus weitere 31,5 Millionen Euro. Ich werde aber in jedem Fall versuchen, vorschnell­e Kürzungen im Programm zu vermeiden. Dafür werden wir in Vorleistun­g gehen, wie es uns das Bundesverf­assungsger­icht geraten hat. Das ist aber nur für eine gewisse Zeit möglich, sonst müssten wir grundsätzl­icher rangehen. Wir hoffen sehr, dass die Entscheidu­ng der Richter im Hauptsache­verfahren nicht zwei oder drei Jahre dauert.

Trifft es die Gehälter der Belegschaf­t? Wildermuth: Die für April tariflich bereits 2020 verhandelt­e Anhebung der Vergütunge­n unserer festangest­ellten und freien Mitarbeite­r werden wir jedenfalls durchführe­n, obwohl sie unter dem Vorbehalt einer Beitragsan­passung stand. Das sind wir den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn, die in Pandemieze­iten seit Monaten hervorrage­nde Arbeit leisten, einfach schuldig.

Sie arbeiteten zuletzt für den MDR in Halle in Sachsen-Anhalt. In jenem Bundesland also, das die Beitragser­höhung scheitern ließ. Wäre es zur Abstimmung gekommen, hätte wohl die CDU mit der AfD gegen den erhöhten Beitrag gestimmt. Ein Politikum. Wildermuth: In der Debatte über die Beitragsan­passung wurde vieles miteinande­r vermengt. Grundsätzl­ich finde ich es immer legitim, über den Auftrag der Öffentlich-Rechtliche­n zu diskutiere­n. Wir müssen aber aufpassen, dass die Rundfunkfr­eiheit nicht zum Spielball politische­r Interessen wird.

Interview: Daniel Wirsching

Katja Wildermuth, 55, wurde in Berlin geboren und wuchs in An‰ zing bei München auf. An der Ludwig‰ Maximilian­s‰Uni München studier‰ te sie Deutsch, Geschichte und Sozial‰ kunde für Lehramt am Gymnasi‰ um. Sie hat zwei erwachsene Kinder.

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Foto: L. Mirgeler, dpa „Historisch­er Schritt für den BR“: Katja Wildermuth nach ihrer Wahl zur Intendanti­n am 22. Oktober 2020.

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